Kündigung wegen Krankheit: Ist das erlaubt?
Entgegen der hartnäckigen Überzeugung vieler Arbeitnehmer, ist es so, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter durchaus während oder wegen einer Krankheit kündigen können. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Krankheit sogar der Grund für eine Kündigung sein. Eine solche Kündigung fällt unter die personenbedingten Kündigungen.
Unter welchen Bedingungen ist eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig?
Damit der Chef einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt ordentlich kündigen darf, müssen drei Voraussetzungen vorhanden sein:
- Negative Gesundheitsprognose: Das heißt, es ist belegt, dass der Arbeitnehmer auch künftig durch seine Krankheit in erheblichem Umfang nicht mehr arbeiten kann und es zu Fehlzeiten kommt.
- Beeinträchtigung der wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers: Diese liegen dann vor, wenn es wegen der Fehlzeiten zu Störungen des Betriebsablaufs oder zu erheblichen Belastungen des Arbeitgebers, zum Beispiel durch Lohnkostenfortzahlungen, kommt bzw. weiterhin kommen wird.
- Interessensabwägung: Die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers müssen gegeneinander abgewogen werden. Diese Abwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausgehen. Das heißt, dem Arbeitgeber kann angesichts der Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Krankheitsursachen, der Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und des Lebensalters des Mitarbeiters im Krankenstand, die Beeinträchtigung seiner Interessen nicht mehr weiter zugemutet werden.
Der Arbeitgeber muss also nicht nur belegen, dass der oder die Mitarbeiter in der Vergangenheit häufig krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, sondern auch nachweisen, dass damit auch in Zukunft mit Fehlzeiten durch Krankheit zu rechnen ist. Im Fall einer chronischen Krankheit ist dieser Nachweis einfacher. Sind mehrere hintereinander liegende Erkrankungen ausgeheilt, ist das nicht notwendigerweise ein Grund für eine krankheitsbedingte Kündigung.
Sechs-Wochen-Grenze und vier Krankheitsfälle
Eine krankheitsbedingte Kündigung muss immer das mildeste Mittel sein. Das ist beispielsweise regelmäßig nicht der Fall, wenn der Betrieb vor der Kündigung keine Maßnahmen zum betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement veranlasst hat. War ein Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate länger als sechs Wochen am Stück oder in Form mehrerer kurzer Krankheiten arbeitsunfähig ist, müssen Arbeitgeber gemäß § 167 Abs.2 Satz 1 SGB IX zusammen mit dem betroffenen Arbeitnehmer klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und wie einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.
Kündigungen wegen Krankheit landen häufig vor Gericht. Arbeitsrichter unterscheiden daher vier typische Fälle. In jeden müssen besagte drei Voraussetzungen erfüllt sein.
1. Häufige kurze Erkrankungen: Der Arbeitnehmer ist vor Ausspruch der Kündigung immer wieder für kürzere Zeit, das heißt für jeweils einige Tage oder Wochen arbeitsunfähig krank, sodass die Fehlzeiten zusammengerechnet ein Ausmaß erreichen, das der Arbeitgeber auf Dauer nicht mehr hinnehmen muss.
In diesem Fall steht das Unternehmen vor dem Problem, dass die Ursachen der Kurzerkrankungen zum Zeitpunkt seiner Kündigung normalerweise nicht bekannt sind. Dem Arbeitgeber liegen lediglich die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Die Arbeitgeberausfertigung beinhaltet jedoch keine Diagnose. Daher ist folgende Überlegung des Arbeitgebers zulässig: War der betreffende Arbeitnehmer
- über einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten bevor die Kündigung ausgesprochen wurde
- wegen mehrerer kurzer Erkrankungen im Schnitt länger als sechs Wochen pro Jahr ärztlich krankgeschrieben,
ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter auch weiterhin häufig krank sein wird.
2. Dauernde Arbeitsunfähigkeit: Zum Zeitpunkt der Kündigung steht fest, dass der Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig sein wird. Eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist auszuschließen.
Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Dachdecker einen Arbeitsunfall hatte und seitdem an den Rollstuhl gefesselt ist - mit der Prognose, dass dies dauerhaft so sein wird. Kann der Arbeitgeber dem Mitarbeiter hier keinen anderen adäquaten Arbeitsplatz anbieten, ist davon auszugehen, dass die Interessensabwägung zugunsten des Betriebs ausgeht.
3. Langandauernde Krankheit: In einem solchen Fall ist es zum Zeitpunkt der Kündigung zwar nicht ausgeschlossen, dass der Mitarbeiter wieder gesund wird. Allerdings weiß der Arbeitgeber aufgrund einer bereits länger andauernder Krankheit nicht, ob und wann mit der Genesung zu rechnen ist.
In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen oder sogar schon einige Monate lang krank. Zum Zeitpunkt der geplanten Kündigung muss der Krankheitsgrund auch weiterhin für eine längere oder nicht absehbare Zeit andauern. Hier hat das Bundesarbeitsgericht folgende Regel aufgestellt: Ein ärztliches Gutachten muss belegen, dass der Arbeitnehmer innerhalb der nächsten 24 Monate voraussichtlich nicht gesund wird.
4. Krankheitsbedingte Minderleistung: In einem solchen Fall führt die Krankheit des Arbeitnehmers dazu, dass dieser zwar zur Arbeit erscheint, seine Leistung jedoch erheblich hinter der früheren zurückbleibt.
Hier muss die Prognose auch für die Zukunft eine erhebliche Minderleistung vorsehen, dann ist auch die Interessensabwägung klar. Kann der Arbeitgeber einen Alternativarbeitsplatz anbieten, der dieser Minderleistung entspricht, ist eine Kündigung nicht möglich.
Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit
Ist ein Mitarbeiter nicht ordentlich kündbar, kann er trotzdem außerordentlich wegen Krankheit gekündigt werden. Dafür braucht es aber noch höhere Voraussetzungen, denn die Unkündbarkeit soll ihn ja besonders schützen. Hierfür hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil (Az.: 2 AZR 6/18) Leitplanken eingezogen:
- Der Arbeitnehmer muss währen eines Zeitraums von 36 Monaten vor der Kündigung im Durchschnitt etwa dreimal so oft krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sein wie ein "normaler" Arbeitnehmer, der ordentlich kündbar ist.
- Ist der Mitarbeiter an fünf Wochentagen in Vollzeit tätig, muss er binnen 36 Monaten an 251 Tagen krankgeschrieben sein. Urlaubstage zählen dabei nicht.
- An diesen 251 Tagen muss das Unternehmen Entgeltfortzahlung geleistet haben. Tage ohne Entgeltfortzahlung, zum Beispiel weil Krankengeld gezahlt wurde, fließen hier nicht ein.
Sind diese drei Bedingungen erfüllt, darf der Arbeitgeber von einer negativen Prognose ausgehen. Auch von einer Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen ist dann auszugehen. Die Interessensabwägung einer Kündigung muss aber nach wie vor zwingend zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.
Wichtig: Die außerordentliche Kündigung wegen Krankheit erfolgt nicht nach § 1 Kündigungsschutzgesetz, sondern nach § 626 Abs. 1 BGB.
Kündigung wegen Krankheit in der Probezeit
Auch in der Probezeit ist eine krankheitsbedingte Kündigung möglich. In dem Fall gilt die in der Probezeit übliche verkürzte Kündigungsfrist. Diese beträgt meist zwei Wochen. Sind die Gründe für die Kündigung erfüllt, kann der Arbeitgeber während in der Probezeit auch eine fristlose Kündigung aussprechen und das Kündigungsschreiben per Post zustellen.
Krankheitsbedingt gekündigt - was tun?
Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt gekündigt wurden, müssen Sie sich binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung entscheiden, ob Sie dagegen vorgehen wollen. Innerhalb dieser Frist können sie eine Kündigungsschutzklage erheben. Wer diese Frist versäumt, akzeptiert die Kündigung.
Mit einer Kündigungsschutzklage können Arbeitnehmer entweder auf Weiterbeschäftigung klagen oder versuchen, eine Abfindung zu erstreiten. In beiden Fällen, ist die 3-Wochen-Frist jedoch entscheidend.