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Tipp vom Anwalt: Die Funktion muss gewährleistet sein

Matthias Scheible

1. Sachverhalt (verkürzt)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Herstellung der Asphaltbinderschicht (Schicht unterhalb der obersten Asphaltdeckschicht) eines Autobahnabschnitts.

Bei einer Begehung zum Ende der Gewährleistungsfrist stellt der AG weiträumig Längs- und Querrisse fest. Diese sind durch eine Vermischung des Asphaltguts verursacht. Nach einer Sachverständigenbewertung und der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens verlangt der AG u.a. Ersatz der für die im Wege einer Ersatzvornahme entstandenen Kosten in Höhe von rund 8,5 Mio. Euro. Der AN verteidigt sich mit dem Einwand, dass ein entmischungsfreier Einbau der Asphaltbinderschicht zum Zeitpunkt der Baumaßnahme nicht möglich bzw. das Problem nicht vorhersehbar gewesen sei. Im Übrigen sei die Komplettsanierung bzw. die Nachbesserung unverhältnismäßig und der AG habe sich einen Vorteilsausgleich in Form eines Abzuges "Neu für Alt" anrechnen zu lassen.

2. Entscheidung

Der AN verteidigt sich ohne Erfolg!

Nach den Ausführungen des Gerichts ist die Mangelhaftigkeit der Leistung durch gutachterliche Feststellungen und das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens erwiesen. Das Werk erfüllt die nach dem Vertrag vereinbarten Funktionsanforderungen nicht. Das Gericht unterstreicht:

Wird der Auftragnehmer mit dem Bau eines Autobahnabschnitts beauftragt, schuldet er die Errichtung eines rissfreien Gewerks, das ein jahrelanges, sanierungsfreies, problemloses Befahren der beauftragten Streckenabschnitte ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund stellt das Gericht fest, dass der Bodenbelag wegen der Dellen und Eindrücke mangelhaft ist. Des Weiteren hatte der AN die Mangelbeseitigung zu Unrecht verweigert. Der AN kann die Mängelbeseitigung nur dann verweigern, wenn einem objektiv geringen Interesse des AG an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Birgt die Mangelhaftigkeit eines Straßenbelags das Risiko einer nachhaltigen Funktionsbeeinträchtigung, besteht grundsätzlich ein objektiv berechtigtes Interesse des Auftraggebers an der Mängelbeseitigung. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, dass der Gebrauch des Gewerks nicht bzw. erst kurz vor dem Ende der üblichen Nutzungsdauer nachhaltig beeinträchtigt war. Unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Einzelfalles ist dem AN der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht eröffnet.

Darüber hinaus ist im Schadensersatzrecht der Grundgedanke anerkannt, dass ein Geschädigter nicht besser gestellt werden soll, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, denn das wäre unbillig. Eine längere Lebensdauer der Bauleistung kommt als anzurechnender Vorteil grundsätzlich in Betracht, es sei denn die längere Lebensdauer beruht ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung und der Auftraggeber musste sich jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen. Zur Begründung führt der BGH in seiner oben genannten Grundsatzentscheidung aus, dass der AN dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren darf, denn ein solches Ergebnis widerspräche dem Gesetzeszweck der Gewährleistung im Werkvertragsrecht. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze scheidet ein Vorteilsausgleich in Form eines Abzuges "Neu für Alt" wegen der infolge der Ersatzvornahme längeren Lebensdauer des Bauwerks/ der Fahrbahnen aus mehreren Gründen aus (vgl. OLG München, Urteil v. 27.02.2018, Az.: 9 U 3595/16 Bau; Beschluss des BGH vom 29.08.2018, Az.: VII ZR 75/18, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen).

3. Grundsätzliches und Fazit

Der Leitsatz wonach der AN dafür verantwortlich ist, dass das Werk nicht mit Fehlern behaftet ist, die seine Tauglichkeit aufheben oder mindern, entspricht herrschender Rechtsprechung.

Darüber hinaus kann beim Vorliegen eines objektiv berechtigten Interesses des AGs an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags, der AN die Mängelbeseitigung nicht wegen hoher Kosten verweigern. Insoweit sind die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels (nur) dann unverhältnismäßig, wenn der erzielbare Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe der dafür aufzubringenden Kosten steht.

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