PV und E-Flächenheizung: Niedrigenergiehaus ohne Zentralheizung
Die Bundesregierung hat zum Ziel, dass ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die einen Anteil von 65 % erneuerbaren Energien aufweisen. Kritik kommt nun von allen Seiten, die vereinbarte Technologieoffenheit sei nur eine vermeintliche, letztendlich laufe doch alles auf die Wärmepumpe hinaus. Dass es auch anders geht, zeigt ein Niedrigenergiehaus-Neubau im westfälischen Oelde.
Ganz klarer Heizungsfavorit der aktuellen Bundesregierung unter den Erneuerbaren ist die Wärmepumpe. Doch in der Wärmewende geht es immer auch um zwei weitere Aspekte: dass überhaupt weniger Energie benötigt wird (dämmen) und dass die Energieverteilung optimiert wird (z. B. über einen hydraulischen Abgleich). Folgerichtig gehen z. B. neben dem Einsatz von erneuerbaren Energien die gesetzlichen Effizienz-Standards immer mehr in die Richtung sehr gut gedämmter Gebäude. Selbst der KfW-40-Standard wird heute nur noch unter bestimmten Bedingungen gefördert.
Bemerkenswerte Bauweise
Ein hervorstechendes Beispiel im Rahmen des skizzierten Kontexts ist ein vor einem Jahr im westfälischen Oelde errichtetes Niedrigenergiehaus. Bei dem Objekt handelt es sich um ein Einfamilienhaus mit 155 m² Nutz- und Verkehrsfläche, das in Massivholzbauweise gebaut wurde.
Die Massivholzwand aus Fichte hat eine Wandstärke von 200 mm. Die Holzbauweise besitzt bemerkenswerte Eigenschaften, hier nur ein Beispiel: Die Wärmeleitfähigkeit des verwendeten Materials beträgt laut Hersteller 0,07 W/(mK). Zum Vergleich: Lochziegel kommen im Durchschnitt auf etwa 0,45 W/(mK) bei einem Gewicht von 650 kg/m3. Die Massivholzwand kommt auf ein spezifisches Gewicht von 450 kg/m3.
Trotzdem besitzt sie eine hohe Belastbarkeit: Es können Gebäude mit mehr als drei Stockwerken realisiert werden. In Oelde wurden Bio-XLam-Massivholzwände von Ligna Construct verbaut, ein Hersteller aus St. Pankraz in Südtirol, der heimisches Gebirgsholz aus einem Umkreis von 100 km zu leimfreien Massivholzwänden verarbeitet.
PV-Anlage und Durchlauferhitzer
Das Haus wurde seinerzeit über das Förderprogramm KfW-40-Plus gefördert. Das zeugt von seinem hohen Effizienzstandard und noch einer anderen Sache: Bei diesem Teilprogramm der KfW-Förderung müssen im Unterschied zur KfW-40-Förderung zusätzlich Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gebäudenah installiert werden, was hier mit einer Photovoltaik-Anlage (PV) auf dem Dach erfüllt worden ist.
In diesem Fall befindet sich auf den beiden Dachflächen eine vergleichsweise große PV-Anlage mit 24 kWp, die mit einem Solarstromspeicher kombiniert wurde. Der Solarstromspeicher soll vorrangig das Haus und die elektrische Fußbodenheizung versorgen. Ein E-Auto ist langfristig geplant. Eine Ladestation ist entsprechend eingerichtet. Die Warmwasserversorgung übernimmt ein zentral im Haus installierter Durchlauferhitzer (18 kW Leistung). Einen klassischen Pufferspeicher gibt es so in diesem Konzept nicht. Es gibt in diesem Haus keine Zentralheizung, keine Wärmepumpe und allein nur noch einen Ofen.
Fußbodenheizung ist die „Zentralheizung“
Im Niedrigenergiehaus in Oelde wurde die elektrische Fußbodenheizung als „Zentralheizung“ konzipiert. Die Photovoltaik-Anlage wird hier immer in Kombination mit der Fußbodenheizung (Flächenheizung) gesehen. Mit den Erlösen aus dem jährlichen Überschuss durch die Einspeisung ins Netz soll der Zukauf an Strom im Winter möglichst gedeckt werden.
Das Ziel: Das Wärmekonzept soll sich, wenn möglich, bei geringem Wartungsaufwand selbst tragen, bzw. wenn es weiterhin so milde Winter gibt, sogar einen Überschuss produzieren. Unterstützt wird dieses Konzept durch eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die per Strom erzeugte Raumwärme wird beim Lufttausch von der Abluft auf die Zuluft übertragen. Heutige Systeme am Markt schaffen Rückgewinnungsraten von 90 % und mehr.
Blick auf das System
Konkret verbaut wurde in Oelde das elektrische Flächenheizungssystem TempusVolt Pro von Herotec. Bei TempusVolt Pro sind die Heizleiter auf einem Glasfasergewebe bereits fixiert und die Heizmatten werden montagefertig geliefert.
Beim Einsatz dieser elektrobetriebenen Flächenheizung entfallen, wie auch bei der Wärmepumpe, herkömmliche Brennstoffe komplett. Es bedarf keines Lagerraums, keines Heizraums (z. B. für einen Pufferspeicher) und keines Schornsteins mehr. Die notwendige Infrastruktur und der Raumbedarf sind also reduziert – was im Neubau mit seinen mittlerweile sehr hohen Baukosten pro Quadratmeter zunehmend zum Pluspunkt wird. Die Wärmeversorgung erfolgt außerdem schnell, die Bedienung ist einfach und es wird nur ein Stromanschluss benötigt.
TempusVolt Pro ist überdies eine Estrich-Heizmatte. Estrichheizmatten nutzen den Boden eines Objekts als Wärmespeicher. Das kommt vor allem den PV-Anlagen-Betreibern zugute, denn sie können darüber ihren selbst erzeugten Strom in Form von Wärme zu einem gewissen Teil im Baukörper erstmal zwischenspeichern, statt ihn zu schlechteren Konditionen ins öffentliche Stromnetz abzugeben.
Gestehungskosten & Grünstrom
Die Gestehungskosten für selbst erzeugten PV-Strom liegen aktuell bei 8 bis 12 ct/kWh, Tendenz fallend. Das Ganze wird zum Rechenexempel aus Kosten der Eigenversorgung im Vergleich zu vermiedenen Strombezugskosten. Aus Energiewende-Sicht indes machen alle strombasierten Wärmeversorgungssysteme nur dann Sinn, wenn sie mit Grünstrom betrieben werden, die elektrische Flächenheizung macht da keine Ausnahme. Eigenstrom dafür zu nutzen ist nicht nur der direkteste und unmittelbarste, sondern auch der sicherste Weg, sich von der weiteren Strompreisentwicklung abzukoppeln.
Interessant ist auch der Vergleich dann zum Alternativ-Szenario, wenn eine Wärmepumpe statt der elektrischen Fußbodenheizung als zentrales Heizsystem eingebaut worden wäre. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der Fußbodenheizung ungefähr so viel Strom verbraucht, wie eine Wärmepumpe auch benötigen würde. Deutlich niedriger sind allerdings die Anschaffungskosten der elektrischen Fußbodenheizung im Vergleich zu denen einer Wärmepumpe plus Wärmeverteilsystem.
Fazit: Man kann auch anders denken
Nicht erst seit jüngster Zeit gibt es die Diskussion zwischen den beiden Lagern Photovoltaik und Solarthermie zu der Frage, wie man die Sonne am besten zur Bereitstellung von Wärme nutzt. Tenor der Kritiker ist, dass Solarstrom zur Wärmeversorgung viel zu wertvoll wäre. Andererseits ist Solarstrom vielseitiger einsetzbar als Solarwärme. Die Elektrifizierung des Wärmesektors wird politisch und in der Folge auch von Seiten der Industrie in Form von Wärmepumpen-Lösungen derzeit massiv vorangetrieben.
Den Kritikern ist Recht zu geben, dass diese Lösung nicht in jedem Fall passt. In den vergangenen Wochen gab es hitzige Debatten in der Politik und auch in der Öffentlichkeit über die sogenannte 65-Prozent-Regelung. Zum einen deshalb, weil diese Regelung praktisch auf das Aus für Gas- und Ölbrennwertheizungen hinausläuft. Zum anderen aber auch darüber, welche Alternativen dann noch bleiben. So sind Holzfeuerungen beispielsweise in der Politik umstritten.
Einmal ganz anders zu denken regt das realisierte Beispiel in Oelde an, nämlich auf eine Zentralheizung ganz zu verzichten und mit dem Strom vom Dach die elektrische Flächenheizung zu betreiben, welche die gewünschte Raumwärme dann bereitstellt.