Rätselhafte Partikelbildung in Kupfergasleitungen - Ursache unbekannt
Es ist schon länger kein tägliches Ärgernis mehr, mit dem sich Albrecht Lohri, Obermeister der SHK-Innung Esslingen, herumschlagen muss. In letzter Zeit ist es sogar ziemlich ruhig geworden, was die Problematik der Partikelbildung in kupfernen Gasleitungen anbelangt. „Das heißt aber nicht, dass das Problem gänzlich verschwunden ist. Dann und wann höre ich mal wieder davon“, sagt der Handwerksunternehmer, der aufgrund seines Ehrenamtes über die Entwicklungen bei Innungskollegen in der Stuttgarter Region und darüber hinaus gut Bescheid weiß. „Die meisten Fachhandwerker sind inzwischen auch sensibilisiert und werden im Störfall gezielt nach zugesetzten Gasfiltern schauen“, erläutert Lohri.
Baugleiche Anlagen sind unterschiedlich störanfällig
Wenn die Fachkompetenz der SHK-Betriebe sich dahingehend erweitert hat, dass eine solche mögliche Störquelle besteht und deshalb zum wichtigen Punkt auf der Checkliste des Anlagentechnikers geworden ist, ist die Branche um eine wichtige Erfahrung reicher. Wozu bedarf es dann dieses Beitrages? Antwort: Nur rein wissenschaftlich ist bislang geklärt, wie es beim Leitungswerkstoff Kupfer in Verbindung mit der einen oder anderen Gasbeschaffenheit zu einer mehr oder minder bedeutsamen Sulfidbildung kommt. Auch wenn bereits sehr viele Erkenntnisse über die chemisch-physikalischen Vorgänge in kupfernen Gasleitungen zusammengetragen werden konnten, so können die Experten aufgrund der Forschungsergebnisse beispielsweise bis heute nicht sagen, warum sich die eine Anlage störungsanfällig zeigt, eine andere – vermeintlich baugleiche – aber nicht. Hier muss Licht ins Dunkel gebracht werden.
Seit das Problem 2002 erstmalig dokumentiert wurde, haben 2007 und 2010 zwei umfangreiche, jeweils zwei Jahre dauernde Feldversuche im Auftrag des DVGW etliche Details über Ursache und Wirkung ermitteln können. Doch warum tritt dieses Phänomen der Sulfidbildung nur in einigen Regionen sporadisch auf? Vermutungen, dass es mit Unregelmäßigkeiten bei der Einspeisung verschiedener Gasqualitäten zu tun haben könnte, haben sich laut Aussage von Experten nicht erhärten lassen.
Zwei Forschungsreihen - keine gesicherten Erkenntnisse
Jürgen Klement gilt als Experte, der sich mit den Ergebnissen der Feldversuche und den Entwicklungen rund um kupferne Gasleitungen intensiv auseinandersetzt. Als Obmann des Technischen Komitees Bauteile und Hilfsstoffe Gas beim DVGW will er sich nicht damit zufrieden geben, dass die Thematik nach zwei Forschungsvorhaben ohne abschließende gesicherte Erkenntnisse zu den Akten gelegt werden könnte. Im Gegenteil: Das Komitee hat das Jahr 2016 dazu genutzt, die bislang unbeantworteten Fragen aufzulisten und die Notwendigkeit für ein weiteres Forschungsvorhaben deutlich zu machen. Inzwischen hat der DVGW auch die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt. Klement zeigt sich wissbegierig: „Es sollten unterschiedliche Anlagenkonfigurationen untersucht werden. Warum sind zum Beispiel keine derartigen Störungsfälle aus dem Ruhrgebiet bekannt? Dort sind die Zähler überwiegend im Keller und die Geräte in den Etagen.“
Aufschlussreich könnte beispielsweise eine Anlagenkonfiguration sein, bei der entstandene Partikel im Gas je nach Durchflussgeschwindigkeit lange als Schwebeteilchen in einem Steigestrang hochgeschleudert werden und immer wieder absinken können. Für Klement sind noch etliche Fragen offen: „Dann zerfällt der Sulfidgriesel zu Staub und verstopft die Filter nicht mehr? Oder ist alles doch ganz anders? Meiner Kenntnis nach ist es in Anlagen mit einer solchen Leitungsführung noch nie zu Störungen gekommen. Ich will aber auch wissen, welche Anlagenkonfigurationen besonders anfällig reagieren.“
Was da im Inneren von Leitungen einer häuslichen Gasanlage exakt ablaufe, lasse noch zu viele Spekulationen zu. Hier könne aber der Schlüssel zu weiteren Erkenntnissen liegen. Diese Untersuchungen sowie weitere Experimente will das Technische Komitee in diesem Jahr vorantreiben. Insbesondere sollen auch die Auswirkungen der Sulfidbildung auf die Sicherheitskette genauer untersucht werden. Können sich Probleme beim Material Kupfer ergeben? Könnte Sulfidgriesel oder -staub zur Störung in einem Gasdruckregelgerät oder in einem Gasströmungswächter führen? Für Klement ist bei sicherheitsrelevanten Bauteilen wichtig, dass man sich im Voraus Gedanken macht. „Man darf hier nicht erst durch Schaden klug werden. Es lässt sich ja simulieren, welche Auswirkungen in einer technischen Anlage zu erwarten sind.“
„Was mich gestört hat, war die unzureichende Aufklärung bei diesem Thema“, sagt Lohri. „Weil in unserer Region vor etwa zwei Jahren etliche Anlagenausfälle auftraten, versuchte ich auf einer Installateurversammlung Klarheit in die Sache zu bringen. Doch weder vonseiten der Kupferindustrie noch vonseiten der Gasversorger gab es für die Mitgliedsbetriebe umfassende Auskunft darüber, wie man sich als Fachbetrieb absichern kann. Ich vermute, es war die Angst davor, dass der eine dem anderen bloß keine Schuld zuweisen wollte.“ Zumindest bekamen die Fachbetriebe ein Informationsblatt, das der DVGW im Juli 2014 mit dem Titel „Partikelbildung an Kupferrohren in Gashausinstallationen“ herausgegeben hat. Darin sind die wesentlichen Erkenntnisse und Empfehlungen zum Thema zusammengefasst.
Die Sanitärbetriebe sind gut beraten, wenn sie bei Störungen nicht gleich diverse Bauteile austauschen, sondern zunächst abklären, ob Filter verstopft sind. Wenn dies der Fall ist, sollte der Fachbetrieb dem Betreiber einen Wartungsvertrag anbieten. Und wenn eine Verstopfung zum wiederholten Mal auftreten sollte, empfiehlt sich ein Ausblasen der Gasleitung – mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. Auch die Installation eines etwa faustgroßen Gasfilters ist möglich.
Nach den Technischen Regeln für die Gasinstallation (TRGI) kann der Gasfilter entweder vor dem Gasdruckregelgerät oder nach der Geräteanschlussverschraubung gesetzt werden. „Wenn denn überhaupt Platz dafür da ist“, merkt Lohri an. Seiner Erfahrung nach besteht in vielen Fällen aufgrund der beengten Verhältnisse keine Möglichkeit, auch noch einen solchen Filter in die Installation zu integrieren.
Leitungen aus Kupfer oder Edelstahl?
Was ist die Folge? Welche Konsequenzen gibt es beispielsweise in der Region Esslingen? Was bislang unwidersprochen ist: So wie das Problem mit den kupfernen Gasleitungen gekommen ist, könnte es auch wieder verschwinden – oder zurückkehren. Experten, die sich mit den Ergebnissen der Feldversuche auseinandersetzen, mögen keine verlässliche Prognose abgeben.
Lohri könnte seine Innungskollegen quasi in zwei Lager aufteilen. Zum einen gibt es weiterhin die Handwerker, die auch in der Gasinstallation beim Kupfer bleiben wollen. „Sie sind seit ihrer Lehrzeit mit diesem Werkstoff vertraut und wollen nichts anderes – auch wenn es zu Störungen kommen könnte“, schätzt er die Lage ein. „Andere Innungsbetriebe dagegen – ich gehöre auch dazu – haben seitdem auf den Werkstoff Edelstahl für die Gasinstallation gewechselt“, erklärt Lohri. Das habe er auch zunächst mit Skepsis getan, weil ihm der Umgang nicht vertraut war, gibt er offen zu. Mittlerweile erkenne er in der Verwendung von Edelstahl Vorteile, beispielsweise auch den, dass sich der Werkstoff als zäher und damit widerstandsfähiger erweist.
Dass für die Gasinstallation auch noch eine weitere Alternative besteht, nämlich in Mehrschichtverbundleitungen, weiß Lohri natürlich auch. Er misst aus Gründen der Widerstandsfähigkeit dieser Entwicklung jedoch wenig Bedeutung bei: „Da bleib ich doch lieber beim Metall und vertraue der Alternative aus Edelstahl.“
Schlussbemerkung
Aus Handwerkersicht wäre es sicher von Vorteil, wenn nach 15 Jahren Ursachenforschung endlich doch noch ausreichend Licht ins Dunkel der Gasleitung kommt.