EnWG-Novelle: Noch vor Bundestagswahl umsetzen

Zum diskutierten Entwurf der sogenannten kleinen EnWG-Novelle erklärt Kerstin Andreae:
"Der Gesetzentwurf enthält wichtige Maßnahmen zur Dämpfung von PV-Einspeisespitzen und somit zur Sicherstellung der Netzstabilität. Die zeitnahe Umsetzung dieser Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode ist entscheidend, um die Herausforderungen der Energiewende zu meistern. Dabei ist es wichtig, auf praxistaugliche und unbürokratische Lösungen zu setzen.
Der Zubau von PV-Anlagen hat im Jahr 2024 mit 17 Gigawatt (GW) erneut einen Höchststand erreicht und ist damit eine Erfolgsgeschichte. Allerdings – und das ist die Kehrseite der Medaille – speisen viele PV-Anlagen unter 100 kW ungesteuert ins Stromnetz ein, was bei hoher Einspeisung um die Mittagszeit eine Herausforderung für die Netzstabilität ist. Denn in den Stromnetzen müssen Angebot und Nachfrage jederzeit im Gleichgewicht sein. Und die Herausforderungen steigen, da mit wachsendem Anteil der Anlagen in diesem Segment auch deren Relevanz für die Systemsicherheit steigt. Dieses Problem besteht übrigens auch bei perfektem Netzausbau. Daher ist es notwendig, auch diese Anlagen steuerbar auszulegen. Als Übergangslösung hilft die Wirkleistungsbegrenzung für Neuanlagen, die jetzt mit der aktuellen EnWG-Novelle beschlossen werden soll. Sie hilft zumindest, um die Problematik nicht noch weiter zu verschärfen.“
Potenzial von Speichern für Netzentlastung heben
Darüber hinaus sei es notwendig, das Potenzial von Speichern für die Netzentlastung zu heben. Die neuen Ansätze zur Flexibilisierung von Speichern sollen insbesondere für kleinere Heimspeicher in Kombination mit einer Solaranlage einen Anreiz setzen, möglichst über die Mittagszeit zu laden und damit einen Beitrag zu leisten, Stromspitzen zu dämpfen.
Zur Weiterentwicklung des Messwesens sagt Andreae: "Die Neuausrichtung des Smart-Meter-Rollouts hin zu einem „Steuerungsrollout“ ist ein entscheidender Schritt für die Netz- und Systemsicherheit. Dies kann nur gelingen, wenn die Finanzierung gesichert ist und die Preisobergrenzen für Smart Meter, so wie im Digitalisierungsbericht gefordert, angehoben werden."
Mit Blick auf den Wegfall der EEG-Förderung bei negativen Strompreisen ergänzt Andreae: "Der Wegfall der EEG-Förderung bei negativen Börsenpreisen ist sinnvoll, wenn nicht vergütete Strommengen später nachgeholt werden können. Perspektivisch ist hier eine Weiterentwicklung hin zu einem echten Marktmengenmodell ohne Restriktionen notwendig.“
Gut sei auch, dass zentrale Verbesserungsvorschläge des BDEW in den Gesetzentwurf aufgenommen worden sind, wie die Verlängerung der Übergangsregelung für Ladesäulen von De-minimis-Unternehmen. Damit können kleine und mittlere Stadtwerke ihre Ladesäulen zumindest bis Ende 2026 weiter betreiben, auch wenn Vertrieb und Netzbetrieb in einer Gesellschaft gebündelt sind.
Systemsicherheit und Marktintegration: Statement des BSW-Solar
Auch Solar- und Speicherbranche spricht sich für den Gesetzentwurf aus. Der Entwurf enthalte sinnvolle Regelungen, damit Solarstromanlagen kurzfristig klare Regeln erhalten für einen noch höheren Beitrag zur Systemsicherheit und zur Marktintegration. Zugleich würden damit die Netzbetreiber in die Lage versetzt, ihren Verpflichtungen zur sicheren Steuerung von Solaranlagen nachzukommen und der Speicherausbau befördert.
„Mit dem erfolgreichen Zubau der Photovoltaik wird diese zukünftig immer häufiger auch zur tragenden Säule im Strommarkt“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. „Als tragende Säule kann sie – gerade in Verbindung mit Speichern – auch mehr Verantwortung tragen, sich künftig noch systemdienlicher verhalten und aktiver auf Marktsignale reagieren.“
PV-Anlagen decken rund 14 Prozent des Strombedarfs
Der Photovoltaik-Zubau hat sich zuletzt auf dem gesetzlich verankerten Zielpfad zu einem klimaneutralen Stromsystem befunden, mit all seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteilen. Im Jahr 2024 wurden neue Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von rund 17 GW in Betrieb genommen. Insgesamt sind Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 100 GW in Deutschland installiert, die 2024 rund 14 Prozent des heimischen Strombedarfs deckten (vgl. Pressemitteilung vom 06.01.25).
„Die Solar- und Speicherbranche ist sich ihrer Verantwortung als Innovationstreiber und wesentliche Säule der Energiewende bewusst“, so Körnig. Der Bundesverband Solarwirtschaft appelliert daher an die Abgeordneten des deutschen Bundestags, die „in weiten Teilen sachgerechten Gesetzesänderungen noch vor der Bundestagswahl zu verabschieden. Denn die Veränderungen dienen auch dazu, die hohe gesellschaftliche und parteiübergreifende Unterstützung für den weiteren starken Ausbau der Solarenergie zu erhalten“, sagt Körnig.
Wetterabhängige Erzeugungsspitzen und Einspeisespitzen dämpfen
Die vorgesehenen Maßnahmen würden den weiter notwendigen starken Photovoltaik-Zubau der nächsten Monate erfassen und die Systemintegration von kleinen Photovoltaikanlagen voranbringen. Die Novelle könnte wetterabhängige Erzeugungsspitzen und Einspeisespitzen Erneuerbarer Energien in Zeiten geringen Stromverbrauchs, z. B. an Feiertagen, dämpfen und damit nicht zuletzt die Fördereffizienz erhöhen.
Der Verband, der die Interessen von rund 1.300 Solar- und Speicherunternehmen vertritt, begrüßt insbesondere, dass dafür Anreize für eine systemdienliche und flexiblere Nutzung von Batteriespeichern geschaffen werden sollen. Hierdurch könnten Speicher ihr volles Potenzial zur Systemintegration der Photovoltaik ausschöpfen. Unter den richtigen Rahmenbedingungen könnten sich laut einer aktuellen Marktanalyse von Enervis die Großspeicherkapazitäten in den nächsten zwei Jahren verdoppeln. (vgl. Pressemitteilung vom 02.10.24)
Im Falle einer angemessenen Kompensation sei nach Einschätzung des Bundesverbandes Solarwirtschaft auch der geplante Wegfall der Förderung zu Zeiten negativer Börsenstrompreise für künftige Solaranlagen-Betreiber tragbar.
Schaffung von massentauglichen Prozessen in der Direktvermarktung
Zu den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Maßnahmen zählt darüber hinaus die Schaffung von massentauglichen Prozessen in der Direktvermarktung, um diese auch für kleinere Solarstromanlagen bezahlbar und leichter handhabbar zu machen.
Kritisch sieht die Solarwirtschaft hingegen die vorgeschlagene Anhebung der Preisobergrenzen für intelligente Messysteme, sogenannte Smart Meter. Diese würden einseitig Betreiber:innen von kleinen Solarstromanlagen belasten, während der Nutzen und die Notwendigkeit primär aus dem Netzbetrieb herrühre.