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Individueller Sanierungsfahrplan: Fahrplan zum Schnäppchen oder Kostenfalle?

Robert Philipp

Fünf Prozent mehr Förderung für individuelle Sanierungsfahrpläne (iSFP) - lohnt sich das?

Seit einigen Jahren geistert der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP) in der Förderlandschaft mit verlockenden zusätzlichen fünf Prozent Förderung auf Einzelmaßnahmensanierungen herum. Genaue Berechnungen und Gegenüberstellungen mit einer Sanierung in einem Zug (SIEZ) zu einem Effizienzhaus fehlten bislang offensichtlich. Es ist an der Zeit, die Wirtschaftlichkeit und die Auswirkungen auf den Klimawandel bei den beiden Sanierungsvarianten näher zu betrachten.

Eine schrittweise Sanierung mit einem iSFP für 200.000 Euro klingt erst einmal besser, als 2 Millionen Euro auf einmal. Der iSFP hat aber gegenüber der Gesamtsanierung in einem Zug erhebliche wirtschaftliche wie auch ökologische Nachteile. Das belegen einige Energieeffizienz Berechnungen. Basis sind die Förderkonditionen in München, ähnliche Förderprogramme gibt es in zahlreichen anderen Städten. Mit unseren Daten kommt sogar heraus: Sollten wir weiter in geförderte Sanierungs-Einzelmaßnahmen investieren, wird das Ziel, 2040 beziehungsweise 2050 klimaneutral zu werden unmöglich zu erreichen sein. Zudem binden Einzel-Maßnahmen Kapazitäten von Energieberatern und ausführenden Firmen, die uns für den reibungslosen Ablauf von Sanierungen mit SIEZ fehlen.

Der individuelle Sanierungsfahrplan definiert sinnvolle Schritte.

Emissionsfrei zu heizen und nur noch die Hälfte an Energie zu verbrauchen, wird schon aufgrund der iSFP- Sanierungen unmöglich. Wie unsere Untersuchungen zeigen, bleibt bis zum Abschluss einer geplanten Sanierung in zehn Jahren ein beträchtlicher CO2-Rucksack mitzutragen.

Sanierungsfahrplan Beispiel: iSFP versus SIEZ

In der Untersuchung sind wir von einem virtuellen Wohngebäude, einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1970 mit einer Wohnfläche von 3000 Quadratmetern ausgegangen. Die Kosten für Energie haben wir mit 60.000 Euro pro Jahr angenommen. Die CO2-Emissionen des Gebäudes von derzeit 120 Tonnen im Jahr werden durch eine energetische Sanierung zum KfW-70-Effizienzhaus auf eine Emission von 20 Tonnen CO2 pro Jahr reduziert. Die CO2-Einsparung beträgt somit 100 Tonnen pro Jahr dank dieses Sanierungsfahrplans.

Die dafür notwendigen Sanierungskosten in einem Schritt sind mit 2 Millionen Euro angenommen und werden beim iSFP in zehn gleiche Tranchen à 200.000 Euro über zehn Jahre verteilt angenommen. Im iSFP werden also jedes Jahr Einzelmaßnahmen im Wert von 200.000 Euro, zuzüglich Teuerung und zusätzlichen Kosten (mindestens zweimal Gerüst, Baustelleneinrichtung etc.), verbaut. Dazu kommen die weiterhin entstehenden, jedoch jedes Jahr abschmelzenden Energiekosten bis zum Jahr zehn der Sanierung des Gebäudes. Darauf gibt es als Einzelmaßnahme jedes mal 20% Förderung plus 5% iSFP-Zuschlag, die entsprechend verrechnet werden .

Die Gesamtsanierung in einem Zug dagegen wird im ersten Jahr mit 2.000.000 Euro durchgeführt. Die Teuerungsraten von Baukosten, Energie- und Energieteuerungskosten entfallen im weiteren Verlauf ab dem Jahr zwei für die gesamte Sanierungsmaßnahme. Da unser Gebäude in München steht, kommen zu der Förderquote als KfW-70-Effizienzhaus 35 Prozent und einem Erneuerbare-Energien-Zuschlag für Photovoltaik und Wärmepumpe von 5 Prozent eine weitere Förderung des FES Förderprogramms der Stadt München von in etwa umgerechnet 10 Prozent hinzu.

Was ist mit den CO2-Emissionen?

In einem zweiten Vergleich wird das CO2- Reduktionspotenzial der beiden Varianten untersucht. Bei der Gesamtsanierung fällt ab dem Ende von Jahr eins keine CO2- Emission mehr an. Der in beiden Fällen bestehen bleibende Sockel an Emissionen (20 Tonnen pro Jahr) wird in dieser Studie dabei außer Acht gelassen.

Bei der iSFP-Sanierung fallen bis zur letzten Sanierung im zehnten Jahr noch erhebliche CO2-Emissionen an, die die Klimaneutralität 2035 noch deutlicher verfehlen lassen, wenn wir diesen Rucksack noch aufsummieren müssen.

Im nicht ungewöhnlichen Beispiel sind das 450 Tonnen! Bei 10.000 solcher Gebäude sind das 4,5 Mio. Tonnen CO2 bis 2031. Mir ist nicht klar, wie politische Entscheider in Bund und Kommune so etwas mittragen können.

Sanierungsfahrplan: Vorsicht bei der Kosten Berechnung!

Nun zum Argument, eine auf zehn Jahre gestreckte Sanierung wäre argumentativ durch den Energieberater besser an den Mann oder die Frau zu bringen. Natürlich startet die Sanierung mit dem iSFP im ersten Jahr mit 200.000 Euro, und das klingt zugegeben schon anders als mit 2 Millionen Euro. Aber schon nach vier bis fünf Jahren muss mehr als eine Million für die Maßnahmen des iSFP finanziert werden, ungefähr die Gesamtfinanzierungssumme der SIEZ. Es sollte doch egal sein, ob ich als Eigentümer das Geld selbst anspare oder an die KfW abzahle. Da zählt nur noch die Höhe des Betrages: 2,4 Mio Euro (iSFP) oder 1 Mio (SIEZ). Wer den ISFP weiterhin als Werbemaßnahme für die Anbahnung von Sanierungen verwenden will, der sollte sich bewusst sein, dass die Beratenden möglicherweise sogar irgendwann einmal haftungsproblematische Fragen bezüglich einer unwirtschaftlichen Beratung stellen könnten.

Umso wichtiger ist es, den Zwei-Millionen-Betrag so aufzubereiten, dass Opa Helmut oder Tante Evi verstehen, dass ihre Rente auch bei so einer großen Sanierung reicht. In die Finanzierung der Sanierungskosten sind nämlich auch die Energiekosteneinsparungen einzurechnen. Am Ende muss nur eine einzige griffige Zahl stehen, müssen alle Kosten und Erträge (Förderungen, Energiekosteneinsparung) auf den Quadratmeter Wohnfläche heruntergerechnet werden.

Der Auswertung der tatsächlichen Kosten, die mit einer Sanierung im iSFP entstehen, wird nun die Kostenentwicklung bei einer Sanierung in einem Zug gegenübergestellt. Bei den Berechnungen der Teuerungen wurden der Einfachheit halber in beiden Varianten die Teuerungen von Jahr zu Jahr addiert und nicht Zins und Zinseszins berechnet. Außerdem wurden keine Zinsschwankungen in Zukunft zugrunde gelegt. Bankfachleute wissen, dass sich durch die Berechnung mit Zins und Zinseszins eine noch höher zu finanzierende Verteuerung ergeben würde. Auch eine Diskontierung und Inflation bleiben bei der Modellberechnung außen vor.

Vom Schnäppchen  zur großen Enttäuschung

Dass der zu finanzierende Mehrbetrag bei einer iSFP-Sanierung mit einer prognostizierenden Teuerungsrate von 8 Prozent bei ca. 1,4 Mio. Euro gegenüber einer inhaltlich gleichen Sanierung in einem Zug liegt, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten. Das Schnäppchen von so verlockendem Mehr an Förderung zu vermeintlich erst mal niedrigeren Investkosten entpuppt sich in Wahrheit als große (Ent-)Täuschung. Möglicherweise drohen sogar Energieknappheiten in den nächsten zehn Jahren, die jede wirtschaftliche Berechnung in den Schatten stellen könnten.

Alles deutet darauf hin, dass das Wettrennen gegen den Klimawandel, wenn überhaupt, nur noch und ausschließlich mit sofortigen Gesamtsanierungen in einem Zuge zu gewinnen ist. Und bei näherer Betrachtung stellt es sich auch noch heraus, dass sich die Sanierungskosten pro Quadratmeter auch Oma Traudi noch leisten kann. Oft genug kommen bei einer KfW-70-Sanierung auf 20 Jahre Beträge von 25-70 Cent pro Quadratmeter und Monat Wohnfläche heraus.

Als kleines, aber für Freunde der guten Politik vielleicht nicht unwesentliches „Abfallprodukt“ hier noch folgende Berechnungen der Studie. Wir haben in einem zweiten Schritt untersucht, wie schon oben erwähnt, wie viel CO2 sich in einem zehn Jahre währenden iSFP-Sanierungsprozess denn so anhäuft. Es ist erschreckend, setzt man voraus, dass wir alle an den großen Schaden, den CO2 anrichtet, glauben. Die iSFP-Sanierung hinterlässt schon in unserem Musterhaus mit 3000 Quadratmetern Wohnfläche vermeidbare 450 Tonnen mehr an CO2 in der Atmosphäre als im Haus mit einer Sanierung in einem Zug. Mindestens 10.000 Häuser aus den Jahren 1960 bis 1980 sind mit dem im berechneten Beispiel angesetzten Haus vergleichbar in Deutschland zu sanieren. Halten wir uns nicht mehr mit dem Klein-Klein auf! Klotzen statt kleckern muss die Devise heißen.

Grundlage des Vergleichs

Dem Vergleich liegt ein Mehrfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 2000 m² als Annahme zugrunde, Baujahr 1970, Energiekosten derzeit: 60.000 Euro, CO2-Emmission derzeit 120 Tonnen pro Jahr (To/a), durch eine KfW-70-Effizienzhaussanierung reduziert sich die Emission um 100 To/a. Der Wert der Sanierungsmaßnahmen liegt heute bei 2.000.000 Euro und wird beim iSFP in 10 Tranchen à 200.000 Euro zuzüglich Preisindex gestückelt. Im iSFP werden also jedes Jahr Maßnahmen im Wert von 200.000 Euro zzgl. Teuerung, zusätzliche Kosten (2 x Gerüst, BE etc.) verbaut. Dazu werden die weiterhin entstehenden, jedoch jedes Jahr abschmelzenden Energiekosten betrachtet.

Dieser Artikel von Robert Philipp ist zuerst erschienen in der Fachzeitschrift Gebäude-Energieberater 2/2022. Robert Philipp hat seit 1999 ein Architekturbüro mit dem Schwerpunkt des energetischen Bauens. Seit 2008 ist er Energieberater für Wohn- und Nichtwohngebäude und KMU, außerdem seit 2012 zertifizierter Passivhausplaner.

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