Kündigung vor dem ersten Arbeitstag: Das müssen Sie wissen
Einen neuen Mitarbeiter zu finden, der fachlich und menschlich ins vorhandene Team passt, gleicht heutzutage fast schon einem Sechser im Lotto. Tritt dieser seine Arbeit allerdings erst gar nicht an und kündigt bereits vor dem ersten Arbeitstag, kann es einem schnell so vorkommen, als hätte man den Lottoschein verloren.
Das kommt nicht vor? Doch! In Zeiten des Fachkräftemangels haben Jobsuchende nicht selten mehrere Eisen im Feuer. Die Onboarding-Umfrage 2019 von Haufe hat herausgefunden, dass satte 30 Prozent der befragten Unternehmen genau diesen Fall bereits erlebt haben: Der Arbeitsvertrag ist unterschrieben, aber auf den Kollegen in spe wartet das Unternehmen am ersten Arbeitstag vergeblich.
Was ist eine Kündigung vor Arbeitsantritt?
Grundsätzlich dürfen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nach der Unterschrift und vor Arbeitsantritt kündigen. Doch dabei müssen beide Seiten einiges beachten.
Ein unterschriebener Arbeitsvertrag ist kein Kaufvertrag. Das heißt: Arbeitnehmer können diesen nicht einfach widerrufen. Bereits vor dem ersten Arbeitstag gilt die vertraglich festgelegte Kündigungsfrist. Zudem muss die Kündigung schriftlich erfolgen. Auf Nummer Sicher geht, wer nicht nur eine E-Mail schreibt, sondern das Schreiben ganz altmodisch per Post verschickt.
Wichtig zu wissen: Es gilt eine Kündigungsfrist. Diese beginnt mit Zugang der Kündigung beim nicht mehr gewollten Arbeitgeber zu laufen. Maßgeblich ist also nicht der angepeilte Tätigkeitsbeginn. So hat es das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil bereits 2004 entschieden. Vom Zeitpunkt der Kündigung und der Länge der Kündigungsfrist hängt es letztendlich also ab, ob der Mitarbeiter noch einmal auftauchen muss oder nicht.
- Beispiel: Ein Heizungsbauer unterschreibt am 16. August seinen neuen Arbeitsvertrag. Dieser sieht einen Arbeitsbeginn am 1. November vor. Vertraglich ist in der Probezeit eine Kündigungsfrist von zwei Wochen festgelegt. Ende September erhält der Handwerker ein besseres Angebot, das er annimmt. Seine Kündigung trifft am 10. Oktober ein. Da die Kündigungsfrist somit am 24. Oktober endet, muss der Heizungsbauer seinen Job nicht antreten.
Ist im Vertrag keine Probezeit geregelt und stattdessen eine reguläre Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart, würde die Frist erst am 10. Januar des nächsten Jahres auslaufen. Der Fachmann müsste also noch zwei Monate und zehn Tage arbeiten – abzüglich Urlaub.
In manchen Arbeitsverträgen ist keine ausdrückliche Kündigungsfrist festgeschrieben. Dann gilt die gesetzliche Regelung nach § 622 BGB . Diese sieht vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. des Monats vor.
Handelt es sich bei der vertraglich zu leistenden Restarbeitszeit um einige Tage oder Wochen, lohnt es sich – für beide Seiten - oft nicht, die Einarbeitung auf sich zu nehmen. In der Regel schließen Betrieb und potenzieller neuer Mitarbeiter dann einen Aufhebungsvertrag. In diesem legen sie fest, dass der Arbeitnehmer seinen Dienst nicht antreten muss, im Gegenzug dafür aber auch nicht bezahlt wird.
Gründe für eine Kündigung vor Arbeitsantritt
Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber können gute und nachvollziehbare Gründe haben, um kurz nach der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag wieder zu kündigen.
Beispielsweise kann das Geschäft des Unternehmens unerwartet schlechter laufen, weil ein oder mehrere Aufträge nicht wie gedacht kommen. Auch kann es vorkommen, dass der Arbeitgeber den Vertrag mit seiner zweiten Wahl geschlossen hat, sich der Wunschkandidat aber nun doch als verfügbar und willig zu wechseln herausstellt. Wurde der Arbeitsvertrag zu voreilig geschlossen, kann es zudem sein, dass der Betriebsrat sein Veto einlegt oder doch noch ein interner Bewerber auftaucht, der mindestens gleichgut geeignet ist.
Auch Arbeitnehmer, die ihre Kündigung bereits vor dem ersten Arbeitstag einreichen, müssen nicht Böses im Sinn haben. Eventuell haben sich die privaten Umstände binnen kurzer Zeit anders entwickelt, etwa durch Krankheit, einen Umzug oder die Pflege eines Angehörigen. Nicht selten passiert es, dass der alte Arbeitgeber von der Wechselwilligkeit seines Noch-Mitarbeiters erfährt und ihm ein besseres Angebot macht, sodass dieser bleibt. Oder es flattert ihm in letzter Minute ein besseres Jobangebot auf den Tisch, weil er sich bei mehreren Unternehmen beworben hat.
Ist eine fristlose Kündigung vor Arbeitsantritt möglich?
Der Regelfall ist also eine Kündigung mit einer Frist. Eine fristlose Kündigung vor dem ersten Arbeitstag benötigt dagegen wichtige Gründe. Von Arbeitgeberseite kann dies der Fall sein, wenn sich der neue Kollege schlecht über das Unternehmen äußert. Auch, wenn herauskommt, dass der Bewerber über seine Qualifikationen nicht die Wahrheit gesagt hat, darf der Arbeitgeber fristlos kündigen – etwa, wenn der versprochene Abschluss oder Führerschein fehlt.
Auch für potenzielle Arbeitnehmer ist es möglich, fristlos zu kündigen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der künftige Arbeitgeber ihn auffordert, eine Straftat zu begehen. Aber auch gebrochene Versprechen, etwa die Arbeit mit speziellen Maschinen, können Gründe dafür sein.
In jedem Fall muss es aber einen Anlass geben, der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit künftig unmöglich macht.
Schadenersatz bei unentschuldigtem Fernbleiben
Bleibt der potenzielle neue Mitarbeiter am Tag des Arbeitsantritts einfach fern, kann das unangenehme Konsequenzen für ihn haben.
Der Betrieb darf dann eine fristlose Kündigung aussprechen. Bezahlt wird selbstverständlich auch nicht. Alles also nicht so schlimm? Mitnichten, denn ein Bewerbungsprozess ist kostspielig. Da fällt Arbeitszeit für die Bewerbungsgespräche an, Kosten für die Annonce oder sogar den Headhunter sowie für die ersetzten Fahrkosten der Bewerber.
Unter Umständen muss der Betrieb sogar einen Großauftrag verschieben oder absagen, für den er den neuen Kollegen fest eingerechnet hatte, und kassiert daher eine Vertragsstrafe. Das kann teuer werden, denn solche Schäden können sich Unternehmen vom unentschuldigten Fernbleiber vor Gericht wiederholen.
Was können Betriebe tun, um so frühe Kündigungen zu vermeiden?
Es gibt mehrere Möglichkeiten für Unternehmen, Kündigungen vor dem ersten Arbeitstag auszuschließen oder ihnen entgegenzuwirken.
- Vertraglicher Ausschluss: Eine Kündigung vor dem Arbeitsantritt lässt sich vertraglich ausschließen, auch mit einer Vertragsstrafe. Das hindert den potenziellen neuen Mitarbeiter jedoch nicht daran, kurz davor anzurufen und sich krank zu melden oder gleich am ersten Arbeitstag zu kündigen. Die Kündigung selbst lässt sich auf diese Weise daher allenfalls verschieben, nicht jedoch vermeiden.
- Miteinander reden: Kündigt ein frisch gebackener neuer Mitarbeiter vor dem ersten Arbeitstag, lohnt sich auf jeden Fall ein Gespräch. Unter Umständen kann der Betrieb sein Angebot noch einmal aufpolieren und den Kündiger doch zum Bleiben überzeugen.
- In Kontakt bleiben: Nicht zuletzt sollten Chefs mit neuen Mitarbeitern ab der Vertragsunterschrift in Kontakt bleiben und nicht kommentarlos abtauchen.
- Hilfe im Vorfeld anbieten: In der Onboarding-Studie empfehlen die Experten von Haufe beispielsweise Hilfe bei Organisationsthemen, etwa einem notwendigen Umzug.
- Mentor oder Pate: Auch die Benennung eines persönlichen Ansprechpartners kann hilfreich sein. Dieser steht dann bei Fragen schon vor dem ersten Arbeitstag zur Verfügung.
- Begrüßung: Für größere Unternehmen lohnt sich die Investition in eine spezielle Begrüßungsmappe oder zumindest ein Begrüßungsschreiben. Finden in der Zeit bis zum ersten Arbeitstag Veranstaltungen statt, sollte der neue Mitarbeiter auf jeden Fall eine Einladung erhalten.
Den neuen Kollegen lediglich mit Blumen von der Sekretärin zu erwarten, reiche dagegen nicht, so die Studie. Denn da erscheine er oft schon gar nicht mehr.