Was ist eigentlich ein Raumbuch? Und wie schreibt man es?
Eine wichtige Standardfrage, die ich schon mal als Sachverständiger an streitende Parteien stellen muss, ist die nach den getroffenen Vereinbarungen. Wenn sich die Parteien dann noch gegenseitig ausreden lassen, kriege ich häufig zwei Versionen geschildert. Meistens schildert der Auftraggeber die Version, dass alle Wünsche und Details klar formuliert waren. Der Auftragnehmer, meistens Chef eines SHK-Betriebes, zeigt auf den Grundriss des Architekten, in dem die Sanitärgegenstände eingezeichnet sind. Zwischen „Alles geklärt“ als Version des Kunden und „Standard laut Zeichnung“ als Version des Installateurs klafft dann gerne eine riesige Lücke.
Vielleicht schildern beide Parteien die ganz persönliche Wahrheit. Besser ist es jedoch, wenn die Grundlagen zur Erstellung der Sanitäranlagen schriftlich fixiert sind. Hierzu dient das Raumbuch.
Eher Formblatt als Buch
Buch klingt so nach Schriftsteller und Muße, während man unter dem Obstbaum liegt. Das ganze Werk ist aber deutlich nüchterner zu betrachten. Um ein Raumbuch zu schreiben, können Formblätter locker ausreichen. Einen Vorschlag hierzu unser Autor online zur kostenfreien Nutzung hinterlegt - als PDF und Word-Datei.
Wenn Sie sich dieses Formblatt anschauen, stellen Sie schnell fest, dass das Ausfüllen die Abstimmung zwischen Bauherrn, Architekten und Installateur verlangt. Wer sonst sollte beispielsweise mitteilen können, wie viele Personen das jeweilige Bad zu welcher Zeit nutzen werden? Wer will die Beratung leisten, die sich aus Komfortkriterien ergibt, die man an einen Warmwasseraustritt an einer Dusche stellt? Warum sollten auch noch Nutzungsperioden berücksichtigt werden?
Wofür das Raumbuch nützlich ist - drei Beispiele
Den Aufschrei, das Geschimpfe und die Frage danach, was der Anlagenmechaniker denn noch alles machen soll, kann man sich getrost schenken. Das wird an diesen zwei Beispielen erläutert:
Beispiel 1: Die Studentenbude
Das Studentenwohnheim mit 50 Apartments wird mit Nasszellen ausgestattet. Für den Betreiber wird das ein Objekt sein, das einen Ertrag über die Miete erzielen soll. Sein Ziel ist es dann natürlich, die Kosten bei der Erstellung gering zu halten. Wenn man mit diesem Betreiber ein Raumbuch gemäß des Musters durcharbeitet, wird er spätestens bei der Frage nach periodischer Nutzung mitteilen können, dass die Wohnungen im Sommer während der Semesterferien nicht durchgehend genutzt werden.
Betriebsunterbrechungen dieser Art zwingen dann zum Nachdenken. Man diskutiert als Installateur zusammen mit dem Betreiber die Möglichkeiten, durch Spülen den bestimmungsgemäßen Betrieb in den Ferienzeiten aufrechtzuerhalten. Dieses Thema erst nach der Fertigstellung der gesamten Installation anzugehen, kann für den Betreiber und den Installateur nach hinten losgehen.
Beispiel 2: (Um-)Bau der Stadtvilla
Der betuchte Bauherr lässt sich seine Stadtvilla bauen. Fakt ist, dass er zwei Badezimmer im OG einrichten lässt. Eines für die 18-jährige Tochter und eines als Elternbad. Bauherren mit großzügigem Budget sind aber auch dankbar für den Hinweis, dass das Töchterchen mal auszieht und dieses Kinderbad dann nur noch sporadisch als Gästebad genutzt wird. Das kann durchaus Spültechnik auf den Plan rufen.
Mit dieser solventen Bauherrschaft kann man auch gerne besprechen, wie lange man denn morgens auf den ersten warmen Strahl aus dem Duschkopf warten möchte. Ganz sicher wird dieser Nutzertypus nicht bereit sein, ganze 26 Sekunden unter kaltem Wasser zu tänzeln (Zählen Sie mal bis 26!). Das entspräche aber der Komfortklasse 1 nach VDI 6003. Diese Bauherrschaft legt vielleicht sogar großen Wert auf ein Gäste-WC, in dem innerhalb von Sekunden warmes Wasser für die Hände der Bürgermeisterin fließt, wenn diese mal zu Gast ist. Ein Streitgespräch über die Eigenschaften dieser Trinkwasserinstallation, wenn denn nichts schriftlich fixiert wurde, möchte man sich nicht vorstellen.
Beispiel 3: Die Raindance-Tempel
Die Kinder sind aus dem Haus und das Ehepaar möchte endlich dieses tolle Traumbad im Obergeschoss eingerichtet bekommen. Dazu gehört natürlich auch die Sonderausstattung mit einem eventähnlichen Duschvergnügen. Dann gilt es, die Anforderungen möglichst genau festzuhalten. Ist das Bad erst einmal gefliest, kann keiner mehr die bereits verlegten Leitungsquerschnitte korrigieren. Und wenn nur eine 18-er Warmwasserleitung in dieses Obergeschoss führt, kann der erhoffte Regentanz zu einem Morgentautröpfeln verkommen.
Die Bauherrschaft ist dann ganz sicher nicht gnädig und guckt über Komforteinschränkungen großzügig hinweg. Die 35.000 Euro für das neue Bad waren hart erarbeitet und wollen nun auch entsprechend genossen werden.
Sie merken deutlich, dass man viele Sichtweisen und Argumente beschreiben kann und jede für sich schlüssig ist. Das bietet aber eben auch Zündstoff für Auseinandersetzungen.
Durchgerechnetes Beispiel Warmwasserleitung
Unser Autor hat ein sehr penibel durchgeplantes Wohnhaus als Beispiel gezeichnet und durchgerechnet. Die Warmwasserleitung wird dabei von oben an die Verbraucher geführt. Die Anschlüsse sind durchgeschliffen. Die Zirkulation wird mittels thermostatischer Regulierventile in den Etagen sauber abgeglichen. Alles scheint in bester Ordnung.
Gehen wir nun davon aus, dass dieser Wohnhaustyp mit genau dieser Ausstattung dreimal gebaut wird.
1. Einfaches Spiel mit Standardverbrauchern
In der ersten Version sehen Sie die Nennweiten, wie sie sich ergeben, wenn keine besonderen Abmachungen getroffen wurden. Die Verbraucher sind nach DIN 1988-300 eingetragen und die Gleichzeitigkeit ergibt sich aus der Berechnung für ein Wohnhaus.
Dann bekommt ein Waschtisch also beispielsweise 0,07 Liter pro Sekunde (l/s) bei einem Fließdruck von 1000 mbar. Die Dusche entsprechend 0,15 l/s bei ebenfalls 1000 mbar. Schon an den Steigleitungen wird deutlich, dass man mit DN 15, also 18 x 1 auskommt. Leistungsreserven für eine komfortablere Duschlösung oder eine flottere Wannenfüllung sind nicht eingeplant und normativ auch ausdrücklich nicht erwünscht. Der Spitzenvolumenstrom bei dieser Berechnung beträgt 0,78 l/s. Der Sachverständiger würde also nicht meckern, sondern Beifall klatschen.
Der zukünftige bestimmungsgemäße Betrieb der Trinkwasseranlage obliegt dann dem Nutzer. Er wird voraussichtlich keine Probleme mit der Trinkwasserhygiene bekommen.
A) Steigleitung in 12/15/20
B) Steigleitung in 12/15/15
C) Spitzenvolumenstrom 0,78 l/s
2. Eltern- und Kinderbad gleichberechtigt
Im zweiten Haus legt man Wert auf die Möglichkeit, gleichzeitig duschen zu können. Es ist den Nutzern also klar, dass in den nächsten Jahren die Dusche im Elternbad und die im Kinderbad häufig gleichzeitig in Gebrauch sein werden. Die Dusche im Kinderbad ist daher mit einer Gleichzeitigkeit von 100 Prozent eingeplant. Die Steigleitungen für Kalt- und Warmwasser unterscheiden sich damit zu dem Standard aus der ersten Version. Etwas mehr Rohr in der Dimension DN 20, also 22 x 1, ermöglicht schon diese dann erhöhte Gleichzeitigkeit gegenüber der reinen Berechnung als Wohnhaus. Ablesen kann man die Erhöhung des Spitzenvolumenstroms übrigens am Startbauteil. Dieser beträgt für diese Annahmen bereits 1,04 l/s.
Wieder hätte der Sachverständige nichts zu meckern. Würde sich in einigen Jahren die Nutzung ändern und das Kinderbad nur als Gästebad und daher seltener genutzt, könnte man dann über programmierbare Armaturen nachdenken. Eine schlaue Duscharmatur könnte dann nachgerüstet werden und, mit eigener Intelligenz ausgestattet, den Wasseraustausch sicherstellen. Es gibt nix zu meckern, wenn genau diese Vorgaben besprochen und vor allem schriftlich festgehalten wurden.
A) Steigleitung in 12/20/20
B) Steigleitung in 12/15/20
C) Spitzenvolumenstrom 1,04 l/s
3. Showershow
Die dritte Version beinhaltet Duschen in Vollendung. Man möchte tatsächlich mit jeweils 0,4 l/s kaltem und warmem Wasser duschen und das bei einem Fließdruck von 3000 mbar. Das ergibt dann satte 48 Liter pro Minute und fantastische Power. Eingerechnet in die gleiche Installation ergibt diese Vorgabe fette Steigleitungen in DN 25, also 28 x 1,5, für Kaltwasser und DN 20 für die warme Leitung. Man kann stundenlang darüber diskutieren, ob solche Luxusansprüche nicht übertrieben sind und vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß. Aber letztlich ist der Kunde der König und wir sind keine Öko-Sheriffs.
A) Steigleitung in 12/20/25
B) Steigleitung in 12/20/20
C) Spitzenvolumenstrom 0,85 l/s
Raumbuch sichert alle Parteien ab
Die drei annähernd gleichen Strangschemen sind für sich genommen jeweils korrekt, die Dimensionierung ist stimmig. Trotzdem: Wenn einer der Bauherren unseren Autor als Sachverständigen beauftragt hätte, die verschiedenen Ergebnisse als korrekt oder falsch einzustufen, hätte er jeweils nicht ohne Weiteres unterscheiden können. Erst die unterschiedlichen Vereinbarungen hätten ihm helfen können, die gewählten Rohrdimensionen bewerten zu können. Bei dieser Tragweite der jeweiligen Entscheidung wären Vereinbarungen der Parteien auf Zuruf nicht hilfreich. Weder der Bauherr noch der Auftragnehmer hätten irgendeinen Schutz ihrer Ansprüche. Ein Raumbuch sichert also beide Parteien ab.
Was nicht im Raumbuch stehen muss
In Fachbeiträgen dieser Ausrichtung haben Sie schon häufig die Hinweise auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik bekommen. Und diese gelten, auch wenn sie nicht besonders vereinbart werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass man nicht im Raumbuch festhalten muss, dass man die Dämmung der Leitungen gemäß der DIN 1988-200 und der EnEV vornimmt. Es muss nicht im Einzelnen beschrieben sein, dass man die Trinkwasserleitungen unter Einhaltung des Schallschutzes befestigt. Dass die Leitungen auf Dichtheit zu prüfen sind und abschließend gespült werden, ist ebenso nicht im Raumbauch zu erwähnen, sondern versteht sich von selbst.
Die Frage und Klage mancher Leser lautet nun sicherlich: „Was sollen wir Anlagenmechaniker denn noch alles leisten und vor allem, wer zahlt das denn?“
Wer bezahlt den Arbeitsaufwand?
Handwerker sind natürlich keine geknechteten Befehlsempfänger oder Untertanen von König Kunde. Natürlich muss die investierte Arbeit vernünftig bezahlt werden. SHK-Betriebe, die besonderen Wert auf Beratung und Ausführung legen, wissen seit Langem, dass hervorragende Beratung und Leistung von den seriösen Kunden auch entsprechend honoriert wird. Aber auch mit den seriösen Kunden ist eine schriftliche Vereinbarung in Form eines Raumbuchs immer besser als das Arbeiten auf Zuruf.
Für die Kunden, die zur Schlussrechnung eine harte Verhandlung mit dem SHK-Betrieb über geleistete Arbeit anstreben, ist das Raumbuch unumgänglich. Wenn diesen Kunden klar ist, dass schriftliche Vereinbarungen im Raumbuch die geleisteten Arbeiten spiegeln, stutzt das die Flügel für einen geplanten Raubzug im Portemonnaie des Installateurs.
Also, ganz klar, geleistete Arbeiten sind entsprechend zu honorieren. Zeitlicher Aufwand, und sei es für das Beratungsgespräch im Zusammenhang mit der Erstellung des Raumbuchs, kann ein SHK-Betrieb nicht kostenfrei leisten. Es ist ganz sicher keine Kundenabzocke, wenn der SHK-Betrieb diesen Aufwand in den Preis des Bades einfließen lässt.
Fazit
An den drei Strangschemen können Sie gut erkennen, dass jedes für sich genommen korrekt ist. Die unterschiedlichen Rohrdimensionen der Leitungen lassen sich im Nachhinein nur noch mit erheblichem Aufwand ändern. Wenn man also die Grundlage für die Dimensionierung sauber, daher schriftlich, fixiert hat, sind die gegenseitigen Ansprüche geklärt. Der Kunde erhält vom Auftragnehmer die entsprechenden Leistungen und bezahlt den Auftragnehmer dafür. Das Raumbuch ist daher der Schlüssel für ein auskömmliches Miteinander bei solchen Bauvorhaben.
Dieser Beitrag von Autor Elmar Held ist zuerst erschienen in SBZ-Monteur 07/2020.
Hinweis des Autors: Sie haben die Möglichkeit, den Vorschlag eines Raumbuches als fertige Vorlage runterzuladen und auszudrucken. Als weitere Option können Sie eine Word-Datei runterladen und diese nach eigenen Wünschen weiter gestalten. Vielleicht schicken Sie mir Ihren Vorschlag mal zu: held@sbz-online.de. Ich bin immer neugierig, was in Ihrer Praxis abgeht.
Dipl.-Ing. (FH) Elmar Held ist verantwortlicher Redakteur des SBZ Monteur. Er betreibt ein TGA-Ingenieurbüro, ist Dozent an der Handwerkskammer Münster und Hochschule Düsseldorf, sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.