Das können Fachhandwerker vom Nutella-Prinzip lernen
Ein Angebot zu erstellen bedeutet viel Arbeit, die womöglich keine Einkünfte bringt. Der Umstand, dass Kundenanfragen oft wenig detailliert sind und insbesondere bei Privatkunden technische Details häufig fehlen, macht es nicht einfacher.
Dann muss der Fachhandwerksbetrieb abwägen, was für ein Angebot erstellt wird, ob eine einfache, preisgünstige oder eine anspruchsvolle, teurere Variante angeboten wird. Zur Unsicherheit trägt bei, dass der Anbieter nicht weiß, ob und wie viele Vergleichsangebote der potenzielle Kunde einholt. Detailfragen können zwar im persönlichen Gespräch geklärt werden, aber dazu kommt es oft gar nicht, wenn sich der Kunde für ein alternatives Angebot entscheidet.
Der Fachhandwerksbetrieb erfährt nicht, ob sein Angebot zu teuer und aufwendig, vielleicht aber auch zu schlicht war. Daher stellt sich die Frage, wie Angebote gestaltet werden sollten, damit es zum Vertragsabschluss kommt. Bei aller Sorgfalt der Angebotskalkulation wird eine grundsätzliche Frage häufig vernachlässigt: Wird nur ein einziges Angebot gemacht oder werden unterschiedliche Alternativen aufgezeigt? Die Antwort gibt das Nutella-Prinzip.
Angebotsstrategie genau überdenken
Wie viele Sorten Marmelade gibt es? Und wie viele Sorten Nutella? Die Antwort ist klar: Während bei Marmeladen die Auswahl fast unüberschaubar ist, gibt es nur eine einzige Sorte Nutella. Konkurrierende Marmeladenanbieter setzen auf immer neue, oft saisonale oder exotische Lösungen, um jede denkbare Marktnische auszufüllen. Bei Nutella variiert lediglich die Größe und ggf. das Etikett oder Glas für Sondereditionen, wobei das Produkt aber stets unverändert bleibt.
Hier offenbaren sich zwei völlig konträre Angebotsstrategien, die genauer betrachtet werden wollen. Dass es Kunden kaum ausreichen würde, nur eine Sorte Marmelade kaufen zu können, erscheint einsichtig. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob der Absatz tatsächlich gesteigert werden kann, indem man die Variantenzahl erhöht, um selbst die kleinste Nische noch zu bedienen.
Empirisch belegt ist das Gegenteil, nämlich dass eine zu große Vielfalt an Angeboten tendenziell zur Kaufzurückhaltung führt. In einer Studie wurden Supermarktbesuchern entweder 6 oder 24 Marmeladensorten zum Probieren angeboten. Von 260 potenziellen Kunden bleiben beim kleineren Angebote 104 stehen und 31 (30 %) kauften ein Glas. Beim größeren Angebot blieben 145 Menschen stehen, allerdings kauften nur 4 (3 %) ein Glas (1, siehe Quellen). Ein Mehr an Angebot führt also offensichtlich nicht zu einem Mehr an Verkäufen.
Erkennbare Optionen anbieten
Was bedeutet das nun für das Handwerk? Sicherlich wird kein Fachhandwerksbetrieb einem Kunden 24 unterschiedliche Angebote machen. Reicht aber ein einziges Angebot wirklich aus oder sollte der Kunde eine gewisse Auswahl haben? In der Regel werden Kundenanfragen von Betrieben mit einem einzigen Angebot beantwortet, welches aus Sicht des Anbieters die eine richtige, optimale Lösung darstellt. Die Auswahl wird gegenüber dem Kunden begründet, falls dieser auf das Angebot reagiert.
Der Kunde hat dann die schlichte Wahl, auf das Angebot einzugehen oder es abzulehnen. Manche erbitten sich Bedenkzeit und/oder führen Verhandlungen, um die Konditionen zu verbessern. An diesem Punkt sollten Sie ansetzen, denn entscheidungsbereite Kunden möchten ihren Teil zur optimalen Lösung beitragen und erkennbare Optionen haben. Daher geben sie sich mit einem einzigen Angebot nicht zufrieden.
Allzu rasch abgegebene Angebote können zudem den Eindruck erwecken, dass es sich um eine Standardlösung aus der Schublade handelt, welche die individuellen Verhältnisse des Kunden nur unzureichend berücksichtigt. Dann bittet der Kunde oft um alternative Möglichkeiten, stellt die Kostenhöhe infrage oder fragt eine völlig andere Lösung an. So wird die Entscheidung vom Kunden vertagt, nicht selten bis zum St. Nimmerleinstag. Viele Handwerker neigen auch dazu, möglichst günstige Angebote vorzulegen. In der Hoffnung, die Wettbewerber preislich zu unterbieten, um den Zuschlag zu erhalten. Nicht alle Kunden entscheiden sich jedoch allein über den Preis. Und so entgeht dem Handwerker die Chance, dem Kunden die Vorteile einer besseren und teureren Lösung erläutern zu können.
Preis-Leistungs-Verhältnis aufschlüsseln
Bei kritischen Kunden ist es deshalb besser, von Anfang an mehrere Angebote vorzulegen, die sich im Preis- und Leistungsumfang deutlich unterscheiden – quasi Nutella Mini, das Standardglas und den Nutella World Big Jar XXL. Erklären Sie dabei jeweils das Preis-Leistungs-Verhältnis und die spezifischen Vorteile. So können Sie dem Kunden Orientierung geben, ohne ihn zu bevormunden.
Er hat nicht nur die Freiheit, Ja oder Nein zu sagen, sondern eine Variante zu wählen. Solange der vorgegebene Kostenrahmen nicht drastisch überschritten wird, sind die Entscheidungen der Gegenseite überraschend präzise vorhersehbar: Werden zwei Angebote vorgelegt, neigen Kunden zum preiswerten Angebot, bei drei Angeboten wird das mittlere bevorzugt (2, siehe Quellen). Mit diesem Vorgehen bringt sich der Fachhandwerker in eine aussichtsreichere Position gegenüber den Mitbewerbern. Möglichst preiswert geht immer, schränkt aber zwangsläufig auch die Gewinnmarge ein und ist womöglich auch für den Kunden nicht zufriedenstellend.
Verschiedene Optionen wecken Interesse, erhöhen beim Kunden die Bereitschaft, sich mit den einzelnen Angeboten genauer zu beschäftigen, weitere Fragen zu stellen. Daraus entsteht eher ein persönliches Gespräch und die erste Hürde bis zur Auftragsgewinnung ist somit übersprungen. Im Gespräch legt der Kunde dann häufig die Angebote der Wettbewerber vor. Das gibt Ihnen die Gelegenheit, die spezifischen Vorteile Ihrer Lösung(en) im Vergleich zu erläutern und so den Kunden zu überzeugen.
Dieser Artikel von Thomas Schneider ist zuerst erschienen in SBZ/10-2018, barbeitet von haustec.de. Dipl.-Kfm. Thomas Schneider ist für interne Revision bei Knauf Interfer SE verantwortlich.
Quellen
(1) Ivengar, S.S., Lepper, M.: When Choice is Demotivating. In: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 79, Nr. 6, S. 695 – 706, 2000
(2) Jekel, N.; Erichsson, S.: Nutella-Prinzip zur Gestaltung des Produktportfolios. In: CM Juli 2017, S. 36, 37