Hochwasserschutz bei Holztüren: Darauf kommt es an
Die Klimaforschung prognostiziert für die Zukunft eine Zunahme (Anzahl, Intensität) von extremen Wetterereignissen (Dauer- und Starkregen), die zu Hochwasser- und Überschwemmungen führen.
Problematisch ist die oft fehlende Vorwarnzeit bei Sturzfluten infolge von lokalen Starkregenereignissen, was zeigt, dass in gefährdeten Gebieten eine Hochwasserschutzfunktion permanent vorhanden sein sollte. Im bauwerksbezogenen Hochwasserschutz werden Eingangstüren von Wohn- und Geschäftsbereichen derzeit vorrangig durch mobile Systeme, z. B. sogenannte Dammbalkensysteme oder durch Sandsäcke, bei Hochwasser gesichert.
Im Bereich des permanenten Hochwasserschutzes für den Hauseingangsbereich sind derzeit zwar einige Lösungen bekannt, jedoch sind diese funktional und gestalterisch meist nur bedingt für den Privatbereich geeignet. Oftmals handelt es sich um metallbasierte Türkonstruktionen, die den statischen Erfordernissen angepasst werden können sowie um spezielle Sonderabdichtungen zwischen Flügel und Blendrahmen.
Bei diesen Türkonstruktionen wird der im Hochwasserfall benötigte Anpressdruck entweder durch spezielle von innen bedienbare Treibriegel oder durch eine Schlauchdichtung, die mit einem Kompressor über ein verdeckt liegendes Ventil aufgepumpt wird, erzielt. Für letzteres gewährleistet eine gerundete Blendrahmenecke im Schwellenbereich einen optimalen Anpressdruck des Flügels an den Blendrahmen und somit die Wasserdichtheit.
Der erzielbare Hochwasserschutz der verschiedenen Lösungen reicht für stehendes Wasser von hochwasserbeständig (zulässiger Wassereintritt bis 10 l/h) bis wasserdicht (kein Wassereintritt). Hierbei sind die unterschiedlichen Grenzwerte der verschiedenen Richtlinien zu beachten (siehe Tabelle 1).
Auf was es ankommt
Die Herausforderungen bei der Entwicklung einer Hauseingangstür aus Holz mit nutzerunabhängiger und damit permanent vorhandener Hochwasserschutzfunktion liegen im werkstoffbedingten Verhalten gegenüber Wasser und Feuchtigkeit (Quellen und Schwinden) sowie in der Gewährleistung eines hohen Anpressdrucks zur Erzielung der Wasserdichtheit unter Erhalt der Basiseigenschaften, wie z. B. Dauerfunktion, zulässige Bedienkräfte und Einbruchhemmung.
Lösungsansätze
Öffnungsrichtung und Falzgeometrie: Bei anstehendem Hochwasser werden durch die Gewichtskraft des Wassers enorme Drücke hervorgerufen, die bei einem Wasserpegel von z. B. 900 mm im Bereich der Türschwelle fast 9000 Pa betragen. Um der von derartigen Bedingungen ausgehenden Gefahr des Versagens von Schließteilen zu begegnen und den anliegenden Wasserdruck für eine Erhöhung des Dichtschlusses zu nutzen, wurde statt der typischerweise nach innen öffnenden Ausführung eine nach außen öffnende Türkonstruktion favorisiert.
Mit dem Ziel, den erhöhten mechanischen Belastungen standhalten und eine ausreichende Stabilität bzw. Steifigkeit des Türblattes gewährleisten zu können, erfolgte die Herstellung von Türmustern mit Profildicken von mindestens 90 mm und 15 mm Doppelfalz.
Türband: Um sowohl eine umlaufend entlang des Falzes gleichmäßige Auflagefläche der Dichtung als auch einen gleichmäßigen Anpressdruck und somit Dichtschluss zu realisieren, wurde ein 3D-Haustürband ausgewählt. Nachteilig ist, dass über den Zwischenraum von Bandlappen und -tasche Wasser von außen in die Bandtasche und von hier über die Bohrungen der Justierschrauben in den Falzzwischenraum gelangen kann. Geprüft wird der Einsatz einer speziellen Silikonabdeckung für die vorhandenen Bohrungen, die das Eindringen von Wasser in den Falzzwischenraum verhindern soll.
Türschwelle: Die ausgewählte Türschwelle verfügt über einen variablen Anschlag, der durch Adapter-Profile (EPDM, Dicke 1 mm bis 5 mm) die Einstellung einer definierten Falzluft erlaubt. Somit kann ein ausreichender Anpressdruck zwischen Türschwelle und Anschlagdichtung erzielt werden.
Eine schwellenlose Ausführung ist hier keinesfalls zielführend, da einerseits eine ausreichende Anschlagfläche zur Gewährleistung des notwendigen Dichtschlusses und anderseits hinsichtlich des anstehenden Wasserdruckes auf das Türblatt eine biegesteife Kraftaufnahme und Übertragung in den Boden gegeben sein muss.
Versuche am Hochwasserprüfstand
Zur Untersuchung der Widerstandsfähigkeit der Mustertüren gegenüber Hochwasser wurde ein Hochwasserprüfstand gebaut. Mit diesem kann die Beanspruchung einer Hauseingangstür mit anstehendem Wasser bis zu einem maximalen Pegel von 2000 mm untersucht werden.
Zur Ermittlung möglicher Eintrittsstellen des Wassers in den Falzzwischenraum wurde eine erste Mustertür (Meranti-Plattentür, [2100 × 900 × 90] mm, Doppelfalz, 12 mm Falzbreite, Silikondichtung) untersucht. Hierzu wurde der Prüfstand schrittweise auf 175 mm (unterhalb unterem Türband) und später auf 300 mm (oberhalb unterem Türband) gefüllt. Es zeigte sich ein erheblicher Wassereintritt auf der Innenseite, sodass folgende Überarbeitungen zur Erhöhung der Wasserdichtheit der Konstruktion notwendig wurden:
- Schließen der Konstruktionsfugen sowie der Fugen zwischen Beschlägen und Blendrahmen
- Schließen der Bohrungen für die Justierschrauben der Bänder am Blendrahmen und Bereich Bandtasche/Bandlappen
- Schließen der Beschlagnut vom Verriegelungssystem
- Schließen der Befestigungsöffnungen schlossseitig im Türblatt
Die Maßnahmen verhindern nicht nur das Eindringen von Wasser in die Konstruktion, sondern wirken auch Sekundäreffekten, wie der Quellung und daraus resultierender Deformationen von Teilbereichen, die den Dichtschluss insbesondere im Bereich der Schwelle reduzieren könnten, entgegen. Basierend auf den Erkenntnissen der vorangegangenen Untersuchungen wurde der Aufbau der Türkonstruktion verändert (zweite Mustertür: Eiche-Plattentür, [2100 × 900 × 90] mm, 15 mm Falzbreite, Silikondichtung) und erneut die Wasserdichtheit untersucht.
Ohne nähere Berücksichtigung der Gebrauchseigenschaften, legen die Ergebnisse der Untersuchungen nahe, dass für die finalen Türvarianten bei einem Wasserpegel von 900 mm ein durchschnittlicher Wassereintritt von unter 10 l/h und somit die Entwicklung einer hochwasserbeständigen Hauseingangstür aus Holz erreichbar ist.
Fazit
Durch die Beseitigung der aufgezeigten Schwachstellen und die Entwicklung konstruktiver Detaillösungen der Mustertüren konnte die Menge eindringenden Wassers signifikant reduziert werden. Weitere Optimierungen hinsichtlich der umlaufenden Dichtungsebenen sind Ziel der derzeit laufenden Untersuchungen. Darüber hinaus werden neben 1-flügeligen auch 2-flügelige Türkonstruktionen untersucht, da diese bei anstehendem Hochwasser, durch das Öffnen des oberen Flügels einen Durchgang z. B. für Rettungskräfte ermöglichen.
Förderhinweis
Das am Institut für Holztechnologie gemeinnützige GmbH durchgeführte INNO-KOM-Vorhaben 49MF170111, wurde über die EuroNorm GmbH im Rahmen des Programms zur FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Dieser Text von Rodger Scheffler und Lutz Neugebauer ist zuerst erschienen in GLASWELT 9/2020. Rodger Scheffler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bereiche Physik/Bauteile am IHD. Lutz Neugebauer ist Projektingenieur für die Bereiche Bauelemente Fenster-/Türentechnik am IHD.