Überstunden: Vergütung, Freizeitausgleich, Rechte und Pflichten
Was sind Überstunden?
Wer Überstunden macht, arbeitet als Arbeitnehmer länger als er im Regelfall arbeiten müsste. Im Juristendeutsch heißt es dann "Die Leistung von Überstunden ist die Überschreitung der vom einzelnen Arbeitnehmer geschuldeten, arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeit". Der Regelfall sind die im Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitsstunden.
Überstunden liegen übrigens nur dann vor, wenn der Arbeitgeber sie ausdrücklich angeordnet hat oder sie stillschweigend duldet. Er muss wissen, dass Überstunden gemacht werden, und damit einverstanden sein. Weiterhin braucht der Arbeitgeber für Überstunden immer das Einverständnis des Betriebsrates - sofern es einen gibt.
Darf ein Betrieb Überstunden anordnen?
Zwar hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer, das erlaubt ihm jedoch nicht, von ihm Überstunden zu verlangen. Der Grund: Im Arbeitsvertrag ist die Arbeitszeit festgelegt, auf die sich beide Parteien geeinigt haben. Eine Ausnahme sind nur Notsituationen. Darunter fällt allerdings nicht ein unerwarteter Großauftrag oder eine Materiallieferung, die erst um 22 Uhr abends eintrifft. Eine Notsituation ist immer eine Katastrophe, die den Fortbestand des Betriebs gefährdet, etwa eine Überschwemmung oder ein Brand. Nur dann darf der Arbeitgeber von Rechts wegen einseitig Überstunden anordnen.
Achtung: Wird lediglich die Lage der Arbeitszeit geändert, zum Beispiel statt von 7 Uhr bis 14 Uhr auf 10 Uhr bis 17 Uhr, führt das nicht zu Überstunden.
Wann sind Überstunden rechtens?
Wenn Überstunden eigentlich nur in Notfällen angeordnet werden dürfen, sind dann alle Überstunden illegal? Nein, es gibt einige Umstände, unter denen Überstunden rechtmäßig geleistet werden:
- Tarifvertrag: Legt ein Tarifvertrag fest, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Überstunden angeordnet werden dürfen, ist das zulässig.
- Arbeitsvertrag: Enthält ein Arbeitsvertrag eine Klausel, dass der Arbeitgeber Überstunden anordnen darf, ist das rechtens, sofern eine Höchstzahl festgelegt ist.
- Betriebsvereinbarung: Hat der Betriebsrat mit dem Unternehmen ausgehandelt, dass Überstunden angeordnet werden dürfen und in einer Betriebsvereinbarung die Umstände festgeklopft, legalisiert auch das ein volles Überstundenkonto.
- Vereinbarung im Einzelfall: Arbeitnehmer und Arbeitgeber können jederzeit im Einzelfall einvernehmlich vereinbaren, dass Überstunden geleistet werden. Dazu reicht eine mündliche Vereinbarung oder eine stillschweigende Übereinkunft aus. Ein Schriftstück ist nicht notwendig - aus Beweisgründen aber natürlich immer hilfreich.
Müssen Überstunden bezahlt werden?
Ist der Arbeitsanfall hoch und die Personaldecke dünn, entscheiden sich viele Arbeitgeber dafür, Überstunden zu bezahlen, denn sie können auf ihr Personal schlichtweg nicht verzichten. Überstunden werden zusätzlich zum normalen Gehalt ausbezahlt. Der Vorteil: Es gibt mehr Geld. Der Nachteil: Steuer und Sozialabgaben fressen einen Großteil auf - und je mehr Überstunden, desto höher auch der Steuersatz.
Ein Überstundenzuschlag, also eine Erhöhung des Stundenlohns speziell für Überstunden, ist keine generelle Pflicht. Ein solcher kann aber durch einen Tarif- oder Arbeitsvertrag sowie eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden.
Schließt ein Arbeitsvertrag aus, dass Überstunden mit Freizeit ausgeglichen werden, müssen sie zwingend bezahlt werden. Voraussetzung für die Bezahlung der Überstunden ist in jedem Fall eine genaue Erfassung der Arbeitszeit.
Überstunden mit Freizeit ausgleichen?
Wird die Arbeitszeit - wie gesetzlich vorgeschrieben - erfasst, gibt es eine zweite Möglichkeit: Überstunden mit Freizeit auszugleichen. De facto besteht dann ein Arbeitszeitkonto, auf dem Arbeitnehmer ihre Überstunden ansammeln und wieder abbummeln können. Viele Arbeits- und Tarifverträge enthalten entsprechende Regelungen. Oft ist eine Maximalzahl an Überstunden genannt, andere Unternehmen erlauben sogar, dass das Zeitkonto vorübergehend ins Minus rutscht.
Freizeitausgleich: Chef darf sagen, wann und wie lange
Rein rechtlich darf der Betrieb bestimmen, wann Überstunden abgebaut werden sollen. So können zum Beispiel auftragsschwache Zeiten überbrückt werden. Das Arbeitsrecht sieht nicht vor, dass der Arbeitnehmer den Zeitpunkt für den Freizeitausgleich selbst bestimmen darf.
In der Regel wird der Überstundenabbau aber zwischen Arbeitgeber und -nehmer einvernehmlich vereinbart und koordiniert. Ist im Arbeitsvertrag jedoch festgelegt, dass der Arbeitnehmer über den Freizeitausgleich frei verfügen kann, hat der Betrieb kein Mitspracherecht.
Wichtig zu wissen: Wer Überstunden abfeiert, hat keinen Urlaub! Dieser Unterschied ist bedeutsam, wenn der Beschäftigte während seines Freizeitausgleichs krank wird. Denn: Die Regelung des Bundesurlaubsgesetzes ist hier nicht anwendbar. Mitarbeiter können sich also an einem solchen Ausgleichstag nicht einfach krankmelden und erhalten dann den Tag gutgeschrieben. Auch ein "gelber Schein" vom Arzt hilft nicht weiter. Arbeitsgerichte haben entschieden, dass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, ob er die Freistellung nutzen kann (unter anderem Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 19.11.2015, Az: 5 Sa 342/15). Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam bereits 2003 zu einer solchen Entscheidung. Die Stunden sind futsch.
Die Begründung des BAG: Der Abbau des Zeitguthabens trotz Arbeitsunfähigkeit verstößt nicht gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz. Sinn und Zweck des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält. Beim Abbau von Überstunden gilt dies aber nicht, weil die Arbeitsleistung im Voraus erbracht wurde.
Dürfen Überstunden "mit dem Gehalt abgegolten" werden?
Oft heißt es in Arbeitsverträgen, dass Überstunden "mit dem Festgehalt abgegolten sind", manchmal heißt es auch, dass Überstunden mit einem monatlichen Pauschalbetrag abgegolten werden.
Solche unspezifischen Klauseln in Arbeitsverträgen sind in der Regel unwirksam. Der Grund ist, dass Überstundenklauseln für den Arbeitnehmer transparent sein sollen und ihn nicht unangemessen benachteiligen dürfen. Sind die Folgen für Beschäftigte also nicht klar und verständlich und benachteiligen ihn unangemessen, ist eine solche Klausel nichtig. Das gilt nach heutiger Rechtsprechung auch für Führungskräfte.
Wird eine solche Klausel aber ergänzt um die Zahl der maximalen Überstunden in einem fest definierten Zeitraum, kann es bereits ganz anders aussehen.
Gibt es ein Recht auf Überstunden?
Viele Arbeitnehmer machen oft aus Gewohnheit Überstunden, wenn diese entsprechend bezahlt oder ausgeglichen werden - meist mit der stillschweigenden Zustimmung des Chefs. Ihnen ist es nur recht, mehr zu arbeiten, um später entsprechend mehr Freizeit zu haben oder mehr auf dem Konto. Doch was, wenn der Arbeitgeber dem einen Riegel vorschiebt? Dann müssen Beschäftigte wieder auf ihre vertraglich vereinbarten Stunden zurückschrauben, denn Überstunden dürfen nur auf Anordnung oder zumindest mit Duldung des Chefs geleistet werden.