Heizungsprüfer Habeck: Scheitert die Durchführung seiner Gasspar-Verordnung in der Praxis?
Auch im Blaumann könnte Robert Habeck eine gute Figur machen – zumindest optisch und/oder wenn es ans Erklären geht. Die abgebildete Karikatur, mit der typischen, umgangssprachlichen Gleichsetzung von Klempner und Anlagenmechaniker SHK, stammt aus der ARD-Polit-Satiresendung „Extra 3“ vom 1.9.2022. Inhaltlich ging es dabei um die öffentliche Kritik am Bundeswirtschaftsminister und seinen handwerklichen Fehlern bei der Gasumlage. „Er ist eben auch kein Handwerker. Robert Habeck ist Philosoph und Schriftsteller“, witzelte „Extra 3“-Moderator Christian Ehring.
Die „Heizungsprüfung“ ist nur ein „Heizungs-Check light“
Handwerkliche Fehler bzw. Ungereimtheiten enthält auch die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV), die am 1.10.2022 in Kraft treten soll und bis zum 30.9.2024 befristet ist. Die Zustimmung im Bundesrat scheint nur noch Formsache zu sein, weil die maßgebenden Ausschüsse dies bereits empfohlen haben.
Ziel der Verordnung ist es, unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden und eine Gas-Mangelsituation zu verhindern bzw. abzumildern. Dazu verpflichtet sie Eigentümer von Erdgasheizungen innerhalb von zwei Jahren ihre Anlagen prüfen und bei Bedarf optimieren zu lassen. Bei Erdgaszentralheizungen in Mehrfamilienhäusern (ab sechs Wohneinheiten) sowie in bestimmten Nichtwohngebäuden (ab 1000 m² beheizter Fläche) kommt eine Pflicht zum hydraulischen Abgleich hinzu.
Auf den ersten Blick erscheint das Vorhaben mit Blick auf die Erdgas-Knappheit sinnvoll. Doch im Detail hapert es. Auffällig ist, dass die Verordnung den Begriff „Heizungsprüfung“ anstatt „Heizungscheck“ bzw. „Heizungs-Check“ verwendet. Warum? Weil der Heizungs-Check (2.0) vom ZVSHK ein systematisches Verfahren zur energetischen Bewertung einer kompletten Heizungsanlage ist – vom Thermostatventil bis zum Wärmeerzeuger und zur Warmwasserbereitung. – standardisiert nach dem Nationalen Anhang zur DIN EN 15378.
Die vom BMWK vorgesehene „Heizungsprüfung“ ist eine Art „Heizungs-Check light“, dem etwas ganz Wesentliches fehlt: Der Check des Wärmeerzeugers selbst! Denn der Fachmann muss lediglich prüfen, „ob die zum Betrieb einer Heizung einstellbaren technischen Parameter für den Betrieb der Anlage zur Wärmeerzeugung hinsichtlich der Energieeffizienz optimiert sind.“
Nachhaltig wäre eine Eigentümer-Beratung zur Heizungssanierung
Selbstredend lässt sich auch ein 20, 25 oder über 30 Jahre altes Wärmeerzeugungssystem energetisch verbessern. Doch nachhaltig und zielführend ist das nicht: Weder mit Blick auf den zeitlichen und finanziellen Beratungsaufwand, noch auf die drängende erneuerbare Wärmewende.
Wenn schon ein riesiger organisatorischer Aufwand vom BMWK verordnet wird, warum soll dann der Eigentümer nicht darüber informiert werden, wie (in)effizient sein überaltertes, fossiles Heizsystem generell arbeitet? Daran könnte sich dann (optional und eventuell zeitlich später) ein Beratungsgespräch über die Wärmerzeugungs-Sanierungsmöglichkeiten anschließen – insbesondere mit Blick auf die Einbindung oder den Komplettumstieg auf erneuerbare Energien. Angesichts explodierender Energiepreise sind sehr viele Hausbesitzer ohnehin schon stark motiviert, ihre Kessel-Oldies auszutauschen.
Und so eine frühzeitige Beratung wäre gerade für die von der Bundesregierung präferierte Elektro-Wärmepumpe ein entscheidender Baustein hinsichtlich einer einfacheren und rascheren Installation in der Zukunft – bis die Produktverfügbarkeit wieder gegeben ist und auch Installationskapazitäten verfügbar sind. Die Eigentümer könnten dann die (Warte-)Zeit nutzen, um Gebäude und Anlage auf den vom Ifeu vorgeschlagenen NT-ready-Standard zu bringen. Dieses sehr sinnvolle Konzept soll den einwandfreien und kostengünstigen Betrieb von erneuerbaren Heizungen gewährleisten und auch für möglichst viele Gebäude möglichst einfach zu erreichen sein.
Vorschlag für die praktische Umsetzung: Um die Zahl der (vorausschauenden) Eigentümerberatungen effizient zu gestalten, könnte der Verordnungsgeber die Verpflichtung auf Gaskessel beschränken, die mind. 15 oder 20 Jahre alt sind. 15 Jahre würden sich vorausschauend dann anbieten, falls die im Gebäudeenergiegesetz (GEG)-Konsultationspapier ab 2024 vorgesehenen „verpflichtende Beratung“ zur Umsetzung käme. Und eine Kesselaltersgrenze von 20 Jahren wäre kompatibel mit dem Heizungstauschbonus des BEG EM für Gasheizungen.
Praxisfremde und willkürlich wirkende Ausnahmeregelungen
Laut §2 (5) des Verordnungstextes entfällt die Verpflichtung zur „Heizungsprüfung“ nur, „wenn innerhalb der vergangenen zwei Jahre vor dem 1. Oktober 2022 eine vergleichbare Prüfung durchgeführt und kein weiterer Optimierungsbedarf festgestellt worden ist.“ Warum ausgerechnet ein Zweijahreszeitraum für die Ausnahmeregelung gewählt wurde, ist sachlich nicht nachvollziehbar. Denn generell kann auch ein älteres Heizsystem optimal betrieben und hydraulisch abgeglichen sein. Dies trifft vor allem dann zu, wenn der Wärmeerzeuger erneuert und das System einreguliert wurde oder eine (geförderte) Heizungsoptimierung stattgefunden hat. Handlungsbedarf gäbe es prinzipiell danach nur, falls die Gebäudehülle energetisch verbessert wurde, das Heizsystem geändert/erweitert wurde oder eine räumliche Umnutzung stattgefunden hat.
Und auch Eigentümer, die im Verordnungszeitraum eine Heizungsmodernisierung planen und die Förderung beim BAFA beantragen oder schon beantragt haben, müssten für Maßnahmen bezahlen, die sich (eventuell) nicht amortisieren – sofern die Umsetzung der Heizungssanierung nicht bis zum Stichtag 30.9.2024 klappt.
Die Ausnahmeregelungen zur Pflicht eines hydraulischen Abgleichs für MFH und NWG nach § 3 sind hier besser formuliert. Doch angesichts des hohen Aufwands ist die sechs Monatsfrist (bezogen auf die beiden Stichtage) für geplante Dämmmaßnahmen oder einen Wärmeerzeugeraustausch wesentlich zu kurz und nicht praxisgerecht gewählt.
Pragmatisch wäre z. B. eine Verordnungs-Regelung gewesen, die lediglich Hauseigentümer mit Erdgasheizungen zur Prüfung, Optimierung und zum hydraulischen Abgleich verpflichtet, deren Wärmerzeuger 15 bzw. 20 Jahre alt ist (siehe oben) – und wo noch kein BEG-Antrag vorliegt und wo keine nachweisbaren Optimierungsmaßnahmen (z. B. in den letzten fünf Jahren) durchgeführt wurden – sofern sinnvoll notwendig (siehe oben). Durch diese Regelungen würde die Zielgruppe eingegrenzt und die Umsetzung der Verordnung beschleunigt – was nicht nur effektiver, sondern auch effizient(er) wäre, weil die ältesten Anlagen mit den statistisch größten Gaseinsparpotentialen zuerst bzw. rascher optimiert würden.
Unrealistisch: Hauseigentümer sollen in 7 Minuten ein Angebot finden
Von den ca. 14 Mio. Erdgasheizungen dürften schätzungsweise 12,5 Mio. unter die Prüfpflicht fallen; hinzu kommen noch mehrere Millionen Anlagen mit Optimierungsbedarf. Und das soll in einem Zeitraum von nur zwei Jahren umgesetzt werden. Die Durchführung der „Heizungsprüfung“ ist sicherlich am einfachsten, falls für die Heizungsanlage vom 1.10.2022 bis zum 30.9.2024 entweder ein Wartungsvertrag besteht oder der Schornsteinfegerbesuch ansteht – und falls die Akteure sich dazu bereit erklären. Doch was ist, wenn das nicht klappt? Wie praxisfremd die Umsetzung der Verordnung in diesem Fall kalkuliert wird, zeigt sich in der Begründung, die sich an den Verordnungstext anschließt. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass der Auftraggeber/Heizungseigentümer „7 Minuten für das Auffinden eines Angebotes im Internet und für die Vereinbarung eines Termins mit einem Bezirksschornsteinfeger, Handwerker oder Energieberater benötigt“.
Ohne zentrale Angebotsplattform im Internet ist dies absolut unrealistisch. Die „klassische“ Suche per Internet, E-Mail oder Telefon würde nicht nur wesentlich zeitaufwendiger, sondern könnte sehr wahrscheinlich zu viel Ärger und Frust bei allen Beteiligten führen: Zum einen hat nicht jeder angefragte, fachliche Akteur Interesse oder Zeit, eine „Heizungsprüfung“ durchzuführen. Zum anderen müssen Auftraggeber/-nehmer noch den Aufwand und die Preisfrage miteinander klären, denn jeder Anbieter kalkuliert ja individuell. Und dann müssen noch gemeinsam verbindliche Termine vereinbart und auch eingehalten werden – was bei hohen Corona-Fallzahlen kritisch sein könnte.
Ergeben die „Heizungsprüfungen“ einen Optimierungsbedarf, dürften Folgetermin-Vereinbarungen notwendig werden. Dabei könnte sich ein Problem für den Hauseigentümer ergeben: Nicht jeder Heizungsprüfer wird die praktische Umsetzung machen wollen oder ist schlicht handwerklich oder ausrüstungstechnisch auch gar nicht in der Lage dazu. Dann geht die mühevolle Suche nach einem „willigen“ Fachbetrieb von vorne los (inklusive Angebotsphase).
Welche zusätzlichen Schwierigkeiten auf die Fachleute zukommen könnten, wurde bereits hier skizziert.
Dies alles kann dazu führen, dass die Hauseigentümer aus Frust die Suche abbrechen und nichts tun – oder im besten Fall bestimmte Optimierungsmaßnahmen selbst in die Hand nehmen.
Fazit: Weniger wäre mehr!
Gassparen ist zweifelsohne das Gebot der Stunde. Doch eine Verordnung,
- die 12,5 Mio. Erdgasheizungen in einem Zeitraum von zwei Jahren betrifft,
- die handwerkliche (Denk-)Fehler bezüglich der Umsetzung enthält und
- die Beratungschancen im Hinblick auf die erneuerbare Wärmewende ungenutzt lässt,
ist aus meiner Sicht ein zu teures und zu zeitaufwendiges Projekt mit zweifelhaftem Nutzen. Weil Hauseigentümer und Fachbetriebe wohl in Eigeninitiative zueinander finden und miteinander über die Preise verhandeln müssen, besteht ein großes Risiko, dass das Mammutprojekt am Zeitaufwand und am Ärger und Frust aller Beteiligten scheitern könnte.
Letztlich bindet die zu breit angelegte Gasspar-Verordnung wertvolle Zeitressourcen von Fachkräften, die eher so rasch wie möglich neue und erneuerbare Heizsysteme, Photovoltaikanlage etc. installieren oder sich Energieberatungsprojekten widmen sollten.
Und falls eventuell doch aufwendigere Optimierungsmaßnahmen (hydraulischer Abgleich, Pumpentausch, Rohr-/Armatur-Dämmung, neue Thermostatventile etc.) millionenfach zur Umsetzung kämen, könnte eine Flut von BEG EM-Anträgen zur Heizungsoptimierung das BAFA noch mehr überlasten – oder schlimmstenfalls sogar temporär lahmlegen.
Und es besteht noch ein ernst zu nehmendes Risiko: Je nachdem wie „hart“ die noch fehlenden ordnungsrechtlichen Bestimmungen ausfallen, könnte es gezielt kostengünstige Internet-Angebote von „geschäftstüchtigen“ Menschen geben, die den (gefrusteten) Hauseigentümern per „Ferndiagnose“ eine „Heizungsprüfungs“-Bescheinigung ausstellen – im besten Fall auf Basis von konkreten Infos zur Anlage durch den Eigentümer.
Effektiver und effizienter wäre ein überarbeitetes Verordnungskonzept, das sich auf mind. 15 oder 20 Jahre alte Heizsysteme fokussiert und praxisgerechte Ausnahmeregelungen sowie eine Modernisierungsberatung integriert (NT-ready). Davon würde auch die erneuerbare Wärmewende im Gebäudesektor profitieren.
Wie bereits vorgeschlagen, sollte das BMWK ergänzend in eine Infokampagne mit Experten investieren, die in Video- und Text-Tutorials ausführlich erklären und zeigen, wie Hauseigentümer, Bewohner und Mieter ihre Heizkosten wirksam kurz-, mittel- und langfristig senken können – und das auch unabhängig von der Art der Wärmeerzeugung.
Ein Kommentar von Jürgen Wendnagel. Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Wendnagel ist Freier Fachjournalist und schreibt seit 2016 regelmäßig Beiträge zu Energiethemen im TGA/SHK-Bereich auf haustec.de.