Du oder Sie? Welche Anrede wann richtig ist
Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter - welche Anrede in welchen Beziehungsverhältnissen angebracht ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zuerst betrachten wir den Unterschied bei persönlichem und Schriftkontakt.
Die richtige Anrede bei schriftlichem Kontakt
Im Schriftlichen gibt es noch weitere Varianten, um von der Anrede „Sehr geehrte …“ wegzukommen. Beispiele: Liebe Frau …, Hallo Herr …, Guten Tag, Frau … Man kann differenzieren und die persönliche Ansprache in einer Mail vom Ansprechpartner abhängig machen. Bei neuen Kontakten beginnt man förmlich, man will doch nicht mit der Tür ins Haus fallen. Man wartet ab, wie der Partner reagiert. Extern ist das Du nicht immer ideal. In Stellenanzeigen wird per Sie gesucht, geht es um Azubis, wird der Stellenbewerber allerdings geduzt, damit er sich angesprochen fühlt.
Wann benutzt man "Sie" als Anrede?
Steht das Sie im Betrieb vor dem totalen Aus? Es wird immer noch benutzt und ist die gängige Anrede im Business, vor allem bei ersten Kontakten mit externen Personen, mit Lieferanten, mit Behörden, bei Gesprächen mit Kunden, dem Hausmeister, dem Vermieter. Im Zweifelsfall ist es besser, man wartet, wie sich der Gesprächspartner verhält, welche Anrede er vorschlägt. Das Sie muss nicht steif und spießig sein, sondern zeigt, dass Nähe und Vertraulichkeit noch nicht vorhanden oder auch nicht erwünscht sind. Man sollte diese Einstellung von einigen Mitarbeitern auch tolerieren. So sehr auch die „Duz-Welle“ in den Berufsalltag einbricht und das Duzen im Trend liegt, das Betriebsklima wird dadurch nicht automatisch besser, die Anrede hat sich einfach nur geändert.
Was intern im Betrieb üblich ist, muss vor allem für neue Mitarbeiter transparent sein. Bei einer Mischform zwischen Du und Sie bestimmt immer der Ranghöhere, ob man sich duzt. Der Arbeitgeber kann festlegen, wie man ihn anspricht.
Wird jemand gegen seinen Willen geduzt, kann er sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlen. Das Duzen stellt rechtlich zwar keine Beleidigung dar. Dies wäre erst der Fall, wenn die Anredeform in bestimmten Fällen bewusst gewählt wird, um jemanden zu verletzen oder herabzusetzen. Im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers müssen die Interessen des Arbeitnehmers aber berücksichtigt werden. Ist jedoch eine bestimmte Anrede fester Bestandteil im Unternehmen und gehört sie zur Unternehmenskultur, zählt das Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung der betrieblichen Gewohnheiten.
Übrigens: Wer kann es sich leisten, das Angebot der Kollegin zum Du abzulehnen, selbst mit der höflichen Begründung: „Danke für das Du, aber ich finde das Sie besser“? Eine Ablehnung will gut überlegt sein, weil sie den Anbieter vor den Kopf stößt.
Typische Situationen fürs "Du"
Betriebsintern werden die Hierarchien immer flacher, der Umgangston dadurch immer lockerer. Dem schriftlichen Du geht das persönliche Du voraus. Eine innerbetriebliche Regelung über die Anrede schafft Sicherheit, ist aber nicht üblich. Das Du, jeder zu jedem, vereinfacht das Miteinander, verringert Barrieren. Der lässige Umgangston kann aber auch täuschen. Wenn Ehrlichkeit und Wertschätzung fehlen, kommt es zwischen Kollegen auch beim Du zum Konflikt. Mit dem Du wird eine existierende Distanz abgebaut, was dazu führt, dass man sich etwas sagt, was es beim Sie nicht gegeben hätte.
Das Du vom Azubi bis zum Geschäftsführer? Bei Gleichberechtigung in der Anrede müsste auch der Azubi, der von allen geduzt wird, seinen Vorgesetzten duzen dürfen: Wen der Chef duzt, der darf auch zurückduzen, in vielen Betrieben ist das noch nicht die gängige Praxis.
Das Du sollte bei Tagungen, Seminaren, Branchentreffs mit neuen Kollegen eines anderen Betriebs nicht vorschnell angewendet werden. Siezen wirkt immer noch korrekt, zeigt Abstand und einen gewissen Respekt. Duzen stärkt das Gemeinschaftsgefühl in einer Gruppe und ist unter bestimmten Voraussetzungen angebracht.
Viele Betriebe bieten der Belegschaft geschlossen das Du an. Dabei entstehen einige Fragen: Läuft die Zusammenarbeit besser, wenn jeder jeden duzt? Ist eine gewisse Distanz in schwierigen Situationen nicht besser? Sind beim Duzen die Erwartungen nicht größer als beim Sie? Wer das Du anbietet, verringert nur einseitig eine Distanz, das ist keine Aufforderung zum Schmusekurs.
Mischformen bei der Anrede
Bei einem schwer aussprechbaren Namen (z. B. Marion Paradentizinky) tendiert man zum Vornamen in der Kombination mit Sie: „Marion, können Sie mir da mal helfen?“ In Verbindung mit dem Vornamen lässt sich die Anrede allmählich ändern, der Übergang zum Du wird damit angedeutet: „Marion kannst du mir da mal helfen?“ Die Anrede muss nicht nur vom Alter oder der Position abhängen. Grundsätzlich ist die Gleichbehandlung aller im Team ideal, aber nicht immer durchführbar. Entweder duzt man sich durchgängig oder es bleibt bei der althergebrachten Anrede. Wenn der Chef einen neuen Mitarbeiter sofort duzt, obwohl das in der Firma nicht üblich ist, sind die Mitarbeiter erstaunt. Langjährige Mitarbeiter begründen das Du zum Chef mit der langen Betriebszugehörigkeit und werden dann auch als Lieblingsmitarbeiter betrachtet.
Bei der Übergangsform wird die Mitarbeiterin mit ihrem Vornamen angesprochen, aber per Sie. Die Sie-Ansprache mit dem Vornamen zu verbinden ist eine Kompromisslösung zwischen förmlicher und lockerer Ansprache.
Mitarbeiter mit Spitznamen oder Abkürzungen zu nennen wirkt auf Kunden sehr privat und wird nicht immer als professionell empfunden. Deshalb sollte es bei Beate bleiben (nicht Bea), bei Florian (nicht Flo), bei Carolin (nicht Caro). Abgekürzte Vornamen sind im Teenager-Alter gut, im privaten, vertraulichen Kreis oder höchstens intern zwischen Kollegen.
Spricht der Chef in Abwesenheit seiner Mitarbeiterin zum Kunden, dann meist auch in der Sie-Form „Das hatten Sie mit Frau Mustermann besprochen“ statt, „… mit der Angelika“. Einen Mitarbeiter mit dem Vornamen zu nennen wirkt vor Kunden so, als wäre er ein Azubi.
Merkmale beim Du: Mit dieser Anrede zeigt man geringe Distanzen und Hierarchien im Betrieb und unter Berufskollegen. Oft sind Alter und Nationalität entscheidend, wie man sich anspricht. Das Du suggeriert Vertrautheit, in vielen Fällen ist sie trotzdem nicht vorhanden. Mit dem Du ist auch eine plumpe Vertrautheit verbunden (Beispiel: „Na, hast du etwa zugenommen?“) Je privater der Kontakt, desto schneller das Du, verbunden mit Offenheit.
Merkmale beim Sie: Es wirkt respektvoll und diskret, liegt bei jungen Mitarbeitern aber nicht im Trend. Es kann als Ablehnung von persönlichen Beziehungen bewertet werden. Vorgesetzte werden für die Generation Z durch das Sie nicht automatisch zu Autoritätspersonen.
Dieser Artikel von Rolf Leicher ist zuerst erschienen in SBZ 15/2021. Rolf Leicher ist Dipl.-Betriebswirt, Fachautor und Referent. Er lebt in Heidelberg, Telefon (0 62 21) 80 48 82. Rolf.Leicher@T-Online.de.
Literaturhinweis: David Wolf „Duzen – Siezen: Anrede am Arbeitsplatz“, Business-Wissen 2019.