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4-Tage-Woche im Handwerk: Machbar oder Spinnerei?

"Die Generation Z ist arbeitsfaul, die will nur noch vier Tage pro Woche arbeiten", heißt es aus unterschiedlichen Richtungen. Doch mittlerweile wünschen sich nicht nur junge Leute, sondern viele Arbeitnehmer mehr Freizeit. Oft heißt es dann aber "Das kann ich mir doch nicht leisten" oder "Das bietet mein Arbeitgeber gar nicht an".

Und tatsächlich: Ein Arbeitsmodell wie die 4-Tage-Woche im Handwerk erscheint auf den ersten Blick nicht sehr wahrscheinlich. Sind die Meister, Gesellen und Azubis doch von ihren Kunden so gefragt, dass sie Arbeit bis unter die Hutkrempe haben und die Nachfrage eigentlich eher eine 6-Tage-Woche erfordern würde. Vollbeschäftigung halt.

Doch es lohnt ein zweiter Blick. Auf den haben nämlich bereits einige Handwerksbetriebe den Schritt gewagt. Sie reduzieren die Arbeitszeit für ihre Belegschaft oder verteilen die Arbeitszeit anders als bisher - zumindest für die, die es wollen. Und wollen wollen so einige. So fand beispielsweise der Chef des Sanitärbetriebs Markus Gaßner aus dem oberschwäbischen Denkingen keine neuen Mitarbeiter mehr für sein kleines Unternehmen. Als sein letzter Geselle kündigte, blieb Gaßner als einziger übrig.

Mehr Freizeit trotz voller Auftragsbücher

Während Facharbeiter mit Kusshand woanders unterkommen und sich aussuchen können, wohin sie wechseln, müssen sich Chefs etwas einfallen lassen, womit sie neue Kollegen überzeugen können. Bei Gaßner war es die 4-Tage-Woche für Gesellen, also beispielsweise arbeiten von Montag bis Donnerstag und dann ein 3-Tage-Wochenende. Gaßner zog seinen Steuerberater zurate, der gab sein OK und ab ging die Anzeige bei Facebook. 

Die Reaktionen waren allerdings zunächst verhalten. Einige waren skeptisch, dass das überhaupt funktioniert. Andere wohnten zu weit weg und wollten ihre Heimat nicht verlassen. Dann meldete sich ein Geselle aus dem Osten Deutschlands und schlug zu.

So funktioniert die 4-Tage-Woche im Handwerk

Beim herkömmlichen Modell lag die Arbeitszeit bei 40 Stunden pro Woche verteilt auf fünf Arbeitstage. Das machte pro Tag acht Stunden plus eine Stunde Mittagspause. Heute arbeiten seine vier Mitarbeiter an vier Tagen pro Woche insgesamt 37 Stunden, also rund 9,25 Stunden mit einer dreiviertel Stunde Mittagspause. Die Produktivität habe durch die langen Arbeitstage nicht gelitten, so Gaßner, im Gegenteil. Meist sei am Freitagnachmittag sowieso die Luft raus gewesen, so der Sanitärmeister.

Doch nicht die komplette Belegschaft hat das Wochenende von Freitag bis Sonntag frei. Andere haben sich für den Montag als freien Tag entschieden, sodass immer genug Manpower an Bord ist, um die Kunden zu versorgen.

So hat es auch die Schreinerei von Andreas Mayr aus dem oberbayerischen Manching umgesetzt: Arbeitsstunden und Bezahlung bleiben gleich, aber die Zeit wurde auf vier statt fünf Tage verteilt.

Es geht aber auch anders: Der Metallbaubetrieb von Marie-Antoinett Schleier aus hessisch Lichtenau ist zwar ebenfalls auf eine 4-Tage-Woche geschwenkt, allerdings arbeiten die fünf Kollegen jetzt 36 statt der bisherigen 40 Stunden pro Woche - bei vollem Lohnausgleich. Die Chefin hat ihnen die vier Stunden kurzerhand geschenkt. Dabei sieht das Fazit nach einem Jahr sehr positiv aus: zufriedenere Mitarbeiter beim selben Umsatz - und die Kunden haben ebenfalls Verständnis. Für Schleier liegt die Krux im Mindsett der Deutschen. "Das haben wir immer so gemacht" sei kein Argument mehr, so die Unternehmens-Chefin. "Wir müssen weg von der Vorstellung, dass wir rund um die Uhr arbeiten, damit wir überleben", so Schleier.

Was sagen Mitarbeiter, Kunden und die Konkurrenz?

Laut Gaßner sind sowohl Kunden als auch Konkurrenzbetriebe sehr angetan von dem 4-Tage-Modell seines Betriebs. Viele Kunden hätten auch erst durch einen Zeitungsbericht davon erfahren, dass seine Mitarbeiter eine 4-Tage-Woche haben, vorher hätten sie es gar nicht bemerkt.

Die Mitarbeiter sind durch die Bank weg sehr zufrieden. Ein Kollege könne laut Gaßner am Freitag seinen Sohn von der Schule abholen und das lange Wochenende mit ihm verbringen. Ein anderer freut sich, dass er den Montag für etwas anderes nutzen kann. Insgesamt nimmt der Chef seine Belegschaft als ausgeglichener wahr. Allerdings hat er auch nicht den direkten Vergleich, denn er hat die 4-Tage-Woche im Handwerk mit einem neuen Mitarbeiterstamm begonnen. Gaßner selbst kann sich die 4-Tage-Woche allerdings nicht vorstellen - das "Leid" des Chefs. Er hat als Unternehmensinhaber mehr als genug zu tun, muss neben der Baustellenarbeit auch noch die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken koordinieren und sich um die Arbeit im Büro kümmern.

Ähnlich läuft es auch bei der Bruns MSR-Technik GmbH. Hier arbeiten nur die beiden Chefs, Marco Bruns und sein Vater Dieter Bruns, sowie die Bürokraft an fünf Tagen in der Woche. Alle anderen Mitarbeiter sind nur von Montag bis Donnerstag auf den Baustellen unterwegs. Allerdings wurde die Umstellung auf die 4-Tage-Woche hier im gesamten Team besprochen und getestet. Die Bedingung: Das normale Pensum muss trotzdem geschafft werden. Da der Freitagnachmittag sowieso frei war und die Kollegen abends immer mal wieder eine Stunde dran gehängt hatten, war das Projekt nach kurzer Testphase beschlossen.

Isländer testen 4-Tage-Woche

In Island wurde die verkürzte Wochenarbeitszeit in zwei großen Projekten getestet. Zwischen 2015 und 2019 nahmen insgesamt 2.900 Personen teil. Es wurde nicht nur die Arbeitszeit von 40 auf 35 bis 36 Stunden reduziert, auch Prozesse und Aufgaben wurden ausgemistet. Was nicht unbedingt nötig war, flog aus den To-do-Listen raus. Auch die Zeitfresser "Meetings" wurden verkürzt oder ganz gestrichen.

Das Fazit fiel eindeutig aus: Die Mitarbeiter fühlten sich wohler und waren weniger gestresst. Entgegen manch einer Befürchtung blieb zudem die Produktivität gleich oder stieg sogar. Nach Ende der Studien arbeiten 86 Prozent der Teilnehmer tatsächlich weniger oder haben zumindest die Wahl dies zu tun.

Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 durch die Macher der Meisterwerk-App zeigte speziell für Handwerker eine große Zustimmung zur 4-Tage-Woche im Handwerk. 82 Prozent der befragten Handwerker wünschen sich ein solches Arbeitszeitmodell. Die anderen 17,5 Prozent sprechen sich gegen einen 10-Stunden-Arbeitstag oder eine Reduktion des Gehalts aus, um nur noch an vier Tagen zu arbeiten.

Wer will nur noch an vier Tagen arbeiten?

Bei der Befragung kam auch heraus, dass vor allem Männer an weniger Tagen arbeiten wollen. 87 Prozent sprachen sich dafür aus. Bei den Frauen waren es nur 53 Prozent. Und was würden die Befragten an dem zusätzlichen freien Tag machen? Die Mehrheit würde gerne mehr Zeit mit der Familie verbringen und Freunde treffen. Aber auch sich um den Haushalt kümmern und Sport treiben stehen oben auf der Liste.

Dass eine 4-Tage-Woche im Handwerk ein überzeugendes Argument vor allem bei der Mitarbeitergewinnung im Handwerk sein kann, erfahren sowohl Gaßner als auch Bruns. Gerade bei jüngeren Kollegen seien flexible Arbeitszeitmodelle und mehr Freizeit gewünscht. Aber auch ältere Mitarbeiter wissen den zusätzlichen freien Tag zu schätzen.

Ob und wie das Modell für einen Betrieb machbar ist, gilt es dann allerdings individuell herauszufinden.

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