Wie die Diskussion zur Übergewinnsteuer den Photovoltaik-Ausbau ausbremst
Die Preise für Solarmodule sind in diesem Monat zum ersten Mal seit Februar dieses Jahres wieder etwas gesunken. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits bremst die Wechselrichter-Knappheit bzw. die schlechte Verfügbarkeit elektronischer Bauteile den weiteren schnellen Zubau von Photovoltaik-Anlagen. Die Errichter haben ihre Lager voller Module, können diese aber nur eingeschränkt verbauen, wenn die zügige Fertigstellung der Gesamtanlage nicht gesichert ist. Weitere Module können sie bis auf Weiteres nicht gebrauchen und versuchen daher, die anstehenden Lieferungen möglichst weit hinauszuzögern. So bleiben die Großhändler und Hersteller auf Teilen ihrer Produkte sitzen, die sie dann versuchen müssen, anderweitig und gegebenenfalls mit Preisnachlass in den Markt zu bringen.
Mangelnde Planungssicherheit bleibt das größte Problem
Andererseits hat sich nach der ersten Freude über die positive Stimmung im Hinblick auf den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien in der europäischen Politik im Allgemeinen und über die Ankündigungen innerhalb des „Osterpakets“ der Bundesregierung im Speziellen Ernüchterung breitgemacht. Dass die Handelspreise an der Strombörse in ungeahnte Höhen schnellen, müsste dem Marktwachstum ja eigentlich zuträglich sein, den Zubau exponentiell beschleunigen. Es vergeht jedoch kein Tag, an dem nicht über ein neues Strommarktdesign oder eine Erhebung einer Übergewinnsteuer auch bei Betreibern von Photovoltaik-Anlagen diskutiert wird – unter Umständen sogar rückwirkend. Das erzeugt Unmut und vor allem Unsicherheit in der Branche. Was dem zügigen Photovoltaik-Ausbau nämlich immer schon am meisten geschadet hat, ist die mangelnde Planungssicherheit.
Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit größerer Anlagen?
Wie stellt sich die momentane Situation im Vergleich zu der vor dem Osterpaket und der aktuellen Entwicklung am Strommarkt eigentlich dar?
Früher gab es die im EEG festgeschriebene Einspeisevergütung über 20 Jahre, mit der man auskommen musste und die den Anlagenbetreibern eine mehr oder weniger vorhersehbare Wirtschaftlichkeit und Rendite bescherte, je nachdem wie optimistisch oder konservativ projektiert wurde. Banken bauten ihre Risikoabwägung in der Regel auf eher konservativen Szenarien auf und standen mit einer entsprechenden Finanzierung zur Seite.
Heute ist die gesetzlich gesicherte Vergütungshöhe so gering, dass ein wirtschaftlicher Betrieb allein auf dieser Basis nicht mehr möglich ist, erst recht bei den momentanen Anlagenpreisen. Das ändert sich auch nicht wesentlich durch die neuesten Erhöhungen innerhalb des Osterpakets auf 8,1 Cent pro Kilowattstunde, der Vergütung für Dachanlagen zwischen 400 und 1.000 Kilowattpeak. Auch damit kann die Volleinspeisung also nur eine Fall-Back-Lösung sein.
Der wirtschaftliche Betrieb von mittleren bis großen Photovoltaik-Anlagen ist also nur noch innerhalb von Power Purchase Agreements (PPAs) oder der Direktvermarktung möglich. Der Marktwert Solar ist mit aktuell 30 bis 40 Cent pro Kilowattstunde schon ein Vielfaches höher, als die bereits erhöhte EEG-Vergütung. Die alles entscheidende Frage ist natürlich: Wie lange bleibt es so? Da die feste Einspeisevergütung nur noch als eine Art "Versicherung" gegen stark fallende Marktpreise dient, gibt es auch keinen Grund mehr für Kalkulation über nur 20 Jahre Anlagenbetrieb - die meisten Projektierer rechnen bereits mit 25 Jahren oder mehr. Dies ist jedoch eine sehr lange Zeit mit vielen Unwägbarkeiten. Theorien zur Entwicklung des zukünftigen Strompreises gibt es viele, doch an welche soll man sich halten?
Wie entwickelt sich der Strompreis?
Einige Annahmen gehen langfristig mit hohen Strompreisen von mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde aus, andere tragen der Zunahme von solaren Erzeugungskapazitäten Rechnung und kalkulieren mit Werten gegen Null. Wenn sehr viele Windkraftanlagen oder Solarparks gleichzeitig produzieren, ist der Strom ohne gigantische Speicherkapazitäten beziehungsweise Umwandlungsmöglichkeiten (Power-to-X) schließlich nichts mehr wert. Noch andere Theorien gehen von einem komplett veränderten Marktdesign aus, etwa „Flatrate“-Stromtarifen oder anderen progressiven Modellen – der Endkunde bezahlt nur noch für den Stromanschluss, aber es ist egal, wie viel Strom er tatsächlich verbraucht. Diese Idee basiert auf den Veränderungen im Mobilfunk- und Internet-Markt, in dem heute auch nur noch Verträge zu monatlichen Festpreisen üblich sind. Bereits seit Jahren wird in Deutschland und Europa auch die Einführung eines Kapazitätsmarktes diskutiert.
Die angekündigten Steuererleichterungen hingegen bringen in dem angesprochenen Segment, welches einen wesentlichen Anteil zur Erreichung der allgemeinen Ausbauziele beitragen wird und daher dringend unterstützt werden muss, leider auch nur wenige Vorteile. Stattdessen wird ein Marktsegment begünstigt, welches auch vor dem „Osterpaket“ schon sehr lukrativ und daher erfolgreich war. Die diskutierte Einkommensteuerbefreiung betrifft schließlich nur Anlagen kleiner 30 Kilowattpeak.
Der Grund, dass nicht noch mehr kleine Photovoltaik-Anlagen gebaut werden, liegt ja eher am gravierenden Mangel bei den verfügbaren Montagekapazitäten. Darüber hinaus betrifft es noch die Mehrfamilienhäuser, bei denen die Einkommensteuerbefreiung sogar bis 100 Kilowattpeak greifen soll. Dieses Marktsegment ist aufgrund anderer bürokratischer Hürden aktuell beinahe nicht existent und somit irrelevant. Das gleiche gilt dann auch für die Umsatzsteuerbefreiung für diese Anlagen. Ist nett gemeint, hilft aber nicht substanziell beim Erreichen der Ausbauziele. Hier müssen noch ganz andere Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit diese Projekte fliegen.
Branchenkontrolle würgt solide Entwicklung ab
Nun also die Diskussion um eine zusätzliche Besteuerung der gewerblichen und Investoren-Anlagen, die von den oben erwähnten Steuererleichterungen ja unberührt bleiben und die nach Jahren des knappen Kalküls und der Ernüchterung ihren Betreibern nun endlich einmal Spaß und eine schöne Rendite bringen. Selbst bei starker zeitlicher Begrenzung der Abschöpfung von sogenannten „Übergewinnen“ – was auch immer genau darunter zu verstehen ist – bleibt der fade Beigeschmack, dass diese Form der Besteuerung ja jederzeit wiedereingeführt werden könnte, je nachdem wie die politische Wetterlage ist und die Volkswirtschaft dasteht. Planungssicherheit auf Basis des Bestandsschutzes wäre damit auch in Deutschland dahin, wie es ja bereits in einigen europäischen Nachbarländern der Fall ist. Eine Projektierung und die damit verbundene Wirtschaftlichkeitsrechnung muss dann also in Zukunft mit vielen Variablen und großen Sicherheitsabschlägen durchgeführt werden.
Eine wesentliche Intention der Politik war ja schon immer, die durch günstige Bedingungen einsetzenden wirtschaftlichen Erfolge einer Branche oder Technologie unter Kontrolle zu halten und einen Wildwuchs und eine Überförderung zu vermeiden – so weit so verständlich. Das Vorhaben kann jedoch schnell nach hinten losgehen, wie wir an der Energiepolitik in Deutschland unter der Führung der CDU in den vergangenen 16 Jahren gesehen haben. Im schlimmsten Fall wird eine solide Entwicklung abgewürgt und eine ausgereifte, zukunftsweisende Technologie wie die Windkraft und die Photovoltaik klein gehalten.
Bis die Verantwortlichen dann merken, dass sie ohne einen dominierenden Anteil von erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieerzeugung nicht auskommen, ist es beinahe schon zu spät. Bitte lasst uns nicht schon wieder in diese Falle tappen. Den Akteuren in der Branche muss ausreichend Spielraum gegeben werden, dass notwendige Investitionen getätigt werden und der rasante Ausbau, wie wir ihn dringend brauchen, auch tatsächlich gelingt.
Über die Autoren
Tobias Kurth ist Gründer und CEO der DETO Solarstrom GmbH. Seit 2010 projektiert und errichtet er mit seinen Firmen Photovoltaik-Anlagen in Deutschland. Die DETO Solarstrom GmbH betreibt aktuell bundesweit rund 100 Megawattpeak Photovoltaik-Anlagen, hauptsächlich als Aufdachanlagen. Dafür pachtet die Firma große Dachflächen auf Landwirtschafts-, Gewerbe- und Industriegebäuden, aber auch Freiflächen. Seit 2021 verschiebt sich der Fokus dabei zunehmend von Volleinspeisungsanlagen zu integrierten Eigenverbrauchslösungen von Mieterstrom bis Energie-Contracting.
Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten für Neuinstallationen auch Solarmodule und Wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, die aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden.