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Kann Erdgas zum Heizen wieder dauerhaft „günstig“ werden?

Jochen Vorländer

Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie war im April 2020 der Rohölpreis an der New Yorker Börse erstmals in seiner Geschichte tief ins Negative gerutscht. Wegbrechende Nachfrage hatte zu einem Überangebot geführt, das man nicht ohne teure Konsequenzen einfach wegdrosseln konnte – die Lagermöglichkeiten wurden knapp. Die Auswirkungen an der Tankstelle: überschaubar und flüchtig.

2022 gab es bei Erdgas eine völlig andere Entwicklung. Erstmals konnte man tatsächlich von einer Explosion der Einkaufspreise sprechen, die sich auch heftig auf die Endkundenpreise ausgewirkten. Zwischenzeitlich haben sich die Tarifangebote für Haushaltskunden wieder weitgehend normalisiert, und die noch mit hohen Preisen abgeschlossenen Verträge laufen nun aus. Damit stellt sich Mitte 2024 die Frage, welches Niveau der Gaspreis künftig bei bestmöglichen Bedingungen erreichen könnte.

Der Gaspreis beeinflusst das Tempo der Heizungswende

In der Diskussion um die Wirtschaftlichkeit von Heizungssystemen spielen naturgemäß auch die (gefühlten) Energiepreise eine große Rolle. Erdgas hat aus der guten Erfahrung der Vergangenheit und auch nach dem Prinzip Hoffnung den Nimbus eines besonders günstigen sowie zuverlässigen Energieträgers und ermöglicht günstige Heizungstechnik. Auch für den Wärmepumpenhochlauf ist der Gaspreis ein wichtiger Kennwert. In der TGA+E-Branche gilt ein unter 2,5 liegendes Strom-/Gaspreisverhältnis als gute Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe.

Je nach Perspektive spürt man somit oft eine gewisse Hoffnung oder die Befürchtung, beim Gas - gemeint ist dann eigentlich immer Erdgas - würde/könnte es wieder eine längere Niedrigpreisphase geben. Für beide Blickwinkel könnte eine Abschätzung des minimal möglichen Preisniveaus hilfreich sein.

Zusammensetzung des Erdgaspreises für Haushaltskunden

Der minimal mögliche Endkundenpreis für Erdgas lässt sich auf Basis der maßgebenden Preisbestanteile abstecken. Anfang 2024 hat der BDEW in seiner regelmäßig durchgeführten Gaspreisanalyse für den Abnahmefall Einfamilienhaus (EFH) für Sondervertragskundentarife und eine Netzentnahme von 20 000 kWh/a - nicht mengengewichtet - inklusive anteilig enthaltenem Grundpreis folgende Werte ermittelt, jeweils netto:

● 1,97 Ct/kWh für Netzentgelte inkl. Messung und Messstellenbetrieb
● 0,03 Ct/kWh als Konzessionsabgabe
● 0,55 Ct/kWh als Energiesteuer
● 0,82 Ct/kWh für die CO2-Bepreisung (45 Euro/tCO2) und
● 0,19 Ct/kWh für die Gasspeicherumlage (steigt ab Juli 2024 auf 0,25 Ct/kWh)

Annäherung an den künftig minimal(st)en Gaspreis

Die Energiesteuer und die mittlere Konzessionsabgabe sind seit Jahren unverändert. Bei den Netzentgelten gab es 2023 einen Preissprung um rund 0,3 Ct/kWh, maßgeblich geprägt durch die Wälzung auf eine geringere Abnahmemenge.

Der Kostenbestandteil „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ war krisenbedingt in den Jahren 2022 und 2023 deutlich höher als zuvor. In der „Normalpreisphase“ 2014 bis 2021 lag das arithmetische Mittel der Jahreswerte aus der BDEW-Gaspreisanalyse bei 2,99 Ct/kWh mit einem Minimum von 2,65 Ct/kWh im Jahr 2017, jeweils netto. Für eine kurz- oder mittelfristig längere Phase mit noch niedrigeren Werten ist kein Spielraum erkennbar. Deshalb wird das Mittel aus beiden Werten von 2,82 Ct/kWh in die Minimalpreisüberlegung übernommen.

Ohne die Gasspeicherumlage – sie würde in einer Phase mit anhaltend geringem Einkaufspreis gegen null tendieren – ergibt sich dann bei einem bei 45 Euro/t verharrenden CO2-Preis rechnerisch ein minimal(st)er Preis von 6,14 Ct/kWh (netto) und mit 19 % Umsatzsteuer von 7,31 Ct/kWh.

Bild 1 Je nach Perspektive spürt man oft eine gewisse Hoffnung oder die Befürchtung, bei Erdgas würde/könnte es wieder eine längere Niedrigpreisphase geben.

Kann der CO2-Preis stabil bleiben?

Im minimal(st)en Preis steckt Optimismus: eine konstante Abnahmemenge für ein konstantes Netzentgelt und ein bei 45 Euro/t verharrender CO2-Preis. Ein weiterhin hoher Gasverbrauch zum Heizen, ohne dass der CO2-Preis bei einer sich jährlich verringernden Menge an CO2-Zertifikaten steigt, würde jedoch parallele Entwicklungen erfordern - beispielsweise einen europaweit steilen Hochlauf der Elektromobilität. Warum? Der CO2-Preis ergibt sich ab 2027 nicht mehr über eine nationale Festlegung der Politik, sondern europaweit über das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS II für die CO2-Emissionen fossiler Kraft- und Brennstoffe.

Vorkehrungen zur Abfederung des CO2-Preises in der Startphase ab 2027 schon ab 45 Euro/t waren entscheidend für den Durchbruch im Trilog für den ETS II. Da die Vorkehrungen das Emissionsminderungsziel nicht beeinflussen (die erlaubte Obergrenze an Emissionen (Cap) ist fixiert), ist ein dauerhaft stabil niedriger CO2-Preis kaum vorstellbar.

Mehrere Studien gehen in den Jahren nach dem Start des ETS II von mittleren CO2-Preisen von deutlich über 100 Euro/t aus. Dennoch wird der CO2-Preis bis dahin die große Unbekannte bleiben. Nachfolgend werden deshalb Berechnungen mit CO2-Preisen von 45 (Stand 2024 in Deutschland als Referenz) und 100 bzw. 125 Euro/t angeboten.

Der minimale Gaspreis inklusive steigendem CO2-Preis

Alle noch halbwegs schlüssigen Szenarien führen dazu, dass entweder der CO2-Preis steigt oder zugemischte grüne Gase den Gaspreis entsprechend erhöhen. Ein optimistisches Szenario wäre ein mittlerer CO2-Preis von 100 Euro/t über einen längeren Zeitraum. Der oben ermittelte minimal(st)e Gaspreis von 7,31 Ct/kWh würde sich damit auf 8,5 Ct/kWh erhöhen.

Nimmt man für „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ einen aus heutiger Sicht eher realistischen Wert von minimal 3,3 Ct/kWh, einen mittleren CO2-Preis von 125 Euro/tCO2, eine Gasspeicherumlage von 0,0 Ct/kWh und ein im Mittel um 0,25 Ct/kWh höheres Netzentgelt an, ergibt sich ein „minimaler Gaspreis inklusive steigendem Netzentgelt und steigendem CO2-Preis“ von 9,96 Ct/kWh. 

Bild 2

Bild 2:

Abbildung 128 aus dem Monitoringbericht 2023: Netzgebietsscharfe Verteilung der Netzentgelte Gas für den Abnahmefall „Haushaltskunde“ – Stand 1. Januar 2023 gemäß Angaben der Verteilnetzbetreiber Gas. Der tatsächliche Gaspreis für einen Netzanschluss hängt auch von der Postleitzahl ab. Quellen: GeoBase-DE / BKG 2018, Infaslt 04.2003; Daten: Monitoring der Bundesnetzagentur 2023

Verzicht der Kunden auf Gas erhöht die Netzentgelte

Der „minimal(st)e Gaspreis“ von 7,31 Ct/kWh könnte nur unterboten werden, wenn irgendwo jemand verzichtet: der Gasförderer oder -transporteur auf einen Teil des erzielbaren Erlöses, der Gaslieferant auf einen Teil seiner Marge, der Staat auf Steuern, die Kommunen auf die Konzessionsabgabe oder der Verteilnetzbetreiber auf Entgelte zur Refinanzierung der getätigten Investitionen und der laufenden Aufwendungen. Der ermittelte Preis impliziert aber einen Verzicht der Gaskunden: nämlich auf Erdgas, damit der CO2-Preis nicht steigt. Ein Verzicht auf Gas würde jedoch die Netzentgelte durch eine kleinere umlagefähige Menge erhöhen.

Korrigiert man den Widerspruch beim CO2-Preis und dem Netzentgelt, wird mit den hier exemplarisch gewählten CO2-Preisen von 100 bzw. 125 Euro/t der künftig minimal mögliche Gaspreis auf 8,5 bzw. rund 10,0 Ct/kWh angehoben. Durchaus denkbar ist, dass zu einem möglichen Wechselzeitpunkt auch ein deutlich günstigeres Angebot für eine begrenzte Gasmenge zur Verfügung steht.

Die hier angenäherten minimal möglichen Gaspreise basieren auf einem nicht gewichten Mittelwert für ganz Deutschland. Vor Ort ergibt sich eine Differenz aufgrund der in jedem Verteilnetzgebiet tatsächlich erhobenen Netzentgelte. Die errechneten Minimalpreise können damit im Einzelfall um etwa 1,43 Ct/kWh günstiger oder bis zu 2,63 Ct/kWh höher liegen. Die Extremfälle betreffen aber nur eine kleine Zahl der Anschlüsse.

Ob ein Preis im konkreten Anwendungsfall teuer oder günstig ist, hängt von vielen Blickwinkeln, den zur Verfügung stehenden Alternativen und den jeweiligen Gesamtkosten ab. Durch den Bezug auf eine Gasabnahme von 20 000 kWh/a würde sich der kundenspezifische Gaspreis bei einer geringeren Gasentnahme etwas erhöhen, bei einer höheren Gasentnahme würde er etwas geringer ausfallen. 

Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Energieträger

Dieser Artikel erschien zuerst im TGA+E Fachplaner Ausgabe 7/2024.

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