Warum Arbeitgeber eine Online-AU nicht akzeptieren müssen
Es könnte so einfach sein: Schnell auf der Webseite Au-schein.de einen Fragebogen ausfüllen und sich krankschreiben lassen. Die Online-AU kommt als PDF für einen Euro mit und für 14 Euro ohne ein Gespräch mit dem Arzt. Per Post wird es mit acht Euro etwas teurer. Privatpatienten zahlen für den gelben Schein für Arbeitsunfähigkeit 16,08 Euro.
Die Webseite wirbt damit, dass 99 Prozent der Patienten ihre "Wunsch-AU" erhalten, wenn sie den Fragebogen "bestehen". Zur Auswahl stehen Arbeitnehmern neun mögliche Arbeitsunfähigkeits-Gründe, von Depression bis Rückenweh. Darüber hinaus bestimmt der Patient "Beginn und Dauer der AU für bis zu sieben Tage". Zwar steht hinter der Webseite die Privatärztin Dr. Eva-Maria Ansay aus Hamburg, trotzdem gab es jetzt Zoff um die Online-Krankschreibung. Daher fragen sich viele: Müssen Arbeitgeber eine Online Krankschreibung akzeptieren?
Der Fall: Betrieb akzeptiert Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht
Im konkreten Fall, den das Berliner Arbeitsgericht zu entscheiden hatte, war der Kläger als Sicherheitsmitarbeiter beschäftigt. Für den Zeitraum vom 26. bis zum 30. August 2020 und vom 5. bis 9. September 2020 übermittelte er seinem Arbeitgeber eine Online-AU, ausgestellt von der in Hamburg ansässigen Gynäkologin Dr. Ansay. Es fand kein Arztgespräch statt.
Der Arbeitgeber des Klägers akzeptierte die Online-AU nicht und verweigerte die Lohnfortzahlung in beiden Fällen. Die Begründung: Die Arbeitsunfähigkeit sei durch einen Online-Arzt ausgestellt worden, der Arbeitgeber zweifelte die Rechtmäßigkeit des Dokuments an.
Der Mitarbeiter machte seine Forderung nach Lohnfortzahlung daraufhin beim Berliner Arbeitsgericht geltend. Seine Begründung: Er habe Erkältungssymptome gehabt und wollte sich nicht der Ansteckungsgefahr durch Corona aussetzen. Daher habe er auf den Online-Service zurückgegriffen.
Laut Arbeitgeber sei der Mitarbeiter jedoch kurz zuvor wegen eines Arbeitsunfalls sehr wohl persönlich bei einem Arzt gewesen.
So begründet das Arbeitsgericht sein Urteil
Die Richter weisen die Klage des Mitarbeiters auf Lohnfortzahlung in beiden Fällen ab. Bei einer Arbeitsunfähigkeit trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. In der Regel tut er dies über eine ärztlich ausgestellte AU-Bescheinigung. Allerdings könne nicht von einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgegangen werden, wenn zuvor keine Untersuchung und noch nicht einmal ein Telefonat stattgefunden habe, so die Berliner Richter. Das deute auf eine fehlende Patientenbeziehung hin.
Auch die Corona-Schutzbestimmungen sehen eine mindestens telefonische Anamnese vor. Ein geringerer persönlicher Kontakt als ein Telefonat ist nicht zulässig. Aus dem Aufbau der Webseite von Frau Dr. Ansay komme es jedoch voraussehbar zu keinem Zeitpunkt zu einem (telefonischen) Kontakt zwischen Arzt und Patient. Der Arzt erhalte lediglich die vorformulierten Antworten auf vorformulierte Fragen übermittelt. Diese legen lediglich die Annahme einer bestimmten Diagnose nahe. Auch dass die Fragen bereits mehrfach beantwortet gewesen sein könnten, kann die Ärztin nicht erkennen.
Die vorgelegte Online-AU ist daher kein Beweis für eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit. Daraus ergibt sich dem Gericht zufolge kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.