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PV-Fassaden: Die Anforderungen an die Module sind zu hoch!

Solarmodule für ­Fassaden erfordern häufig eine Zustimmung im Einzelfall oder eine allgemeine Bauart­genehmigung. Meist eine aufwändige und teure Angelegenheit, die den Einsatz gebäudeintegrierter Photovoltaik hemmt. Im Interview erläutert der PV-Experte Ralf Haselhuhn die derzeitigen baurechtlichen Schwierigkeiten bei PV-Fassaden und woran das Projekt Standards für die Gebäudeintegration von PV-Modulen (StaGiMo) arbeitet, um sie zu beseitigen.

Herr Haselhuhn, die Photovoltaik boomt auf den Dächern, nicht aber an den Fassaden. Woran hakt’s?

Es hakt besonders daran, dass die Anforderungen an die Photovoltaikanlagen steigen, wenn sie in die Gebäudehülle integriert werden. Einerseits ist das technisch bedingt. Es ist ja klar, dass beispielsweise ein Dach, wenn Photovoltaik integriert wird, dicht bleiben muss. Das heißt, die Photovoltaikmodule müssen regendicht verlegt oder es muss eine Regen führende Schicht unter die Module verbaut werden.

Ralf Haselhuhn arbeitet seit 1996 als Dozent, Referent und Gutachter für die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Der Photovoltaikexperte ist Vorsitzender des DGS-Fachausschusses Photovoltaik.

Wie schaut es bei Fassaden aus?

Bei Fassaden gibt es grundsätzliche Vorschriften zur Integration von Glas, die das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) festlegt. Die Vorschriften, die aus dem Glasbau kommen, stellen eine hohe Anforderung für Solarmodule dar. Weil sie anders gefertigt werden, sind sie auch nicht direkt vergleichbar mit normalen Gläsern. Als Deckglas werden meist hochtransparente eisenarme Einscheiben-Sicherheitsgläser verwendet. Zudem wird als Verbundmaterial seltener das im Glasbau verbreitete transparente Kunststoffmaterial Polyvinylbutyral, sondern häufiger Ethylenvinylacetat und Polyolefine. Es handelt sich bei den in Fassadenanlagen montierten Modulen um keine Standardprodukte, sondern zumeist um Einzelfertigungen aus kleinen Produktionsstätten. Es gibt keine großen Modulhersteller, die Module für Fassaden produzieren, jedenfalls nicht in Deutschland. In anderen Ländern ist es möglich, dass Standardmodule an Fassaden verbaut werden. Dort sind die Vorschriften meist weniger streng – und vor allem berücksichtigen sie neue Erkenntnisse zur Statik und Stabilität von Photovoltaik­modulen.

Die Anforderungen an gebäudeintegrierte PV-Module sind zu hoch beziehungsweise die bautechnischen Zulassungsverfahren nicht an die Photovoltaik angepasst. Was müsste sich ändern?

Insbesondere müssten verschiedene Glastests durchgeführt werden, um eine Rückführbarkeit der deutschen Glas-Norm auf die Photovoltaik-Norm hinzubekommen. Das ist ein Teil unseres Projekts. Wir untersuchen PV-Module und versuchen, die Glasbau-Norm für Photovoltaik anzuwenden. Das scheitert im ersten Schritt schon daran, dass in den Normen bestimmte Abmessungen stehen, die die Module haben müssen. Das Problem ist: Glas lässt sich beliebig zuschneiden. Bei PV-Modulen mit Einscheiben-Sicherheitsglas funktioniert das nicht so einfach. Wir hätten jetzt die Möglichkeit, Solarmodule genau in dem von der Norm geforderten Raster herstellen zu lassen. Das wäre aber so teuer geworden, dass es das Budget unseres Forschungsprojekts überstiegen hätte. Deshalb haben wir begonnen, Solarmodule mit anderen Maßen mit den Glasbau-Normen zu prüfen, allerdings auch nur rahmenlose.

Das heißt zu 90 Prozent des Markts können wir jetzt noch gar keine Aussage treffen. Eigentlich wäre es ganz wichtig, gerahmte Module auch zu untersuchen, weil davon aus­zugehen ist, dass der Rahmen in Kombination mit den Gläsern, die ­ja meistens mit Silikon in den Rahmen ­eingefügt werden, sich statisch ganz anders verhält als ein ungerahmte Glas. Ein ungerahmtes Glas bricht bei den Durchbiegungs- oder Kugelfalltests sehr viel früher, sodass man sehr viel dickeres Glas in der Modulfertigung verwenden muss.

Wenn aber der Rahmen im Versuchsaufbau mit eingespannt wird – was in der Glasbaunorm nicht vorgesehen ist, aber in der PV-Norm IEC-61730 –, dann kann eine viel größere Last auf das Modul wirken. Viele Photovoltaikhersteller – diese Entwicklung ist nicht zu übersehen – verwenden deshalb Doppelglas, das ist Standard geworden. Gerahmte Doppelglas-PV-Module überstehen mühelos 5400 Pascal Druck und Sog. Also eine sehr hohe Prüflast, die eigentlich nahelegt, dass das natürlich auch an der Fassade funktioniert.

Photovoltaikfassaden benötigen in Deutschland immer noch eine Einzelfallgenehmigung (im Bild: gerahmte PV-Module am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Stuttgart).

Ist der Abgleich der Normen das Ziel des Forschungsprojekts? Oder geht es darum, andere Prüfverfahren zu entwickeln?

Es geht um beides. Wir wollen die beiden Normen zusammenbringen und Änderungen für das Bauen mit Glasmodulen zuzulassen. Denn bislang benennt die Norm kein Verfahren, wie gerahmte Module zu prüfen sind. Das können wir allerdings erst in einem Folgeprojekt angehen. Jetzt untersuchen wir, ob ungerahmte Module die Anforderungen als Fassadenelement erfüllen und wie sie ausgelegt sein müssen.

Aber es gibt ja PV-Fassadensysteme in Deutschland. Wie sind die dann zustande gekommen?

Es gibt eine Einzelfallgenehmigung, also die Zustimmung im Einzelfall. Die kann man bei der Behörde beantragen. Die meisten Fassadenprojekte sind bereits in der Mitte der neunziger Jahre entstanden und bis Ende 2005 gebaut worden. Zu der Zeit wurden teilweise kleinere Module verwendet, aber im Prinzip sind die Projekte mit wenig behördlichem Aufwand realisiert worden.

Warum ist es jetzt schwieriger, PV-Fassaden zu bauen?

2012 hat das DIBt ein Hinweispapier für Photovoltaikanlagen herausgebracht. Darin werden unter anderem Zulassungsregeln festgeschrieben, zum Beispiel ab welchem Moment ein Zulassungsverfahren benötigt wird. In dem Hinweispapier steht: Wenn Photovoltaikmodule zwischen 75 bis zu 90 Grad verbaut werden, dann unterliegen sie den Glasbau­regeln, ebenso wenn man Photovoltaik über Kopf montiert. Das hat die Situation verschärft. Zudem ist eine allgemein baurechtliche Genehmigung oder eine Zustimmung im Einzelfall notwendig. Die Kosten dafür belaufen sich auf mehrere Zehntausend Euro.

Während die Muster-Bauordnung bei Hochhäusern für Glas bezüglich des Brandschutzes eine Ausnahme vorsieht, gilt das bislang noch nicht für die Photovoltaik (im Bild: rahmenlose PV-Module am Helmholtz-Zentrum in Berlin).

Mit StaGiMo wollen Sie die Eignung rahmenloser Glas-Glas-Module nachweisen und kostengünstige Projekte ermöglichen?

Ja, dabei geht es uns nicht nur um die Statik, wir kümmern uns auch um den Brandschutz. Wir untersuchen, welche Anforderungen existieren und welche Lösungen sich anbieten. Leider wartet hier der nächste Stolperstein, denn das DIBt hat in der Muster-Bauordnung geschrieben, dass die Baustoffe, die an der Außenfassade verbaut werden dürfen, insbesondere wenn sie über 22 Meter hoch sind, aus nicht brennbaren Materialien bestehen müssen. Ein Photovoltaikmodul besteht aber aus brennbaren Materialien: Zwischen den beiden Glasscheiben liegt eine Kunststoffschicht, die etwas brennen kann. Es handelt sich zwar um eine sehr geringe Brandlast, aber in der Muster-Bauordnung steht die Anforderung nun mal pro forma.

Für Glas gilt eine Ausnahme, ansonsten könnte man gar keine Hochhäuser mit Verglasung bauen. Denn auch bei einer Absturzverglasung liegt zwischen zwei Gläsern ein Kunststoff. Bei einem Photovoltaikmodul handelt es sich doch eigentlich auch um ein Glasprodukt. Warum gilt die Ausnahme nicht auch für die Photovoltaik? Vor allen Dingen gilt es noch zu berücksichtigen, dass sich bei einem PV-Modul zwischen den Gläsern außerdem nicht brennbares Silizium befindet, was die Brandlast senkt. Bislang hat das DIBt die Argumentation in Gesprächen aber nicht akzeptiert. Deshalb werde ich demnächst als PV-Fachausschussvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie in einem offiziellen Brief um Gleichstellung bitten. Schließlich wird die Photovoltaik in dieser Hinsicht benachteiligt, ohne dass es einen Sinnzusammenhang gäbe, aber mit gravierenden Folgen: Am Alexanderplatz in Berlin ist eine PV-Fassade an einem Hochhaus nicht gebaut worden, weil der Brandschutz-Sachverständige auf die Hochhausrichtlinie verwiesen hat.

Das Gespräch führte Joachim Berner.

Dieser Artikel erschien zuerst in Gebäude Energieberater-Ausgabe 09/2022.

Das Projekt StaGiMo

Bei Fassaden mit gebäudeintegrierter Photovoltaik bestehen die verwendeten Solarmodule üblicherweise aus Glastafeln für die Träger- und Substratschicht. Bei den Gläsern handelt es sich aufgrund elektro- und bautechnischer Anforderungen um Verbund- oder Verbundsicherheitsglas. In Deutschland war bisher Polyvinylbutyral (PVB) als einziges Material für Zwischenschichten von Verbundsicherheitsglas zugelassen. Durch die europäische Rechtsprechung wurde es aber möglich, alternative Materialien – Ethylenvinylacetat (EVA) und Polyolefine (POE) einzusetzen.

Dadurch ändern sich die Zusammensetzung und damit die Eigenschaften der Bauprodukte. Sie erfüllen nicht die Anforderungen an Verbundsicherheitsglas und erfordern daher eine Zustimmung im Einzelfall oder eine allgemeine Bauartgenehmigung. Des Weiteren sind diese bautechnischen Anforderungen mit Bestimmungen aus der Elektrotechnik und dem Brandschutz abzugleichen. Daraus resultieren aufwendige Vorgehensweisen, die sich als ein Hemmnis für die Verbreitung gebäudeintegrierter Photovoltaik erweisen.

Die Forschungsgruppen des Projekts Standards für die Gebäudeintegration von PV-Modulen (StaGiMo) arbeiten daran, eine Vorgehensweise zu entwickeln, um den Rahmenbedingungen einfacher entsprechen zu können. Aus funktionaler Sicht ist die gebäudeintegrierte Photovoltaik in hinterlüfteten Konstruktionen am sinnvollsten zu realisieren. Das Forschungsprojekt hat daher die Anwendung in vorgehängten hinterlüfteten Fassaden und Indach-Systemen im Fokus. Ziel des Projektes ist die Entwicklung von standardisierten Prüfverfahren und Fachregeln sowie standardisierten Lösungen für die Integration.

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin leitet das Projekt. Als Partner arbeiten der Landesverband Berlin Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie und die Universität Siegen mit. Außerdem unterstützen BayWa r.e. Solar Energy Systems, das Deutsche Institut für Bautechnik, die Firma Sunovation und der TÜV Rheinland das Projekt, das im August 2023 endet. Die Projektbeteiligten bedanken sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für die Förderung. https://stagimo.de/

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