Architekten: Weg zu einem zirkulären Bauwesen abhängig von der Industrie
Bauen mit nachhaltigem und nachwachsendem Material, Gewinnung von Baumaterial direkt aus Bestandsgebäuden, Recycling-System für eine Wiedereingliederung rückgebauter Rohstoffe in die Produktion: Diese und andere Ansätze zu einem zirkulären Bauwesen verlangen den Herstellern viel ab. Neben der Bereitschaft, zu experimentieren, erfordert es einen langen Atem und auch nicht geringe Investitionen in die Veränderung der eigenen logistischen, betriebswirtschaftlichen und nicht zuletzt der Vermarktungs-Prozesse. Mut machen könnte den Herstellern immerhin das Vertrauen, das die europäische Architekturbranche offenbar in sie hegt: Das legt zumindest eine aktuelle Umfrage unter über 400 Architekten in Europa nahe. Doch mit dem in sie gesetzten Vertrauen wächst womöglich auch die Verantwortung beträchtlich, die damit der Industrie auferlegt wird. Eine neue Studie von BauInfoConsult zeigt, wo nachhaltige und zirkuläre Ansätze für das Bauen schon in naher Zukunft alternativlos werden und welche neuen Ansätze sich auf materieller, technischer und baulogistischer Seite Bahn brechen.
Die Zeit wird knapp, um die Klimaziele bis 2045 oder auch nur bis 2030 zu erreichen. Dabei müsste auch das Bauen nachhaltiger werden und zirkuläre Ansätze auch außerhalb des Elfenbeinturms in die Tat umsetzen. Aber wie schafft der energieintensive Bausektor diese Kehrtwende? Architekten sehen jedenfalls, vor allem die Industrie in einer Schlüsselposition, um zirkuläre Ansätze am Bau schneller zu etablieren. Das legt ein Befragungsergebnis der USP-Marketing Consultancy von Anfang des Jahres 2022 unter 423 Planern in Europa nahe. Zwei Drittel der Architekten gaben der Meinung Ausdruck, dass die Hersteller der Baubranche eine Schlüsselposition haben, wenn es darum geht, das zirkuläre Bauen voranzutreiben.
Damit ist klar, dass die Architekten die Hersteller in der Verantwortung sehen – und dass sie auch der Meinung sind, dass sie ohne die Industrie nicht vorankommen. Dabei geht es zum einen um das Mitwirken der Hersteller bei der Etablierung kreislaufwirtschaftlicher Prozesse – wie eben bei der Organisation der praktischen Rücknahme und Reintegration von Material oder Verpackungen. Zum anderen geht es um die Entwicklung von Materialien und Lösungen, die ein solches System erst ermöglicht.
Kunden eine Rücknahmeerklärung anbieten
Eine direkte Möglichkeit, wie mehr Hersteller aktiv dazu beitragen könnten, Materialkreisläufe zu schaffen (von der sie durch Einbindung des „zurückgewonnenen“ Materials in die eigene Produktion auch direkt profitieren könnten) ist, dem Kunden eine Rücknahmeerklärung anzubieten: d. h. eine Erklärung, durch die der Produzent sich bei Kauf des Produktes automatisch verpflichtet, das Material nach der Nutzung wieder zurückzunehmen.
Derzeit werden solche Rücknahmeerklärungen noch nicht verbindlich vom Gesetzgeber eingefordert – einige der von BauInfoConsult befragten Expertinnen und Experten halten es aber für durchaus denkbar, dass innerhalb der nächsten Jahre der bis dahin gewachsenen Druck aufgrund des Klimawandels steigt und dann zu einer solchen Regulierung führen könnte.
In der Zwischenzeit haben Hersteller, die sich im Sinne einer solchen „Extended Producer Responsibility“ freiwillig zur Rücknahme verpflichten, dadurch eine gute Option, sich als nachhaltiger Anbieter vom Wettbewerb hervorzuheben. Doch natürlich ist ein solches Angebot mehr als bloß eine besonders eine clevere Zusatz-Serviceleistung.
Um dies anbieten zu können, müssen im Betrieb zuallererst die technischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass das eigene Produkt auf eine Weise hergestellt werden kann, die Zurücknahme erlaubt (also z. B. durch „sortenreine“, auseinandersortierbare Verbundweisen).
Auch die CO₂-Reduktion bei der Produktion sollte selbstverständlich damit verbunden sein, etwa durch Herstellungsverfahren mit weniger (und möglichst nachhaltigem, d. h. nachwachsendem Material). Gleichzeitig sicherzustellen, dass das Geschäftsmodell sich rechnet und Gewinne erzielt, ist eine anspruchsvolle Aufgabe und erfordert zunächst Investitionen in neue Geschäftsmodelle.