Mitarbeiter finden und binden: 7 Erfolgsfaktoren für die Praxis
Die besten Mitarbeiter gehen zu den besten Firmen. Als Folge jammern Chefs, Handwerkskammern und Innungen über Fachkräftemangel, demografischen Wandel und andere Widrigkeiten. Doch das sind Ausreden. Als ehemaliger Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes weiß Jörg Knoblauch, wovon er redet. Für sein Buch „Das Geheimnis der Champions“ hat er mit seinem Kollegen Benjamin Kuttler weltweit mehr als 1.000 Unternehmen recherchiert. Sie gingen der Frage nach, was die Erfolgsfaktoren in der Personalarbeit sind.
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Nicht nur im Silicon Valley, auch in Ostwestfalen, auf der Schwäbischen Alb oder in Schleswig-Holstein gibt es Handwerksbetriebe, die mit einer pfiffigen Personalpolitik die besten Mitarbeiter finden und binden. Die folgenden 7 Erfolgsfaktoren zeigen, worauf es ankommt.
1. Fokussierung auf A-Mitarbeiter
Knoblauch ist leidenschaftlicher Verfechter der Einteilung in ABC-Mitarbeiter. Ein erfolgreiches Unternehmen benötigt mindestens 80 Prozent A-Mitarbeiter: Das sind Mutmacher, die mit Herz, Hand und Verstand dabei sind. Sie übertreffen die gesteckten Ziele, sind überdurchschnittlich engagiert und erfolgreich. Und: Letztlich schießen sie für ihren Chef die Tore. Sie sind die Messis und Ronaldos des Handwerks. Dagegen sind die Cs ein andauernder Chancentod, wenn sie nicht sogar ins eigene Netz treffen.
Diese Einteilung vertreten auch prominente Firmenchefs wie Larry Page. Der Google-Chef sieht es als seine wichtigste Aufgabe an, herausragende Mitarbeiter einzustellen. Hat der Google-Chef keine anderen Sorgen? Seine Antwort: „Nein, denn damit verdiene ich mein Geld.“ Es gilt eine einfache Faustregel: Sie können den A-Mitarbeiter gar nicht überbezahlen, und der C-Mitarbeiter – egal, was er verdient – ist zu teuer.
2. Systematische Mitarbeiterbeurteilung
In einem einfachen Leistungsbeurteilungsbogen können Punkte wie Fachkenntnis, Weiterbildung, Einsatzbereitschaft oder Freundlichkeit beurteilt werden. Mitarbeiter und Führungskraft füllen das Blatt anhand der Noten 1 bis 5 unabhängig voneinander aus. Eigen- und Fremdbild sind dann die Grundlage für das jährliche Mitarbeitergespräch, in dem die Leistung beurteilt, die berufliche und persönliche Entwicklung besprochen und eine gezielte Weiterbildung geplant werden.
3. Exzellente Führungskräfte
Es hat sich gezeigt, dass zu 70 Prozent der Chef für den Niedergang eines Unternehmens für verantwortlich gehalten wird. Als Konsequenz drehen erfolgreiche Unternehmen den Spieß alle zwei, drei Jahre um: Jetzt dürfen die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten beurteilen. Auch den Inhaber. Knoblauch hat dies in seinem Unternehmen ebenfalls gemacht. Und seine erste Beurteilung war lediglich zwischen gut und befriedigend. Das war ihm viel zu wenig. Seine Quintessenz: „Auch ich als Chef muss mich weiterbilden und weiterentwickeln.“
Nach einem ähnlichen Prinzip wie die Mitarbeiterbeurteilung werden Führungskräfte nach ihren Fähigkeiten benotet. Kriterien sind zum Beispiel: Information über Firmenziele, Übermittlung von Informationen, Feedback von Mitarbeitern.
4. Mehrstufiger Einstellungsprozess
Führungskräfte müssen sich einer Beurteilung ihrer Mitarbeiter stellen, denn auch sie sind A, B oder C. Und nur die besten Führungskräfte werden die besten Mitarbeiter für sich gewinnen und an sich binden können. Bewerbung lesen und beurteilen, ein Gespräch führen und schnell den Arbeitsvertrag unterzeichnen – dieses Vorgehen ist fahrlässig. Bei Google führen neue Mitarbeiter bis zu 30 Gespräche mit einzelnen Kollegen, dem Team, unterschiedlichen Vorgesetzten und dem Chef. Denn der neue Mitarbeiter soll seine Fähigkeiten zusammen mit diesen Menschen einbringen. Die Chemie muss stimmen.
Dieses aufwendige Verfahren ist sicher nicht im kleinen Handwerksbetrieb sinnvoll, aber es zeigt die Richtung. Statt so viele Gespräche zu führen, können Inhaber den potenziellen Mitarbeiter ein, zwei Tage mitarbeiten lassen und sich die Eindrücke des Teams anhören. Jede Minute und jeden Euro, den Inhaber oder Geschäftsführer in die Rekrutierung von Mitarbeitern stecken, sparen sie mittelfristig um ein Mehrfaches. Denn: Weder gehen sie nach der ernüchternden Probezeit mit einem durchschnittlichen Bewerber wieder auf Mitarbeitersuche, noch geben sie Geld für Prozesse vor dem Arbeitsgericht aus.
Erstellen Sie ein klares Anforderungsprofil mit konkreten Zielen, aktivieren Sie Ihr Netzwerk, führen Sie Telefoninterviews, holen Sie Referenzen ein und vereinbaren Sie eine Probezeit mit Meilensteinen. Und beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in den Bewerbungsprozess mit ein. Die müssen mit dem Neuen zusammenarbeiten.
5. Work-Life-Blend
Dieser Ausdruck steht für schwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Der Arbeitsplatz wird ein Ort, an dem sich Mitarbeiter wohlfühlen und gewertschätzt werden wollen. Die Wertschätzung für die Mitarbeiter kann sich ganz verschieden ausdrücken. So beginnen beispielsweise die Tage bei einem Luxemburger Handwerker mit einem gemeinsamen Frühstück von Verwaltung, Vertrieb und Monteuren. Die geben abends ihre Arbeitskleidung in der Firma ab und erhalten sie morgens frisch gewaschen wieder zurück. Außerdem kümmert sich eine Mitarbeiterin um Geburtstage, Mitarbeiterkinder und die Fun-Tage. „Familienbetrieb“ ist dort keine leere Floskel.
6. Entscheidungsfreiheit für Mitarbeiter
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlecht“, sagt Ricardo Semler7 Tipps ais, Gründer von Semco. Chefs müssen ihren A-Mitarbeitern größere Entscheidungsfreiheiten geben, denn die wissen an ihrem Arbeitsplatz oft besser, was zu tun ist, als die Führungskraft, die mit anderen Aufgaben beschäftigt ist. Gerade im Handwerk müssen Sie sich auf Ihre Mitarbeiter und deren Arbeitsqualität verlassen. Sie können nicht jede Fuge und jede Schraube kontrollieren. Oder Sie machen Ihren Job bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter nicht richtig.
7. Werte machen wertvoll
Je mehr Freiheiten einzelne Mitarbeiter haben, desto mehr sind Werte ein Kompass, der Orientierung gibt. Entscheidend: Gemeinsame Werte werden nicht für die Ewigkeit definiert, um sie als Leitbild an die Wand zu hängen oder ins Internet zu stellen. Es ist wichtig, wirklich an den Werten zu arbeiten, diese im Alltag zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
Dieser Beitrag von Jörg Knoblauch ist zuerst erschienen in photovoltaik/10-2016. Jörg Knoblauch ist Buchautor und Unternehmensberater. In seinem jüngsten Buch gibt er gemeinsam mit seinem Co-Autor Benjamin Kuttler inspirierende Einblicke in Personalführungskonzepte großer internationaler Unternehmen, die auch im Mittelstand und Handwerk adaptiert werden können.