Wie sich PV-Module in Fassaden und Gebäude integrieren lassen
Die Fassade gehört dem Architekten – zumindest, was die Ästhetik angeht. „Fassaden sind da, um sie zu lieben. Es ist nicht nur eine Technologie.“ Mit diesen Worten eröffnete Stefan Winter, Professor für Holzbau und Baukonstruktion an der Technischen Universität München, die diesjährige Conference on Advanced Building Skins. Die Veranstaltung findet alljährlich in Bern statt und sieht sich als Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen allen Partnern, die an der Erstellung einer Gebäudehülle beteiligt sind.
Winters Worte sind eindeutig und zeigen schon mal den Weg, den der Architekt geht, wenn er eine Fassade nach seinen Vorstellungen schaffen will. Da geht es um Ästhetik, Optik, Schönheit, Kunst. Ein Solarmodul kann durchaus mit ins Konzept passen. Doch der größte Teil der Architekten schielt immer noch an den Angeboten der gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV) vorbei auf die bekannten Materialien.
Die Kosten im Blick behalten
Noch ist die BIPV nicht erwachsen. „Sie ist immer noch eine Nische, auch wenn mehr Projekte gebaut werden und der Anteil der BIPV steigt“, weiß Jochen Weick, Vertriebsleiter von Avancis. Der Hersteller von Dünnschichtmodulen aus dem sächsischen Torgau hat sich unter anderem auf die Gebäudeintegration spezialisiert. „Wir müssen als Branche jetzt auch die technischen und ökonomischen Aspekte beachten“, sagt er unter anderem mit Blick auf einen Mitspieler, den die Branche bisher nicht so richtig beachtet hat: den Bauherrn.
Dem investierenden Gebäudeeigentümer ist es egal, wie der Architekt die Anlagen an die Fassade anbindet. „Der Bauherr will eine schlüsselfertige Solaranlage“, sagt Jochen Weick. Und die will er zu einem vertretbaren Preis.
Der Generator darf nicht viel mehr kosten als die ohnehin notwendige Fassade. Auch wenn es in der BIPV-Branche umstritten ist: Die Amortisation des solaren Anteils ist für den Investor von Bedeutung. Zumindest müssen das die Anbieter von Solarfassaden immer stärker in den Blick nehmen. Die Zeiten, in denen die Pioniere der Immobilienbranche in die Solarfassade investiert und damit ihr Image aufgebessert hat, gehen zu Ende. „In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder herausragende Projekte mit bekannten Architekten realisiert“, erinnert sich Laurent Quittre, Geschäftsführer von Issol. „Inzwischen merken wir, dass die Nachfrage auf Solarfassaden für normale Bürogebäude, Industriegebäude und nicht zuletzt Wohngebäude umschlägt.“ Immer öfter bekommen die Hersteller und Projektierer von Solarfassaden jetzt Aufträge von Architekten, die Investitionsobjekte errichten.
Bauherren wollen Effizienz
Inzwischen werden Anforderungen an oder die Zertifikate für Gebäude hinsichtlich der Energieeffizienz immer mehr zu den Treibern des BIPV-Marktes. „Schließlich besteht der Energiebedarf in den Städten, und da brauchen wir nicht den Solarpark auf der grünen Wiese, sondern müssen ihn eigentlich in die Stadt verlegen“, betont Jean-Didier Steenackers. Der Architekt von Sunsoak Design in Brüssel hat unter anderem die Solarfassade am Gebäude des französischen Verteidigungsministerium in Paris entworfen.
Steenackers hat sich die Worte des Stararchitekten Norman Foster zu Herzen genommen: „Bei solarer Architektur geht es nicht um eine Mode, sondern es geht um das Überleben.“ Denn der Solarpark in der Stadt kann natürlich nur dort entstehen, wo die Flächen zur Verfügung stehen: an den Gebäuden.
Energieertrag prognostizieren
Damit steht die BIPV-Branche gleich vor zwei neuen Aufgaben. Die erste kommt vom Bauherren. Für ihn stellt sich die Frage nach der Verwendung des Stroms. Denn auch wenn die Solarmodule konkurrenzfähig zum hochwertigen Fassadenmaterial sind, ist die produzierte Energie immer noch teuer. Sie muss im Gebäude direkt verbraucht werden, damit es sich rechnet.
Somit muss die Fassade auch in die Haustechnik einbezogen werden, was nach einer detaillierten Prognose des Ertrags verlangt. Auch dafür wurden auf der Conference on Advanced Building Skins Lösungen vorgestellt.
So hat das belgische Forschungsinstitut Imec ein Prognosetool entwickelt, mit dem sich der tägliche Ertrag auch aus Fassadenanlagen mit einer maximalen Abweichung von 2,5% vorhersagen lässt.
Allerdings hängt diese Prognose gerade bei Solarfassaden sehr stark von der Hinterlüftung ab, vor allem wenn kristalline Siliziummodule integriert werden. Mit geringerer Hinterlüftung steigt die Modultemperatur. Dadurch sinkt die Leistung. Entwickler vom niederländischen Forschungsinstitut SEAC in Eindhoven haben das mal nachgemessen.
Sie haben gleiche Module nebeneinander installiert – eins im Abstand von vier Zentimetern zur Fassade und das andere acht Zentimeter von der Außenwand entfernt. „Wir haben herausgefunden, dass bei einer Einstrahlungsstärke von 800 Watt pro Quadratmeter die größere Lücke zwischen Modul und Fassade für eine um fünf Grad Celsius niedrigere Temperatur am Modul sorgt“, fasst Wiep Folkerts von SEAC die Ergebnisse zusammen. „Das bedeutet für monokristalline Siliziummodule einen Leistungsunterschied von 2,4%.“ Auf diese Weise wird die Prognose noch schwieriger. Denn dann müssen die Programme, die den Ertrag der Solarfassade berechnen, zu den vielen ohnehin schon vorhandenen Variablen auch noch das konkrete Installationsdesign mit einbeziehen.
Separate Planung von Fassadenanlagen
Die zweite Aufgabe kommt vom Architekten und vom Planer. Denn bisher entstehen die Entwürfe mit einer Software, die in der Regel auf CAD basiert. Damit modelliert der Architekt sein Gebäude. Auf der Basis dieses Modells kann er die Mengen der Baumaterialien bestimmen, die gebraucht werden. Über eine Software zur Bauwerksdatenmodellierung (BIM) optimiert er die Planung und die Bauausführung.
Hier fehlte aber die Photovoltaik bisher vollständig. Eine Fassadenanlage muss der Architekt separat planen. Wenn Änderungen eintreten, müssen er und die Fachplaner diese mühsam in den ursprünglichen Entwurf einarbeiten. Über diese Hürde springen nur die wenigsten.
Schnittstelle zum Architekten
Inzwischen gibt es die ersten Schnittstellen zwischen Architekt und Photovoltaikwirtschaft. So hat Philippe Alamy von Cadcamation, einem Entwickler von Planungstools für Architekten, ein Programm vorgestellt, das auf einer dreidimensionalen Modellierung basiert, wie sie Architekten schon kennen. Es bezieht sämtliche Parameter wie direkte und indirekte Sonneneinstrahlung, Ausrichtung der Anlage oder Verschattungen mit ein und erlaubt eine direkte Anbindung an die CAD-Programme.
Auch Marco Lovati vom Forschungsinstitut Eurac in Bozen hat eine Planungssoftware für Solarfassaden veröffentlicht. Sie kommuniziert mit den Programmen, die Architekten in der Regel nutzen, um die Gebäude zu entwerfen. Auf diese Weise kommen jetzt die ersten Werkzeuge zum Anwender, die eine Brücke zwischen Produkt und Projekt schlagen, wie es Philippe Alamy ausdrückt.
Heliatek: Organische Solarfassade auf dem Weg in den Markt
Mit gleich zwei Kooperationen geht Heliatek den nächsten Schritt in den BIPV-Markt. So hat der Dresdner Hersteller von organischen Solarfolien zusammen mit dem Bausystemeanbieter Hoesch eine Pilotfassade entwickelt. Auf einer Fläche am Hauptsitz von Hoesch wurden 40 Fassadenelemente mit integriertem, zwei Meter langem Heliafilm bestückt. Das Element soll in Zukunft der Bauwirtschaft als Material für vorgehängte, hinterlüftete Fassaden mit Stahlplatten angeboten werden.
Hoesch sieht darin eine Antwort auf die Herausforderungen, vor denen Architekten und die Bauwirtschaft in Zukunft stehen werden. Sie müssen energieeffiziente Gebäude errichten, was mit einfacher Dämmung nicht mehr zu realisieren ist. Die Gebäudehülle darf nicht mehr passiv sein und muss selbst Strom erzeugen, wo es realistisch möglich ist. Die Installation ist ein erster Test, wie sich die Solarfolie unter realen Bedingungen verhält, wenn sie auf die Stahlelemente aufgebracht ist.
Eine zweite Testfassade hat Heliatek am Gebäude der Lechwerke in Augsburg aufgebaut. Zusammen mit dem Hersteller von Fassadenelementen SVK aus dem belgischen Sint-Niklaas haben sie eine Fläche aus weißen Faserzementplatten mit den organischen Solarmodulen belegt. Der neue Generator überspannt insgesamt 56 Quadratmeter. Aus den 2,43 Kilowatt Photovoltaikleistung sollen jedes Jahr 2.000 Kilowattstunden Solarstrom fließen. Damit wäre die Anlage so ertragreich – trotz des geringen Wirkungsgrades – wie eine am oberen Teil der Fassade schon existierende kristalline Solaranlage. Das zu zeigen, ist ein Teil des Projekts.
ZSW: Mit Dünnschicht den Markt antreiben
Forscher des ZSW Baden-Württemberg wollen zusammen mit Industriepartnern die CIGS-Dünnschichtphotovoltaik für die Fassadenintegration fit machen. „Wir optimieren das Moduldesign hinsichtlich Energieertrag, Schattentoleranz, Montagefreundlichkeit und Flexibilität der Modulgröße und passen es an die übrigen Systemkomponenten an“, erklärt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. Ziel sei es, die bisher auf Dächern und Freiflächen genutzte Technologie nun auch in den BIPV-Markt zu bringen. Assoziierte Partner des ZSW sind unter anderem Avancis, Kaco New Energy, SMA und Solaredge. Es stehen sowohl fertigungstechnische als auch systemtechnische Themen auf dem Forschungsprogramm.
An den elektronischen Komponenten untersuchen die Forscher die Aspekte Sicherheit, Funktionalität und Zuverlässigkeit. Außerdem prüfen sie das energiewirtschaftliche Potenzial von CIGS-Fassaden mit Blick auf die Deckung des elektrischen und thermischen Energiebedarfs im Gebäude. Dazu kommen noch gestalterische Aspekte. Die Projektpartner verweisen darauf, dass die Dünnschichttechnologie eine andere Zellstruktur hat als die Siliziummodule und kaum sichtbar sei. Das ermögliche homogene Glasflächen in dezenten Farben.
Wie so etwas aussehen kann, zeigt die Solarfassade mit CIGS-Modulen am neuen Institutsgebäude in Stuttgart. Dort hat das ZSW auf einer Fläche von 246 Quadratmetern 357 Module in sechs verschiedenen Größen in die Fassade integriert. Sie ersetzen die ursprünglich vorgesehenen Aluminiumelemente. An dieser Anlage und an einer weiteren auf einem Testfeld können die Forscher eine vergleichende Bewertung der verschiedenen Systemvarianten hinsichtlich Funktion und Ertrag durchführen.
SMK Ingenieure: Drei Fliegen mit einer Klappe
SMK Ingenieure aus Chemnitz haben zusammen mit ihren Partnern von der TU Chemnitz, Backer Bau und Ilkazell ein gebäudeintegriertes Dach- und Fassadensolarelement für den Industrie- und Gewerbehallenbau entwickelt. Das Element ist eine Kombination aus Photovoltaikmodul, solarthermischem Kollektor, Dämmung und Gebäudeabschluss. Das Bauteil ist komplett vorgefertigt, was eine signifikante Material- und Installationskosteneinsparung erlaubt. Aufgrund der Dämmung leistet es zudem einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der EnEV-Vorgaben.
Bei dem entwickelten Bauelement handelt es sich um ein multifunktionales Sandwichelement, bestehend aus einem Stahlblech als unterer Deckschicht und einem Glas-Glas-Photovoltaikmodul als oberer Deckschicht. Dazwischen liegt ein Sandwichkern aus Polyurethanschaum. Durch ein innovatives Wärmeübertragersystem unter den Solarmodulen kann deren Wirkungsgrad aufgrund der Kühlung zum einen verbessert werden. Zum anderen wird durch das Abführen der Abwärme gleichzeitig thermische Energie gewonnen. Zusätzlich enthält das Wärmeübertragersystem eine Abtau- beziehungsweise Freihaltefunktion. Die ermöglicht, dass im Winter kritische Schneelasten vermieden werden. Da das Element relativ schnell abtaut, kann der Anlagenbetreiber im Winter mehr Solarenergie – sowohl in Form von Wärme als auch von Strom – gewinnen.
Dieser Beitrag von Redakteur Sven Ullrich erschien zuerst in Photovoltaik 10/2017.