Bundeskabinett beschließt Entwurf des Klimaschutzgesetzes
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Wir haben beschlossen, dass Deutschlands Klimaziele erstmals gesetzlich verbindlich werden. Künftig wird klar geregelt, was passiert, wenn ein Bereich vom vereinbarten Klimakurs abweicht und wer dann wie nachbessern muss. Damit lernen wir aus den Fehlern der Vergangenheit. Dass Deutschland sein Klimaziel verfehlt, darf sich nicht wiederholen. Das Klimaschutzgesetz wird die Art, wie die Bundesregierung beim Klimaschutz zusammenarbeitet, fundamental verbessern. Ab jetzt sind alle Ministerien Klimaschutzministerien."
Das Klimaschutzgesetz schreibt vor, wie viel CO2 jeder Bereich pro Jahr ausstoßen darf. Dafür gelten Sektorziele für jedes Jahr zwischen 2020 und 2030. Zugleich wird jedes Jahr überwacht, ob ein Bereich zu viel CO2 ausstößt – und zwar vom Umweltbundesamt und einem unabhängigen Expertenrat. In dem Fall, dass ein Bereich vom Reduktionspfad abweicht, verpflichtet das Gesetz die verantwortlichen Ministerien zu sofortigen Maßnahmen.
Darüber hinaus schreibt das Gesetz das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 für Deutschland gesetzlich fest. Bislang lag das 2050-Ziel der Bundesregierung noch bei 80 bis 95 Prozent CO2-Reduktion. Das neue Ziel ist damit das Signal an alle Branchen, sich rechtzeitig auf eine Wirtschaftsweise ohne fossile Energien vorzubereiten.
Vereinbart wird auch, dass die Bundesregierung im Jahr 2025 jährlich absinkende Emissionsmengen für die Zeit nach 2030 festlegen muss, die dann den Pfad in Richtung Treibhausgasneutralität 2050 genauer beschreiben werden.
Herbe Kritik von Energiewirtschaft und Handwerk
Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft übt deutliche Kritik am Beschluss: „Sowohl das Klimaschutzgesetz als auch das Klimaschutzprogramm wirken noch undurchdacht und nicht kohärent mit den Zielen der Energiewende: Mit den Vorschlägen aus dem Klimaschutzprogramm ist das 65-Prozent-Ziel für den Erneuerbaren-Ausbau kaum zu erreichen." Es dürften keine Hintertüren geschaffen werden, um Vorgaben für die CO2-Reduktion zwischen den Sektoren hin und her zu schieben. Es wäre das falsche Signal, wenn ein Sektor seine Jahresziele nicht erreicht und dafür in einem anderen Sektor die Vorgaben verschärft würden. Damit würde Zielerreichung bestraft und Zielverfehlung belohnt.
Auch der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, zeigt sich unzufrieden: "Das Klimaschutzgesetz und das dazugehörige Klimaschutzprogramm der Bundesregierung sollen dem Klimaschutz einen verlässlichen Rahmen geben, erzeugen in der derzeitigen Planung aber Unsicherheiten für die Betriebe. Wenn sich bei der jährlich angedachten Überprüfung der Klimaschutz-Zielerreichung abzeichnet, dass manche Ziele nicht erreicht wurden und die Klimaschutzmaßnahmen in der Folge stetig angepasst werden, dann fehlt der langfristig verlässliche Rahmen für unternehmerisches Handeln und erforderliche Klimaschutzinvestitionen bleiben aus."
Bundesverband Solarwirtschaft (BSW): Die Solarbranche begrüßt die heute im Bundeskabinett verabschiedeten Pläne zur Aufstockung der Solarenergie-Ausbauziele im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030. Diese seien ein Schritt in die richtige Richtung, bedürften aber dringend weiterer Nachbesserungen und einer schnellen gesetzlichen Konkretisierung. Andernfalls sei die Versorgungssicherheit mit klimafreundlicher Energie bereits Mitte der zwanziger Jahre ernsthaft in Gefahr. Davor hatte jüngst ein Gutachten von Bonner Marktforschern gewarnt, das im Auftrag vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und der Innovationsplattform The smarter E Europe erstellt wurde.
Das ifo Institut sieht es als ein wichtiges Signal, dass der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes durch das Kabinett beschlossen worden ist, weist aber gleichzeitig auf entscheidende Mängel hin. „Auf verbindliche, langfristige Klimaziele für 2050 zu verzichten, ist äußerst problematisch“, erklärt Karen Pittel, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen.
Es sei sinnvoll, Ziele für einzelne Sektoren flexibler zu gestalten. Denn z.B. für den Verkehr sei das Ziel bis 2030 nicht mehr oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten zu schaffen.
Die Gefahr eines Aufschiebens wird aus Sicht von Pittel durch den Verzicht auf bindende Klimaziele für 2050 verstärkt. Die eher schwammige Zusicherung, "nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung" festzulegen (§4) und "Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen" (§1), würde selbst bei einem Verweis auf die Verbindlichkeit von UN- und EU-Zielen einen unzureichenden Ersatz darstellen.
„Hinsichtlich des Klimaschutzprogramms 2030 ist zu bedauern, dass der heute präsentierte detaillierte Maßnahmenkatalog in großen Teilen nach wie vor eine systemische Perspektive vermissen lässt“, erklärt Pittel. Eine weitergehende Reform des Energieabgaben- und -umlagensystems wäre nach wie vor nicht absehbar. Ein erster Vergleich des 173 Seiten starken Dokuments mit dem Klimapaket vom 20.09. zeigt wenig substantielle Änderungen. Die stärkere Betonung von Energieeffizienz sei zwar positiv zu sehen, die konkrete Umsetzung bliebe aber unklar.
Pittel betont insbesondere, dass das Klimaschutzprogramm heute bereits stärkere Anreize für Technologieentwicklung und Infrastrukturmaßnahmen hätte setzen müssen, da Investitionsentscheidungen sehr langfristig getroffen würden. „Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Klimaziele nur zu weit überhöhten Kosten erreicht werden können“, betont Pittel und ergänzt: „Leider ist bereits absehbar, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um entsprechende Signale zu setzen. Insbesondere die CO2-Bepreisung muss unbedingt gestärkt werden, um die Kauf- und Investitionsentscheidungen in Richtung emissionsarmer Technologien zu lenken.“