Mit Abitur ins Handwerk: Ausbildungs- und Studienmodelle im Überblick
„Ambitionierte junge Menschen, die Führungsaufgaben übernehmen, ein Unternehmen gründen oder weiterführen möchten, finden in der Handwerksbranche dafür ausgezeichnete Perspektiven“, erklärt Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Neben spannenden Ausbildungsmodellen erhalten Personen mit Abitur oder Fachhochschulreife im Handwerk vielfältige Vorteile: Die Ausbildungsdauer kann um bis zu zwölf Monate verkürzt werden und bereits in der Lehre oder während eines dualen Studiums gibt es eine attraktive Vergütung.
Zusatzqualifikation Management im Handwerk (MiH)
Nach dem Abitur wollte Sven Kohlen aus Korntal-Münchingen beruflich etwas Praktisches machen und begann eine Tischlerausbildung mit der Zusatzqualifikation Management im Handwerk (MiH). „Die Entscheidung für die Lehre und gegen ein Studium war für mich die richtige“, erzählt der heute 26-jährige Tischler. Bei dem speziell für Abiturienten konzipierten Modell werden in der Berufsschule allgemeinbildende Fächer wie Deutsch, Gemeinschaftskunde oder Religion durch technisches Englisch, BWL und Recht ersetzt. Nach der Lehre haben die Nachwuchskräfte den Berufsabschluss, den Management-Assistent und ein Sprachzertifikat in der Tasche. „In dieser Zeit habe ich viel gelernt und auch die Mitschüler in der Klasse waren hochmotiviert.“ Die Zusatzqualifikation helfe, ein tieferes Verständnis für wirtschaftliche Hintergründe zu entwickeln. Wer eine Führungsposition anstrebt oder einen Betrieb gründen möchte, sammelt somit bereits in der Lehre wichtiges Managementwissen.
Ausbildung zum Ausbau-Manager
Drei Abschlüsse in dreieinhalb Jahren: Der Ausbaumanager bereitet ambitionierte junge Menschen auf Führungsaufgaben in Stuckateurbetrieben vor. „Mich hat begeistert, dass man so schnell den Gesellenbrief, den Meistertitel und wahlweise die Qualifikation zum Gebäudeenergieberater erhält“, erläutert Vienna Wiedmann, die im zweiten Lehrjahr ihre Ausbildung bei dem Unternehmen BRECHT. Stuckateur. Maler. in Plüderhausen absolviert. Bevor sie sich für das Handwerk entschied, belegte sie einen Masterstudiengang. „Im Studium hat mir einfach der Praxisbezug gefehlt.“ Zusätzlich zu den Inhalten der Stuckateurausbildung wird spezielles Managementwissen vermittelt, damit die Nachwuchskräfte optimal auf die Meisterprüfungen und die anschließende Arbeit als Führungskraft im Handwerk vorbereitet sind. Die Meisterprüfung wird nach der Gesellenprüfung im vierten Lehrjahr abgelegt. „Im Unterricht lernen wir viel Betriebswirtschaft – was für spätere Führungsaufgaben sehr hilfreich ist“, erklärt die 24-jährige Auszubildende aus Göppingen. Die Ausbildung sei optimal für Abiturienten und Studienabbrecher geeignet, die im Handwerk durchstarten möchten.
Studium BWL-Handwerk
Der sechssemestrige Bachelorstudiengang BWL-Handwerk an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg bietet einen spannenden Mix aus Betriebspraxis und Managementwissen. „BWL fand ich schon immer interessant, aber ich wollte auch selbst anpacken und etwas Handwerkliches lernen“, erklärt Tobias Theurer, 21, aus Esslingen. Die Kombination aus Theorie und Praxis gefalle ihm besonders gut: „Das Gelernte kann direkt im Betrieb angewendet werden.“ Der Fokus des Studiums liege auf kaufmännischen Tätigkeiten. Dabei wechseln sich im Drei-Monats-Rhythmus Theoriephasen und Praxisphasen im Handwerksbetrieb ab. „Im Unternehmen lerne ich verschiedene Bereiche kennen – von der Personalabteilung über das Baubüro bis zu praktischen Arbeiten direkt auf der Baustelle“, berichtet der Student, der die Praxisphasen bei der Manfred Schmid GmbH & Co. KG in Esslingen absolviert. Beide Seiten – Büro und Baustelle – kennenzulernen, sei ein großer Vorteil. In den Theoriephasen an der DHBW Stuttgart vermittelt das Studium breit gefächerte BWL, unter anderem in den Bereichen Controlling, Rechnungswesen oder Personal, dabei wird stets ein Bezug zum Handwerk hergestellt.
Ausbildung und Studium – das Biberacher Modell
Hervorragende Perspektiven: Nach etwas mehr als fünf Jahren haben die Absolventen den Bachelor of Engineering, den Gesellenbrief im Zimmererhandwerk, den Meisterbrief und die Weiterbildung als Polier in der Tasche. „Man lernt unglaublich viel in kurzer Zeit“, erzählt Jacob Claus, 19, der seine Lehre bei der Rikker Holzbau GmbH in Affalterbach absolviert. Nach zwei Jahren Ausbildung im Zimmerer-Handwerk geht es direkt mit dem Vollzeitstudium an der Hochschule Biberach weiter. Im 7. Semester kann neben der Bachelorarbeit auch noch die Meisterprüfung abgelegt werden. „Man bekommt einen sehr guten Überblick und taucht tief in die fachlichen Themen ein.“ Das Modell biete durch die breite Fächerung vielfältige Vorteile: „Mit dem Meisterwissen können Absolventen ein Unternehmen gründen oder Lehrlinge ausbilden“, berichtet der Student aus Waiblingen. Aber auch andere Karrierewege, beispielsweise im Bereich Projektmanagement, eröffne das Studium. Zusätzlich erhalten die Absolventen tiefgreifende Einblicke in Themen wie Bauphysik, Statik oder technische Mechanik.
Studium Bauingenieurwesen – Projektmanagement
Die Praxisphasen im dualen Studiengang Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Projektmanagement – Hochbau absolviert Deborah Günther aus Kirchberg ebenfalls bei der Rikker Holzbau GmbH. Das Studium an der DHBW Mosbach dauert insgesamt drei Jahre. „Ich profitiere sehr von der guten Mischung aus Theorie und Praxis“, erläutert die 23-jährige Studentin. Hochbau sei sehr interessant und vielfältig, gerade was die Gebäudeplanung angehe: „Wir arbeiten mit vielen Gewerken wie Zimmerern, Maurern, Malern und Stuckateuren zusammen.“ In den Praxisphasen habe sie verschiedene Bereiche wie Bauleitung, Kalkulation oder Fachplanung durchlaufen und somit ein gutes Grundverständnis für Arbeitsabläufe und Prozesse bekommen. Zu den theoretischen Inhalten des Studiengangs gehören Themen wie Bauphysik oder Infrastruktur, aber auch Nachhaltigkeit und Umwelt. „Nach dem Studium hat man einen umfassenden Überblick und kann eine Tätigkeit in der Bauleitung übernehmen – aber auch andere Möglichkeiten stehen offen.“