Tipp vom Anwalt: Vorsicht bei der Bauabnahme
Die Abnahme ist eine Hauptpflicht des Auftraggebers (§ 640 BGB) gegenüber dem Auftragnehmer. Die Abnahmeerklärung bedeutet die Entgegenahme der Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber ein noch nicht fertiggestelltes Werk abnimmt. In einer aktuell veröffentlichen Entscheidung, der der nachfolgende Sachverhalt zugrunde lag, erläutert das Gericht (vgl. OLG München, Beschluss v. 20.07.2020, Az.: 27 U 2207/20 Bau), dass der Werklohn auch dann fällig ist, wenn das Objekt zwar noch nicht vollständig errichtet wurde, allerdings die Abnahme bereits erklärt wurde.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) wurde von seinem Auftraggeber (AG) mit der Errichtung einer Autowaschanlage inklusive SB-Waschplatzsystem beauftragt. Die Vertragsparteien stritten sich über den Restwerklohn. Nachdem einzelne Teilleistungen noch nicht ganz fertiggestellt waren, kam es dennoch zu einer Abnahmeerklärung des AG hinsichtlich des Werks (ohne Mängel). Noch bevor die Restleistung erbracht wurde, macht der AN seine Werklohnforderung geltend. Der AG entsprach der Werklohnforderung. Seiner Meinung nach sei die Werklohnforderung aufgrund der noch nicht erfolgten Fertigstellung unberechtigt gewesen.
Entscheidung
Das Gericht entschied zu Gunsten des Auftragnehmers. Hierzu stellte das Gericht fest, dass auch bei einem nicht fertiggestellten Werk es dem AG grundsätzlich freistehe, eine Abnahme durchzuführen. Letzteres habe der AG ausdrücklich getan, und als im Geschäftsverkehr Kundiger mussten ihm - ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 153, 157 BGB - auch die Folgen einer derartigen Abnahmeerklärung bekannt gewesen sein.
Wichtige Anmerkungen für die Abnahme
1. Je nach Komplexität der geschuldeten Werkleistung empfiehlt es sich, auf Auftraggeberseite einen Bausachverständigen und ggf. einen Rechtsbeistand zur Bewertung der Werkleistung hinzuzuziehen. Diese können, unter Beachtung der vertraglichen Regelungen und funktionalen Ansprüche an das Werk, die Abnahmereife feststellen:
- a) Liegen sämtliche Unterlagen (§ 650n BGB) vor, um gegenüber der Behörde den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vor-schriften ausgeführt werden wird bzw. worden ist?
- b) Entspricht das Bauwerk den a.a.R.d.T., sind Mängel vorhanden bzw. liegt eine funktionale Beeinträchtigung vor?
- c) Entspricht das Werk den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags?
Wesentliche Mängel stehen der Abnahme immer entgegen (z.B. kein gefahrloser Zugang bzw. keine gefahrlose Nutzbarkeit des Objekts, insbesondere bei Brandschutzmängeln; Im bestimmten Fällen auch bei Ausfall der Heizung bzw. Warmwasserversorgung etc.). Liegen solche wesentlichen Mängel nicht vor, ist die Abnahme (unter Beachtung nachfolgender Ziffer 2 und Ziffer 3) innerhalb der gesetzten Frist gegenüber dem Auftragnehmer zu erklären.
2. Sämtliche bekannten (unwesentlichen) Mängel und Restarbeiten sind in einem Abnahmeprotokoll zu vermerken. Hier dienen Mustervorlagen als Orientierung.
3. Auf dem Abnahmeprotokoll bzw. im Zuge der Abnahmeerklärung hat sich der Auftraggeber sämtli-che Gewährleistungs- und Vertragsstrafenansprüche betreffend protokollierter Mängel unter Verweis auf das Abnahmeprotokoll vorzubehalten.