Tipp vom Anwalt: Was ist eine fiktive Abnahme?
Was ist eine Abnahme?
Die Abnahme ist eine Hauptpflicht des Auftraggebers (§ 640 BGB). Die Abnahmeerklärung bedeutet die Entgegenahme der Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Ein anderer geläufiger Begriff ist die Bauabnahme. Unterschieden werden muss hier von der konkludenten Abnahme bzw. Bauabnahme.
Die Abnahme muss nicht immer ausdrücklich erklärt werden, vielmehr liegt die Abnahmeerklärung auch dann vor, wenn der Auftraggeber nicht binnen einer vom Auftragnehmer gesetzten auskömmlichen Frist zur Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels die Abnahmeerklärung verweigert.
Was ist eine fiktive Abnahme?
Das Werk gilt nach fruchtlosem Fristablauf als abgenommen, sog. fiktive Abnahme i.S.d. § 640 Abs. 2 BGB. Insoweit tritt die (fiktive) Abnahme auch ohne Zustimmung des Auftraggebers in Kraft, vorausgesetzt, es liegt keine Abnahmeverweigerung vor. Dass ggf. noch Mängel - auch unstreitige Mängel - vorhanden sind, steht der Fertigstellung des Werks und damit der Abnahme nicht entgegen. Mängel können also nur dann den Eintritt der Abnahmewirkung verhindern, wenn sie binnen der auskömmlich gesetzten Frist geltend gemacht werden (vgl. u.a. OLG Schleswig, Urteil v. 10.12.2021, Az.: 1 U 64/20).
Ist der Auftraggeber (Besteller) ein Verbraucher (und nicht etwa ein Bauherr), so treten die Rechtsfolgen nur dann ein, wenn der Auftragnehmer (Unternehmer) den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis muss in Textform erfolgen (vgl. § 640 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.).
Wie läuft die fiktive Abnahme ab?
1. Folgen der Abnahme
- Fälligkeit der Vergütung
- die Beweislast geht auf den Auftragnehmer über
- die Gewährleistungsfrist beginnt
2. Vorbereitung auf die Abnahme
Je nach Komplexität der geschuldeten Werkleistung empfiehlt es sich, auf Auftraggeberseite einen Bausachverständigen und ggf. einen Rechtsbeistand zur Bewertung der Werkleistung hinzuzuziehen. Diese können, unter Beachtung der vertraglichen Regelungen und funktionalen Ansprüche an das Werk, die Abnahmereife feststellen:
- Liegen sämtliche Unterlagen (§ 650n BGB) vor, um gegenüber der Behörde den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden wird bzw. worden ist?
- Entspricht das Bauwerk den a.a.R.d.T., sind Mängel vorhanden bzw. liegt eine funktionale Beeinträchtigung vor?
- Bekommt der Auftraggeber das, was er vertraglich bestellt hat, mithin, entspricht das Werk den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags?
Wesentliche Mängel stehen der Abnahme immer entgegen (z.B. kein gefahrloser Zugang bzw. keine gefahrlose Nutzbarkeit des Objekts, insbesondere bei Brandschutzmängeln; Im bestimmten Fällen auch bei Ausfall der Heizung bzw. Warmwasserversorgung etc.).
3. Ablauf der Abnahme
Sämtliche bekannte und erkannte Mängel und Restarbeiten sind in einem Abnahmeprotokoll zu vermerken. Hier dienen Mustervorlagen als Orientierung.
Auf dem Abnahmeprotokoll bzw. im Zuge der Abnahmeerklärung hat sich der Auftraggeber bzw. Besteller sämtliche Gewährleistungs- und Vertragsstrafenansprüche unter Verweis auf das Abnahmeprotokoll vorzubehalten.
Matthias Scheible ist Syndikusrechtsanwalt bei einem Wohnungsbauunternehmen und verfasst Artikel zu rechtlichen Themen auf haustec.de.