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Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung: Flexibel arbeiten, aber richtig

Dörte Neitzel

Im September 2022 stellte das Bundesarbeitsgericht klar: Unternehmen haben eine Pflicht zur Zeiterfassung ihrer Mitarbeiter. Nicht alle Betroffenen waren darüber erleichtert und witterten den Tod der sogenannten Vertrauensarbeitszeit, wahlweise auch eine Dauerkontrolle durch die Stempeluhr. Was ist dran? Ist Vertrauensarbeitszeit trotz Pflicht zur Arbeitszeiterfassung noch möglich? 

Was ist Vertrauensarbeitszeit?

Vertrauensarbeitszeit ist die wohl flexibelste Form der Arbeitszeit. Sie bedeutet, dass sich Arbeitnehmende ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Das heißt, Beschäftigte gestalten die vertraglich festgelegte Wochenarbeitszeit eigenverantwortlich.

Die Vorteile liegen ganz klar in der größeren Flexibilität und dem Mehr an Freiraum, den Arbeitnehmende erhalten. Der Arbeitgeber bestimmt also nicht Anfang und Ende der Arbeitszeit, kontrolliert aber sehr wohl die Leistungen seines Angestellten. Oft dienen dafür Zielvereinbarungen, deren Erreichen regelmäßig abgeglichen wird. Die Kontrolle des Arbeitgebers beschränkt sich bei der Vertrauensarbeitszeit also auf die eigentlichen Arbeitsergebnisse des Arbeitnehmers. 

Das heißt aber auch, dass die Personalabteilung oder der Chef eines Betriebs keinen Ein- oder Überblick über die gearbeiteten Stunden (Minus- oder Überstunden) sowie Pausen seiner Mitarbeiter hat. Damit sind sie im Dilemma, denn sie sind dafür verantwortlich, dass die Angestellten die Gesetze zum Arbeitsschutz einhalten, vor allem im Hinblick auf Arbeitszeit und Pausenzeiten. 

Was besagt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts?

Der Fall, der 2022 vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG9 behandelt wurde, ging ursprünglich um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung von Zeiterfassung zusteht. In diesem Beschluss hatten die Richter „en passant“ klargestellt, dass es in Deutschland bereits die Pflicht zur Zeiterfassung gibt (Az.: 1 ABR 22/21). Bereits drei Jahre zuvor hatte der EuGH entschieden, dass zum Schutz der Mitarbeiter vor zu langer Arbeitszeit eine Zeiterfassung einzuführen ist.

In der Begründung des BAG heißt es, dass Arbeitgeber ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" einführen müssen. Dieses muss geeignet sein, die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit zu messen. Gesetzliche Vorgaben, in welcher Form die Zeiterfassung erfolgen soll, gibt es allerdings nicht und diese lassen sich auch nicht aus den Urteilen ablesen.

Fazit: Offiziell gilt die Pflicht bereits, dennoch existiert aktuell noch kein Gesetz, das allgemein verbindliche und verlässliche Rahmenbedingungen vorgibt.

Wie soll das deutsche Arbeitsrecht geändert werden? 

Im April 2023 gelangte über ein Leak ein Referentenentwurf für ein neues Arbeitszeitgesetz an die Öffentlichkeit. Dieser besagt, dass vom Grundsatz her alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitszeit erfassen müssen. Ausnahmen soll es nur für einige geben. Diese Ausnahmen könnten für Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag gelten, dann aber nur, wenn "die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann".

Dies treffe beispielsweise zu auf "Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler", die nicht verpflichtet seien, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, "sondern über den Umfang und die Einteilung ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können", so der Entwurf. Mit dieser Klausel erfüllt der Gesetzentwurf sowohl die Vorgaben des EuGH als auch des BAG, fällt aber strenger aus. 

Auf welchem konkreten Weg die Arbeitszeit erfasst werden soll, regelt das Papier nicht. Seit dem geleakten Entwurf hat das BMAS keine weitergehenden Informationen veröffentlicht oder einen offiziellen Referentenentwurf vorgestellt. Auch auf der Agenda des Bundestags taucht das Thema für 2024 nicht auf. Experten gehen daher davon aus, dass sich die Umsetzung des Gesetzesvorhabens noch eine Weile hinzieht. 

Ist Vertrauensarbeitszeit noch möglich trotz Arbeitszeiterfassung?

Basierend auf dem geleakten Referentenentwurf soll Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich sein. Allerdings ist die Definition von Vertrauensarbeitszeit in dem Papier eine andere als die gängige Vorstellung von gegenseitigem Vertrauen ohne Zeiterfassung. Der Entwurf versteht unter Vertrauensarbeitszeit, dass der Arbeitgeber darauf verzichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorzuschreiben. Die Arbeitszeit zu erfassen, bleibe aber verpflichtend. Diese Aufgabe kann der oder die Vorgesetzte übernehmen, er darf das aber auch an den Beschäftigten delegieren. Eine Form wird nicht vorgegeben, es sind also auch selbstgemalte Stundenzettel möglich. Wird der Passus nicht noch geändert, betrifft das aber wohl nur Unternehmen mit Tarifvertrag und dann auch nur Führungskräfte und andere wenige Ausnahmen.

Vertrauensarbeitszeit: Welche aktuellen Regelungen gelten?

Bis auf weiteres gelten also die „alten Regeln“ zum Thema Vertrauensarbeitszeit. Dabei ist zu beachten: Auch nach dem aktuellen Arbeitszeitgesetz ist Arbeitszeiterfassung per se Pflicht.

Das heißt: Es gibt eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht, die auch bei der Vertrauensarbeitszeit gilt. Allerdings nur dann, wenn ein Angestellter mehr als acht Stunden an einem Tag arbeitet. Laut Arbeitszeitgesetz müssen alle Überstunden nach den geleisteten acht (bzw. zehn) Arbeitsstunden erfasst und zwei Jahre aufbewahrt werden.

Diese Überstunden können Mitarbeiter auch bei der Vertrauensarbeitszeit abbauen. Wann und in welcher Form der Überstundenabbau stattfindet, sollte bereits im Voraus oder bei Einführung der Vertrauensarbeitszeit vereinbart und schriftlich festgehalten werden.

Was muss ein Arbeitsvertrag zum Thema Vertrauensarbeitszeit beinhalten?

Bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages sollten Chefs und Angestellte auf einige rechtssichere Formulierungen achten, wenn sie Vertrauensarbeitszeit wirksam vereinbaren wollen. Beispiele dafür sind: 

  • Die wöchentliche / monatliche Arbeitszeit beträgt xx Stunden und ist verteilt auf die folgenden Wochentage: zum Beispiel Montag bis Freitag oder auch als 4-Tage-Woche gestaltet.
  • Der Arbeitnehmer ist nicht an feste tägliche Arbeitszeiten gebunden.
  • Der Arbeitnehmer dokumentiert seine tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich. Diese Aufzeichnungen über die Arbeitszeit sind jeweils zum (hier Datum einfügen) vorzulegen.
  • Der Arbeitnehmer wird die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere die tägliche Höchstarbeitszeit gemäß § 3 ArbZG sowie die Ruhezeit gemäß § 5 ArbZG einhalten. 
  • Überstunden dürfen nur auf Anordnung der Arbeitgeberin oder mit deren vorheriger schriftlicher Zustimmung geleistet werden. 

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