Corona bremst Materialbeschaffung aus: So steuern Sie dagegen
So schlimm wie zu Beginn der Corona-Krise befürchtet kam es dann doch nicht. Im vergangenen Frühjahr lief kaum eine Meldung über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie für das Handwerk über den Ticker, die nicht darauf hinwies, dass durch die Seuche die Lieferketten von Handwerksbetrieben zusammenbrechen könnten. Das ist nicht passiert.
Dennoch klagte fast jeder zweite Betrieb des Bau- und Ausbaugewerbes in allen sechs seit vergangenem Mai vom Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) durchgeführten Umfragen zu den Folgen von Corona über Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Material, Vorprodukten und Betriebsmitteln. In den vergangenen beiden Befragungen ist der Wert sogar leicht auf 55 Prozent der Ausbaubetriebe gestiegen.
Sanitärinstallateur und Fliesenleger warten auf Ware aus Italien
In der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ist fast jedes dritte Unternehmen betroffen, konkretisiert eine Studie der auf diese Gewerke spezialisierten Wirtschaftsberatung Querschiesser – besonders, wenn dieses mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt, oder es auf dem Land tätig ist. Lieferengpässe, so die Studie, gab es zudem lange Zeit bei in Italien produzierter Ware – also vor allem Fliesen, sowie dem Sortiment einzelner Hersteller von Armaturen und Sanitärkeramik.
Auch bei Wärmepumpen, Pellet- oder Hackschnitzelheizungen, drehzahlgeregelten Heizungspumpen oder Komponenten für Solaranlagen kann es derzeit zu Lieferschwierigkeiten kommen, weil die Bundesregierung in ihrem zweiten Corona-Konjunkturpaket vergangenen Juni beschlossen hat, private Haushalte im Rahmen des Co2-Gebäudesanisierungsprogramms 2020 und 2021 mit 2,5 Milliarden Euro zu fördern . Für die energetische Sanierung stehen damit nun fast 70 Prozent mehr Fördergelder zur Verfügung als vor der Corona-Krise.
Viele Rohstoffe werden teurer
Von weiteren Problemen berichtet der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden. Laut seinem jüngsten Konjunkturbericht ging die Produktion von Gipserzeugnissen, Ziegeln, Zement und Mörtel Ende vergangenen Jahres zurück. Dadurch könnten die Einkaufspreise für Trockenbauer, Estrichleger und Maurer steigen. Der Bundesverband der deutschen Bauindustrie beobachtet zudem, dass die Preise für Vorprodukte wie Stahl wieder anziehen, weil die Automobilindustrie wieder mehr von dem Rohstoff einkauft.
Mehrkosten lassen sich aber kaum auf den Kunden umlegen, weil der Wettbewerb in der Bauindustrie im Zuge der Krise zugenommen hat. „Wir befürchten, dass dies zu Lasten der Ertragslage geht“, erklärt der Bundesverband der deutschen Bauindustrie. Vor allem, wenn sich die Baukonjunktur wie erwartet in der zweiten Jahreshälfte abkühlt.
Für 2021 erwartet der Verband einen Umsatzrückgang von zwei Prozent. Der ZDH geht sogar davon aus, dass Handwerker im laufenden Jahr vier Prozent weniger erlösen.
Corona erschwert den auftragsbezogenen Materialeinkauf
Was die Betriebe in dieser Situation besonders belastet, ist dass sie durch die längeren Lieferzeiten bei einigen Produktgruppen kaum mehr bedarfsgerecht einkaufen können. Wer nur das beschafft, was er für einen Auftrag benötigt, bindet jedoch weniger Working Capital in seinem Lager und schont die Kasse. Das wäre genau das, was Betriebe bräuchten, wenn die Konjunktur nachlässt.
Wo dies derzeit ausscheidet, bleibt Handwerkern nur, die Zahl der Händler zu erweitern, mit denen sie zusammenarbeiten. Dabei werden Großhändler im Internet zu einer attraktiven Alternative zum lokalen Fachhandel. Denn Onlinehändler wie Megabad, Reuter, Mercateo oder Heima24 kaufen bei den Herstellern von Keramik und Armaturen oder Heizungskomponenten größere Volumina ein als der Händler vor Ort und haben benötigte Ware daher eventuell auf Lager, wenn es diese beim Fachhändler um die Ecke gerade nicht gibt.
Onlinehändler bieten außerdem meist bessere Preise. Gute Shops zeigen zudem sämtliche Spezifikationen der angebotenen Produkte sowie deren Lieferzeit an. Auch können Handwerker, die Lieferung ihrer Bestellung online nachverfolgen. Das ermöglicht ihnen, auch in der Corona-Krise weitgehend bedarfsgerecht einzukaufen.
Corona ist (k)ein Fall höherer Gewalt mehr
Da Lieferengpässe und –verzögerungen am Bau unter Umständen hohe Schadenersatzzahlungen zur Folge haben können, müssen sich Handwerker derzeit auch rechtlich absichern, wenn sie Probleme bei der Beschaffung des von ihnen benötigten Materials haben. Denn die Zeit, in der sie sich darauf berufen konnten, dass die Pandemie ein Fall höherer Gewalt ist, ist wohl vorbei.
Der Bundesgerichtshof definiert „Höhere Gewalt“ als ein „von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“ – wie eben eine Pandemie, die Schließung eines Betriebs durch die Behörden oder die Anordnung von Quarantäne für seine Mitarbeiter.
In solchen Fällen, wird kein Richter einen Handwerker zu Schadenersatz verurteilen. Denn dies setzt voraussetzt, dass den Unternehmer ein Verschulden trifft, wenn er seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Wer Termine nicht einhalten kann, weil er Einkauf und Logistik schlecht geplant oder Ware zu spät bestellt hat, wird sich allerdings kaum mit dem Verweis auf höhere Gewalt entschulden können – schon gar nicht, da die Pandemie nun bereits seit einem Jahr andauert.
Wer Termine nicht halten kann, muss sich rechtlich absichern
Um beweisen zu können, dass sie kein Verschulden trifft, sollten Handwerker dokumentieren, dass sie alles in ihrer Macht stehende getan haben, um durch den Verzug verursachten Schaden abzuwenden oder zu verhindern. Denn zu ihrer vertraglich vereinbarten Leistung sind sie auch dann verpflichtet, wenn deren Erfüllung einen erheblichen Mehraufwand verursacht.
Wenn also etwa einzelne Mitarbeiter pandemiebedingt ausfallen, müssen sich Unternehmer bemühen, Ersatz für diese zu finden – zur Not, indem sie Subunternehmer beauftragen. Wer nicht rechtzeitig mit Material beliefert wird, muss darlegen, dass er dieses nirgendwo sonst pünktlich hätte beschaffen können. Er ist dabei sogar dazu verpflichtet, erhebliche Mehrkosten zu tragen.
Außerdem müssen Handwerker, die aufgrund von Lieferengpässen Termine nicht einhalten können, ihre Kundschaft schnell und schriftlich darüber informieren. Das gebietet nicht nur der Anstand, sondern auch die zivilrechtliche Pflicht zur Schadensminderung und § 6 Absatz 3 des Teil B der Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen.
Da die Haftungslage sehr kompliziert sein kann, lohnt es sich für Handwerker derzeit bei großen Aufträgen zudem, einen Anwalt die Verträge prüfen zu lassen, die sie mit Bauherren oder –unternehmern schließen. Mit etwas Glück bleibt es dann dabei, dass Corona wirtschaftlich wirklich nicht so schlimm wird, wie befürchtet.