Direkt zum Inhalt
Anzeige
Anzeige
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Print this page

Solarmodule an Fassaden: Fugengenau integrieren

Sven Ullrich
Inhalt

Die Integration von Solarmodulen in Fassaden als sogenannte Photovoltaik-Fassade ist gar nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick wirkt. Zumindest ist das die Erfahrung, die Jakob Steib beim Bau eines Mehrfamilienhauskomplexes in Allschwil gemacht hat.

Der Züricher Architekt hat in der Kleinstadt vor den Toren Basels die Aufgabe gelöst, ein neues Gebäude in ein bestehendes bauliches Umfeld zu integrieren. Seine Lösung und den Weg der Solarmodule in die Fassade hat er im Rahmen des diesjährigen Symposiums „Solares Bauen“ vorgestellt, das Swissolar organisiert hat.

Leicht wie ein Textilstoff: Trotz der dunklen Farbe der -Solarfassade wirkt der Neubau in Allschwil aufgelockert.

Schweiz: Photovoltaik-Fassade als neues Element fürs Quartier

Steib hat sich für einen Entwurf entschieden, der optisch weit weg von den Bestandsgebäuden in der Nachbarschaft ist, aber auch die bisherige Bebauung auf dem Gelände nicht aufgreift. Denn dort standen drei Häuser aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, die den Anschluss an die Entwicklung verpasst haben. „Wir wollten in einem Quartier, in dem die Häuser überall gleich aussehen und in dem man sich als Fremder nur schwer orientieren kann, ein ganz neues Element einfügen“, beschreibt Jakob Steib

den Ansatz.

Deshalb hat er zwei Baukörper entworfen, die sich um einen zentralen Platz gruppieren. Dazu kam noch, dass die Stadt den Wunsch geäußert hat, die neuen Gebäude ein Stockwerk höher zu bauen als die bisherigen Häuser. Zusätzlich hat der Bauherr, die Graphis Bau- und Wohngenossenschaft, den Vorschlag geäußert, die Fassaden mit Solarmodulen einzukleiden und eine Photovoltaik-Fassade zu gestalten.

Photovoltaik: Unsichtbar und lückenlos eingepasst

Jakob Steib lehnte dies zunächst rundheraus ab. Er hatte eine Fassade mit dunkelgrauen, sich überlappenden Schieferplatten geplant. „Doch ich habe die Herausforderung angenommen“, erinnert er sich. „Es war aber unser Anliegen, dass man die Photovoltaik nicht auf den ersten Blick sieht.“

Im Falle des Projekts in Allschwil bedeutet dies, dass die Solarzellen der Photovoltaikanlage hinter einem blau-grauen Rasterdruck verschwinden. Der Rasterdruck ist so ausgeführt, dass die Fassade aus der Ferne betrachtet eine vollflächige und homogene Farbgebung hat. Nur wenn der Betrachter ganz nah an die Fassade herantritt, kann er das Punktraster erkennen, durch das Licht auf die dahinterliegenden Solarzellen dringen kann, die aber auch dann nur schwer zu erahnen sind.

Außerdem mussten die Module mit Präzision produziert werden, damit sie sich lückenlos in die Fassade einpassen. Hier sind weniger Toleranzen erlaubt als auf dem Dach. Schließlich bringt jedes Modul, das nicht die Fugenlinie der anderen Module weiterführt, extreme Unruhe in die Fassade, genauso wie sichtbare Befestigungen. Dies erfordert natürlich auch mehr Präzisionsarbeit seitens der Handwerker. Die Unterkonstruktionen müssen so aufgebaut sein, dass sie Flexibilitäten zulassen, um bei der Installation das Fugenmaß exakt einhalten zu können.

Fast unsichtbar sind die Solarzellen der Module an der Fassade in Allschwil.

Geschossdecken kaschiert

Für die Befestigung wurde auf die Rückseite eine Trägerkonstruktion geklebt, wie sie im Structural Glazing üblich ist. Dadurch können die Module der unsichtbar in der Photovoltaik-Fassade gehalten werden. Nur an der Unterkante werden sie von Metallfüßen gestützt, die allerdings nicht aus der Fassade ragen.

Die Solarelemente unterstützen das optische Konzept der Fassadengestaltung. Denn die einzelnen Geschossdecken wurden verfremdet, auch um zu kaschieren, dass die neuen Gebäude ein Stockwerk höher sind als die in der Nachbarschaft. Deshalb hat Jakob Steib die Brüstungen der bodentiefen Fenster und der Balkone mit breiten und weißen oberen Abschlüssen versehen. „Diese sind nicht auf Geschosshöhe, sondern einen Meter darüber“, sagt der Architekt.

Dadurch vermutet der Betrachter auf den ersten Blick die Geschossdecken weiter oben, als sie tatsächlich sind. Dies wird unterstützt durch das präzise Rastermaß der Solarfassade. Diese steht auf einem hellen Sockel aus Faserbeton. Die Module sind so angeordnet, dass die Querfuge jeweils die gleiche Höhe hat wie die Oberkante der breiten Abschlüsse der Balkon- und Fensterbrüstungen. Entsprechend haben die Module auch exakt die Höhe eines Geschosses des Gebäudes.

Die weißen Balkon- und Fensterbrüstungen werden von den ebenfalls weißen, zu beiden Seiten der Fenster- und Balkonstreifen verlaufenden Lisenen gekreuzt. „Dies bringt ein neues Muster in die Fassade. Es ist wie bei einem Stoff, in dem ein Faden horizontal durchläuft und ein weiterer Faden vertikal kreuzt. Wir haben die Fassade hier als Textil angeschaut“, beschreibt Jakob Steib die optische Grundidee.

Die Verwendung von weißen Fensterrahmen als Kontrast zu den relativ dunklen Solarmodulen verleiht der Fassade zusätzlich eine Leichtigkeit, die den Eindruck verhindert, hier vor einem dunklen Monolithen zu stehen. Dies wird von der Bündigkeit unterstützt, die wiederum durch die Verwendung der Solarmodule statt der sich überlappenden Schieferplatten realisiert wird.

Basel: Photovoltaik-Fassade mitten im Zentrum

Die kompakte Kraft von Naturstein hingegen ahmt die Fassade des Neubaus des Amtes für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt (AUE) nach. Mitten im Zentrum der Stadt hebt sich das Gebäude von den anderen schon aufgrund seiner dunklen Fassade ab. Denn diese wurde rundherum komplett mit dunklen, monokristallinen Solarmodulen ausgeführt.

„Auch auf der Nordseite sind Solarmodule angebracht, die immerhin zu elf Prozent zum Stromertrag beitragen“, erklärt Architekt Ingemar Vollenweider, der das Gebäude mit seiner Fassade entworfen hat.

Die Fassade des neu gebauten Umwelt- und Energieamtes in Basel ist optisch an Naturstein angelehnt.

Aufgelockert wird die Photovoltaik-Fassade durch die hohen Fensterfronten, die zwar weniger Platz für Solarleistung lassen, aber dafür sorgen, dass das Gebäude nicht zu schwer wirkt. Die Solarmodule haben einen langen Entwicklungsweg hinter sich. Denn ursprünglich waren eingefärbte polykristalline Solarzellen geplant. „Doch dann kamen die monokristallinen Perc-Solarzellen in den Markt, die 25 Prozent mehr Leistung liefern“, erinnert sich Vollenweider. „Aber wir wollten kein schwarzes Haus in den Kontext der anderen Gebäude stellen. Deshalb haben wir uns auf das Trägermaterial konzentriert, das Glas.“

Solarfassade mit Steinoptik

Es war eher Zufall, dass die Projektbeteiligten auf Schmelzgläser gestoßen sind, die als Grundlage für die Module dienen. Diese mit Ornamenten strukturierten Gläser erlauben es, die abstrakte Materialität von Stein nachzuahmen. Allerdings war es eine große Herausforderung, diese Gläser, die nicht nur auf der Vorder-, sondern auch auf der Rückseite strukturiert sind, so zu laminieren, dass die Zellen dabei nicht zerdrückt werden. Außerdem gab es noch die Herausforderung, neben der Struktur die Fassade auch farbig aufzulockern und unterschiedliche Erscheinungsformen zu kreieren, die die natürliche Varianz von Stein haben.

Zusammen mit dem Modulhersteller Megasol wurde eine Lösung gefunden. Denn das Laminat besteht jetzt aus einem Floatglas auf der Rückseite. Darauf liegt eine Einbettungsfolie. Auf dieser sind die Solarzellenstrings aufgelegt. Darauf liegt eine Folie, die mit Vogelschutzpunkten bestückt ist. Diese Punkte, die normalerweise auf transparente Gläser geklebt werden, damit Vögel nicht dagegenfliegen, sorgen für die farbige Auflockerung der Fassade.

Die lebendige Gestaltung der Module lässt leichte Abweichungen von der Fugenlinie optisch verschwinden.

Lebendige Gestaltung mit Spielraum

Auf diese Folie mit den Vogelschutzpunkten wurden noch einige Folien gelegt. Dieses Paket ist so dick, dass es beim Laminieren schmilzt und die Hohlräume zwischen dem Schmelzglas und den Solarzellen füllt. Bei diesem Schmelzprozess biegen sich die Vogelschutzpunkte nach innen und fließen dorthin, wohin sie zufällig beim Laminieren gedrückt werden. In der Fassade reflektieren diese gebogenen Vogelschutzpunkte das auftreffende Licht in unterschiedlichen Farben, die vom jeweiligen Einstrahlungswinkel der Sonne abhängen.

Auf diese Weise wird jedes der sehr dicken Module zu einem Unikat. „Das darf auch schief sein. Denn jedes Glas macht etwas anderes mit dem Licht“, erklärt Vollenweider. Auch die Wulst an den Rändern der einzelnen Module, die als Abschluss eingeführt wurde, bringt noch etwas Spiel und Lebendigkeit in die Fassade. Durch eine relativ breite Fuge zwischen den einzelnen Modulen hatte die Installateure genügend Spielraum, um die Solarelemente so zu platzieren, dass die Fuge einigermaßen gleichmäßig ausfällt. Doch die lebendige Gestaltung der Solarmodule lässt leichte Abweichungen optisch verschwinden.

Marburg: Komplett neue Optik durch Solarfassade

Präzision hingegen war bei der Sanierung der Fassade des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Marburg gefragt. Denn die neue Solarfassade des Gebäudes folgt der präzisen Optik einer Glas- oder Metallfassade, die durch ein gerades Fugenmaß unterstrichen wird. Architektonisch ist es ein gutes Beispiel für die gelungene Sanierung eines Bestandsgebäudes aus dem vergangenen Jahrhundert, um es fit für die Zukunft zu machen und mit Solarenergie auszustatten.

Auf der Basis eines Entwurfs der Planungsbüros A.P.L. – Architekten ­Plaehn und Lüdemann aus Hannover wurde die gesamte Fassade neu gestaltet, sodass das Gebäude ein völlig anderes Erscheinungsbild im Vergleich zur vorherigen Fassade bekommen hat. Denn die ursprüngliche beigefarbene und unruhige Fassadengestaltung mit drei horizontalen Fensterbändern wurde komplett ausgetauscht. Jetzt ruht der kubische Baukörper auf einem leichten Sockel, der auf der südwestlich und südöstlich orientierten Seite fast vollständig mit Fensterflächen gefüllt ist.

Die klaren horizontalen Linien der Fassade des MVZ in Marburg werden durch die präzise Fugenführung unterstützt. Selbst die gebogenen Module von Sunovation fügen sich exakt in das Raster ein.

Modul-Spezialanfertigung von Sunovation

Diese beiden Seiten wurden in den oberen drei Etagen komplett mit Solarmodulen eingekleidet. Dabei haben sich die Architekten für eigens angefertigte monokristalline Module entschieden, die der BIPV-Spezialist Sunovation aus dem unterfränkischen Elsfeld angefertigt hat. Auch der fast exakt nach Süden ausgerichtete Eingangsbereich wurde komplett neu gestaltet. Denn bisher war dieser rechtwinklig aus dem Baukörper ausgespart. Diese Aussparung haben die Architekten quasi nach außen gestülpt und abgerundet. Dadurch wurde die einst unterbrochene Fassade in sich geschlossen.

Der abgerundete Eingangsbereich, der jetzt das gestalterische Kern­element des Gebäudes ist, wurde ebenfalls mit Solarmodulen ausgestattet. Die spezielle Produktionstechnologie von Sunovation machte es möglich, die Solarelemente so zu produzieren, dass die Zellen selbst bei einem so engen Radius von 2,5 Metern wie am Eingangsbereich des MVZ nicht zerbrechen. Dabei wird der Modulverbund mittels eines kalten Verfüllprozesses hergestellt, der eine spannungsfreie Einbettung der Solarzellen in gebogene Gläser ermöglicht.

In fünf verschiedenen Höhen hat Sunovation die abgerundeten Module produziert, damit diese präzise in das Rastermaß der Fassade passen. Denn jetzt ist die horizontale Fugenlinie die Verlängerung der ursprünglichen Fensterbänder. Diese sind in ihrer Form erhalten geblieben sind, wurden aber mit hervorgehobenen Passepartoutrahmen versehen. Dadurch bilden sie einen deutlichen Kontrast zur schwarzen, monokristallinen Solarfassade. Die vertikale Fugenlinie verläuft wiederum exakt im Scheitelpunkt des abgerundeten Eingangsbereiches.

Der Rest der Photovoltaik-Fassade besteht aus 161 Glas-Glas-Modulen, die in 28 verschiedenen Größen und Geometrien hergestellt wurden, um sie exakt in das Raster der Fassade einzupassen. Auch hier war es wichtig, dass exakt gerade Fugenlinien eingehalten werden, um keine Unruhe in die Fassade zu bringen. Zur Befestigung wurden auf die Rückseiten der Module Rahmen in Structural-Glazing-Bauart geklebt, an denen die Paneele in der Unterkonstruktion befestigt sind.

Dieser Artikel von Sven Ullrich erschien zuerst in photovoltaik-Ausgabe 08/2022.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Mehr zu diesem Thema
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder