Bestandsbauten: Warnung der IG Bau vor Asbest
Asbest, der unbrennbare, ehemalige „Wunderbaustoff“, ist unschädlich, solange er in Baustoffen gebunden ist. Gelangen die Fasern aber an die Luft und werden eingeatmet, können sie eine Lungenfibrose, jedoch auch Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs auslösen. Und schon geringe Konzentrationen können zum Wachstum von Tumoren, Mesotheliomen, führen. Die in Gebäuden der Baujahre 1950 bis 1990 massenhaft vorhandenen asbesthaltigen Baustoffe werden also erst dann zur Gefahr für Ausführende und alle im Umfeld, sobald saniert, modernisiert, um- und ausgebaut wird. An einer Modernisierung des Bestandes führt allerdings kein Weg vorbei, sollen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß gesenkt werden. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) befürchtet daher steigende Gesundheitsrisiken und mahnte anlässlich einer Pressekonferenz am 10.08. wirksame und umfassende Vorsorgemaßnahmen an.
Gefahr für Bauarbeiter wie für Heimwerker
Bereits jetzt, meinte Carsten Burckhardt, im Bundesvorstand der IG BAU für die Bauwirtschaft und den Arbeitsschutz zuständig, seien pro Jahr ungefähr 1.500 Asbesttote zu beklagen. Es könnte indes schlimmer kommen, so Burckhardt in einer begleitenden Pressemeldung: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Gleichzeitig baut sich Deutschland um: Aus bestehenden Gebäuden wird neuer und zusätzlicher Wohnraum. Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut oder aufgestockt. Mit der Sanierungswelle droht deshalb jetzt eine ‚Asbest-Welle‘ auf dem Bau. Sie ist eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker.“
Asbest kann in Putzen, Klebern, Dichtungen, Dämmstoffen, Zementfaserplatten, Dacheindeckungen und in vielen weiteren Materialien und Bauteilen enthalten sein. Wird gesägt, gebohrt, geschliffen, werden Bodenbeläge herausgerissen, Wände geschlitzt, geöffnet, so werden die lungengängigen Fasern freigesetzt. Bei Spritzasbest, vorwiegend in Fahrstuhl- und Installationsschächten verwendet, geht das noch schneller, da dort die Fasern nur schwach gebunden sind. Aufgrund ihrer geringen Größe bleiben sie bis zu 24 Stunden in der Luft, erläuterte Dr. med. Thomas Solbach auf der Pressekonferenz, Arbeitsmediziner bei der BG BAU, der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.
Praxistauglicher Schutz möglich
Michael Kirsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der BG BAU, stellte zugleich klar, dass die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen den Modernisierungsmaßnahmen nicht entgegenstehen: „Praxistauglicher Schutz ist möglich.“ Dieser Schutz erfolge etwa mittels Atemmasken, Schutzanzügen, Absaugvorrichtungen und Luftreinigern. Die Kosten hielten sich in Grenzen. Vor allem die Arbeitgeber in der Bauwirtschaft seien diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen, so die Gewerkschaftsvertreter. Als Betroffener sprach Wolfgang Leihner-Weygandt vom hessischen Regierungspräsidium in Darmstadt, gelernter Maurer, der schon in frühen Jahren mit asbesthaltigen Baustoffen in Berührung gekommen und an Lungenkrebs erkrankt war. Der heute 69-Jährige appellierte an alle Ausführenden, „staubfrei oder staubarm“ zu arbeiten. Hier gebe es leider noch „extremen Nachholbedarf“.
In ihrer bei der Pressekonferenz vorgestellten Asbest-Charta fordert die IG BAU aus den genannten Gründen einen Asbest-Gebäudepass und ein Asbest-Kataster (damit Handwerker und Heimwerker wissen, womit sie es zu tun haben), eine Sanierungs- und Abwrack-Prämie für belastete Häuser (zum Beispiel in Form eines KfW-Förderprogramms „Asbest-Sanierung“). Darüber hinaus sollte es einen Gipfel zum Thema von Bund, Ländern und Kommunen geben, eine Informations-Offensive „Asbest auf dem Bau“ sowie intensivere staatliche Arbeitsschutz-Kontrollen.