Photovoltaik-Massenproduktion in Europa kommt nicht zurück
Er ist schon eine verlockende Perspektive, der Neuaufbau einer kompletten Wertschöpfungskette für fair gehandelte Solarmodule in Europa. Es werden zahlreiche lokale Arbeitsplätze entstehen, wir Europäer behaupten unsere technologische Führerschaft und werden unabhängig von Importen aus Regionen der Welt, deren Wertekanon wir nicht verstehen, geschweige denn unterstützen wollen.
Leider wird es wohl auf absehbare Zeit ein nicht erfüllbarer Traum bleiben, ein vom Weihnachtsmann in diesem Jahr leider wieder nicht beachteter Wunsch auf dem Zettel.
Warum sich eine europäische PV-Produktion nicht lohnt
Warum, das lässt sich schnell zusammenfassen: die Modulpreise sind zu niedrig und machen keine Anstalten, in absehbarer Zeit signifikant zu steigen. Neuware aus den Bereichen ‚Mainstream‘ und ‚High Efficiency‘ haben sich erneut verbilligt, wenn auch zumindest bei den hocheffizienten Modulen eine Abschwächung des Trends zu erahnen ist.
Die Liefer-, aber auch die Produktionsmengen sind offenbar deutlich zurückgefahren worden, um ein weiteres Anwachsen des Lagerbestands in Europa zu vermeiden. So übersteigt bei einigen wenigen Produkten die Nachfrage schon wieder das Angebot und Auslieferungen verschieben sich ins kommende Jahr.
Anders sieht es allerdings bei Mainstream-Modulen aus, bei denen es sich vorwiegend um Produkte mit PERC-Zelltechnologie handelt. Hier gibt es bei vielen Händlern und Herstellern noch immer horrende Lagerbestände, die abgebaut werden müssen. Zu diesem Zweck werden beinahe jeden Tag neue Tiefpreisangebote in den Markt gestreut.
Aus diesem Grunde kann man momentan nur zu der Erkenntnis kommen, dass sich Investitionen in neue regionale Produktionsstätten, wo auch immer in Europa sie aufgebaut werden sollten, auf absehbare Zeit nicht lohnen.
Um preislich auch nur annähernd konkurrieren zu können, müssten die europäischen Produkte jahrelang subventioniert werden. Denn so schnell kann eine neue Fertigung gar nicht aufgebaut und skaliert werden, wie es der Wettlauf mit der allgegenwärtigen asiatischen Konkurrenz erforderlich machen würde. Zu groß ist bereits der Rückstand zu China, der sich zudem täglich vergrößert. Das Konzept der Economies of Scale funktioniert hier nicht mehr – andere Ideen müssen her!
Neue Ideen für PV abseits des Mainstreams
Die Kosten für ein solches Unterfangen wären ohnehin immens – mit ungewissem Ausgang. Bei einem Scheitern wäre unsere Situation noch desolater, als vor Beginn des Wettrennens der ungleichen Gegner. Ich plädiere daher für eine kreativere und intelligentere Herangehensweise.
Spezialanwendungen, auf die Regeln und Bedürfnisse der Baubranche angepasste Produkte, multifunktionale Systeme müssen entwickelt und zur Marktreife gebracht werden. Denn damit tun sich die großen, auf Effizienz und Kosteneinsparung getrimmten Hersteller aufgrund der oft komplexen und regional unterschiedlichen Anforderungen schwer.
Diese Ideenschmieden, diese kleinen und flexiblen Hersteller von Sonderlösungen gibt es allerdings schon zahlreich auf dem Kontinent. Warum nicht die kleinen aber feinen Manufakturen aus der Nische holen und mit dem ohnehin knapp bemessenen Etat soweit fördern und aufbauen, bis aus ihnen eine wirklich konkurrenzfähige Industrie entsteht - für intelligent angepasste Photovoltaik-Produkte abseits des Mainstreams.
Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit bald 30 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten für Neuinstallationen auch Solarmodule und Wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, die aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden.