Bezahlbarer Wohnraum: Warum die Gebäudetechnik vereinfacht werden muss
Sie sind seit vielen Jahren in der Solarbranche bekannt, haben wie viele Solarteure zunächst mit Solarthermie begonnen. Jetzt sprechen wir über Infrarotheizungen. Eine interessante persönliche Entwicklung, oder nicht?
Timo Leukefeld: Zugegeben, das war ein schmerzhafter Prozess. Ich habe mich intensiv mit Solarthermie und Langzeitwärmespeichern befasst, war im Vorstand des Sonnenhaus-Instituts aktiv. Aber seit drei Jahren kommt die Solarthermie in unseren Neubauprojekten nicht mehr vor. Der Mangel an Handwerkern hat uns gezwungen, den Weg vom Rohr zum Kabel zu gehen.
Können Sie das etwas näher erläutern?
Wir finden niemanden mehr, der solarthermische Anlagen mit Langzeitwärmespeichern baut, diese Systeme sind von Jahr zu Jahr teurer geworden. Gerade im Mietwohnungsbau, wo wir hauptsächlich unterwegs sind, nehmen sie viel wertvolle Wohnfläche weg. In wenigen Jahren werden die Heizungsbauer 250 Euro für die Stunde Rohrverlegen verlangen, zudem sind immer weniger Monteure verfügbar. Wenn man wirtschaftlich und ökologisch bauen will, muss man andere Wege finden.
In Ihren jüngsten Projekten haben Sie solarelektrische Vollversorgung installiert, also Photovoltaik mit Infrarotheizflächen kombiniert. Warum?
Die Infrarotheizung hat drei wesentliche Vorteile: Sie ist im Neubau wesentlich wirtschaftlicher als Wärmepumpen, sie ist ökologischer und obendrein effektiver. Sie erreicht mit 30 Jahren die doppelte Lebensdauer und ist wartungsfrei. Zudem ist die elektrische Strahlungswärme angenehmer als Konvektionswärme aus Radiatoren, die oft Staub aufwirbeln und durch die Räume tragen. Entscheidend ist aber, dass die elektrischen Systeme deutlich geringeren Invest erfordern als eine Heizung mit Wärmepumpen.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Wir sind sehr viel mit Mehrgeschossern befasst, die zum Zwecke der Vermietung neu gebaut werden sollen. Bei KfW-55-Standard ist der Heizwärmebedarf sehr gering, die thermische Hülle lässt kaum Energieverluste zu. Mehr als 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter braucht man für die Heizwärme nicht. In der Sanierung ist das etwas anderes. Mit höherem Heizwärmebedarf kann sich der Variantenvergleich zwischen Infrarotheizungen und Wärmepumpen lohnen. Aus unserer Erfahrung sind die elektrischen Heizsysteme auch dort überlegen, wenn die Gebäudehülle energetisch saniert wird. Sprich: ordentlich gedämmt wird.
Sehen Sie im Einfamilienhaus eine Zukunft für die Wärmepumpe?
Die Wärmepumpe hat sicher ihre Anwendungen, in denen sie unverzichtbar und sinnvoll ist. Wir haben das für ein typisches Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern analysiert, haben IR-Heizungen und Wärmepumpe im Neubau verglichen. Die Ergebnisse sind erschütternd. Die Wärmeversorgung mit Wärmepumpengesamtsystem kostet 55.000 Euro, die IR-Heizung können Sie als Gesamtsystem für 14.000 Euro einbauen. Mit Photovoltaik kombiniert, ist die solarelektrische Vollversorgung sehr wirtschaftlich. Daneben gibt es weitere gewichtige Gründe.
Welche wären das?
Die Wärmepumpen laufen nicht so effizient, wie immer behauptet wird. Das Fraunhofer-Institut hat 37 Anlagen bundesweit analysiert. Und zwar nicht nur die Wärmepumpe als Aggregat, sondern die Systemeffizienz der Wärmeversorgung des gesamten Wärmepumpenkreislaufes einschließlich der Heizungs- und Warmwasserverteilung.
Müsste sich das nicht bei den Jahresarbeitszahlen zeigen?
Im Durchschnitt haben die Wärmepumpen nur eine Jahresarbeitszahl von 1,5 bis 2 erreicht. Es geht um die nutzbare Heizwärme im Raum, da muss man alle Verluste in der flüssigkeitsgeführten Heizung einbeziehen. Ich vermute, die öffentliche Debatte wäre sachlicher, wenn die Wärmepumpen ein Monitoring hätten, wie wir es von der Photovoltaik kennen. Dann käme ans Licht, dass sie in den meisten Installationen nicht effizient arbeiten.
Thermisch und von der Regelungsgeschwindigkeit her gesehen ist die wassergeführte Heizung viel träger als elektrische Flächenheizungen. Wasser muss erwärmt und entwärmt werden, Pumpen laufen und so weiter. Sehen Sie solche Wärmesysteme als überholt an?
Im Neubau und im sanierten Altbau auf alle Fälle. In zehn Jahren wird niemand mehr flüssigkeitsgeführte Wärmesysteme neu installieren. Im Bestand werden die traditionellen Rohrsysteme noch viele Jahrzehnte eine Rolle spielen. Es gibt kaum Argumente, eine Wärmepumpe im Neubau einzusetzen, ebenso nicht in vielen Sanierungsprojekten im Altbau. Aus ökologischer Sicht ohnehin nicht.
Wie meinen Sie das?
Uns vorliegende Analysen zeigen, dass Sie für die Wärmepumpenanlage in einem Einfamilienhaus einen Lkw brauchen, um das Material zur Baustelle zu bringen, inklusive zum Beispiel 2.100 Meter Heizungsrohr für die Fußbodenheizung, 150 Quadratmeter Noppenbahn aus Polystyrol, weitere Rohre, Pumpen, Wärmespeicher, Sicherheitsgefäße und so weiter. Die IR-Heizung bringen Sie in einem Pkw-Kombi unter. Wir wissen auch, dass bei der Herstellung der Wärmepumpen rund 35 Mal so viel Kohlendioxid anfällt wie bei der IR-Heizung.
Das ergibt sich ganz wesentlich aus dem hohen Kupferbedarf der Wärmepumpe …
Unter anderem. Wenn Sie das Kältemittel einrechnen, ist der CO2-Ausstoß bei der Herstellung des Gesamtsystems sogar noch viel höher als für die IR-Technik. Von der fachgerechten Entsorgung des Kältemittels, etwa nach dem turnusmäßigen Wechsel, ganz abgesehen. Das ist wirklich sehr aufwendig und erfordert viel Papierkram. Da dreht mancher Servicetechniker klammheimlich die Schraube auf und lässt das Kältemittel einfach entweichen. Das Zeug ist ein sehr aggressives Treibhausgas.
Eingangs sprachen Sie vom Mangel an Handwerkern. Wir sehen bereits jetzt, dass die Heizungsbauer bei der Installation der Wärmepumpen nicht hinterherkommen …
Der Wind dreht sich gerade, weil die hohen Kosten viele Bauherren abschrecken. Nach meinen Informationen erreicht die Stornorate für bereits beauftragte Wärmepumpen in manchen Gegenden bis zu 30 Prozent und die Anzahl der Förderanträge für Wärmepumpen hat sich im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Das Thema ist erst einmal durch …
Wie erklären Sie sich das?
Die hohen Preise lassen sich nicht durchhalten. Wenn die Preise für Erdgas und Heizöl sinken, werden sich viele Bauherren wieder der Gas- und Öltechnik zuwenden – was ihnen die Heizungsbauer nicht selten empfehlen. Das ist natürlich überhaupt keine Alternative, weder wirtschaftlich noch ökologisch. Bei sinkenden Strompreisen wird sich die Waage allerdings weiter zugunsten der IR-Heizung neigen.
Wenn die wassergeführte Heizung verschwindet, was machen dann die Heizungsbauer?
Das Berufsbild des Elektrikers wird mit dem Heizungsbauer verschmelzen, denn in Zukunft werden Raumwärme und Warmwasser elektrisch erzeugt, mit möglichst hohem Anteil an Solarstrom. Das ergibt sich aus der Entwicklung der Baubranche generell. Für uns und das Unternehmen, an dem ich beteiligt bin, geht es nicht in erster Linie um die Technik. Sondern es geht um Gebäude, die durch moderne Konzepte mit Pauschalmieten und Energieflatrate eine ausreichende Mietrendite abwerfen.
Können Sie das kurz erläutern?
Mietwohnungen werden nur gebaut, wenn die Investitionen eine sichere Rendite bieten. Das gilt auch für Sanierungen. Ich rede hier vor allem von Mehrgeschossbauten, weniger vom privaten Eigenheim. Wir beraten Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften, Investoren, Architekten, Baufirmen oder Kommunen. Es geht um bezahlbaren Wohnraum generell. Und das erreichen wir nur mit vollelektrischer Solararchitektur.
Ihr Ansatz folgt also aus der Motivation zur Vermietung, weniger aus dem Vergleich der verschiedenen Wärmetechniken?
Exakt. Im Vermietungsgeschäft ist die Mietrendite entscheidend. Hier interessiert nur die nackte Wirtschaftlichkeit, ideologische Betrachtungen überhaupt nicht. Die meisten unserer Kunden bauen mittlerweile ohne Förderung und bürokratische Zertifizierungen, weil der Aufwand dafür viel zu hoch ist. Für Mehrgeschosser haben wir den Energetischen Kompass entwickelt, dessen oberstes Ziel die zuverlässige Mietrendite ist. Das gelingt, indem man ökologisch und wirtschaftlich baut. Dabei ist die IR-Heizung ein wichtiges Element, aber nicht das einzige.
Welche Mietrendite erreichen die Gebäude, die mit dem Energetischen Kompass errichtet werden?
Das ist in jedem Projekt verschieden. Nehmen wir ein Beispiel: Solarelektrische Gebäude unterliegen nicht mehr der CO2-Besteuerung. Dieser Posten entfällt beim Vermieter. Die elektrische Heizung ist wartungsfrei bei einer Lebensdauer von bis zu 30 Jahren, da braucht kein Schornsteinfeger oder Heizungsbauer mehr durch die Wohnungen zu gehen. Weil wir immer auf die Abrechnung der Energiekosten per Flatrate zielen, brauchen solche Gebäude keine Mieterzähler mehr, weder für Wärme noch für den elektrischen Strom. So kann der Vermieter eine höhere Miete ansetzen, weil den Mieter kaum Energiekosten drücken.
Die sogenannte zweite Miete …
Genau, das alles entfällt, bis hin zur Abrechnung der Betriebskosten des Gebäudes. In Aschersleben haben wir einen alten DDR-Plattenbau hochgradig energieautark und enttechnisiert saniert, wo in der Flatrate sogar die Nutzung eines E-Autos inbegriffen ist. Als Vermieter können Sie alle Kosten auf Jahre im Voraus kalkulieren und in der Flatrate einpreisen. In manchen Regionen ist das ganz wichtig, um überhaupt Mieter zu finden.
Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld ist Pionier und Experte der Energiewende und der Solarbranche. An der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und an der Berufsakademie in Glauchau lehrt er als Honorarprofessor das Thema vernetzte energieautarke Gebäude. Er berät Politik, Wirtschaft, Banken, Bausparkassen, Kommunen und Bauherren in Fragen der Zukunftsgestaltung mit Blick auf Energie und Ressourcen.
Infrarotheizungen: Tipps für Planung und Installation
Die Suche nach Alternativen zur Gasheizung sorgt für steigende Nachfrage nach Infrarotheizungen. Viele Eigenheimbesitzer, Mieter und Gewerbetreibende erwägen die Anschaffung eines elektrischen Heizsystems, um Gas zu sparen und die Vorgaben des neuen Heizungsgesetzes zu erfüllen. Die IG Infrarot Deutschland, der Bundesverband von Herstellern von Infrarotheizungen, gibt Tipps, worauf man bei der Anschaffung achten sollte.
Der Verband empfiehlt eine fachliche Beratung, auch wenn sich die Infrarotpaneele einfach und schnell installieren lassen. Bei guter Planung sind Infrarotheizungen eine gute und preiswerte Lösung für die gezielte Bereitstellung von Wärme. Und sie ergänzen andere Wärmeerzeuger, die die Grundlast decken.
Infrarotheizungen erzeugen Strahlungswärme, die von Infrarotpaneelen an Raumoberflächen wie Wände, Decken und Fußböden abgegeben werden. An diesen Oberflächen erwärmt sich die Luft. Die langwelligen Infrarotstrahlen werden, ähnlich wie die Wärme vom Kachelofen oder wassergeführten Heizflächen in Wänden oder Fußböden, als angenehm empfunden. Der Strahlungsanteil übertrifft den konvektiven Anteil. Das unterscheidet die elektrischen Flächenheizungen von Radiatoren.
Vor Anschaffung der IR-Heizsysteme sollte geklärt werden, ob die Technik lediglich kurzfristig an sehr kalten Tagen aushelfen soll oder langfristig in die Haustechnik integriert wird. Die entscheidenden Kriterien sind die Heizleistung und die Platzierung im Gebäude.
Für eine Interimslösung empfiehlt sich ein Infrarotpaneel auf Standfuß oder Rollen. Eleganter ist die feste Installation an der Decke oder an der Wand.
Im nächsten Schritt geht es an die Auswahl der Infrarotheizung. Hierfür ist die Konformität mit Ökodesign wichtig. Die Ökodesign-Verordnung schreibt vor, dass Infrarotheizungen eine Raumtemperaturkontrolle benötigen, die mit Raumthermostaten je nach Anwendung bestimmte Eigenschaften aufweisen muss. Der Raumthermostat kann eingebaut oder extern sein.
Steckerfertige Geräte ohne Regelung sind nicht konform. Dem Trend zur Digitalisierung entsprechend gibt es auch Infrarotheizungen mit smarter Regelung. Die Nutzer können beispielsweise programmieren, zu welcher Uhrzeit oder ab welcher Raumtemperatur das Gerät sich einschaltet. Die kurze Aufheizzeit der schnell reagierenden Infrarotheizungen minimiert den Energiebedarf.
Die hohen Strompreise werfen natürlich sofort die Frage nach den Heizkosten auf. Der Unterschied zwischen konvektiven und strahlungsorientierten Heizsystemen ist ihre Reaktionszeit und dass man die Infrarotheizung bedarfs- und präsenzorientiert nutzen kann. Dadurch ist der Betrieb wesentlich günstiger, denn das spart Strom.
Noch günstiger wird es für Hausbesitzer und Firmen, die eine Photovoltaikanlage auf dem Dach haben. Sie können mit einem Infrarotheizsystem mehr Solarstrom selber nutzen und erheblich Energiekosten einsparen. Auch Ökostrom vom regionalen Netzversorger bietet sich an, um klimaschonend zu heizen.
Die IG Infrarot hat einen Leitfaden veröffentlicht, der weitere Tipps und Hinweise bietet. Hier können Sie ihn kostenfrei laden: