Hilft mehr Recycling gegen den Baustoffmangel?
Auf der Suche nach gut erhaltenen Sprossenfenstern der 1930er-Jahre raufen sich Gartenbauer und Bastler mittlerweile die Haare: Was früher „einfach herging“ wird heute zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Der Markt ist wie leergefegt. Und wenn doch einmal ein altes Bauernhaus abgerissen wird, stehen Interessenten Schlange oder die begehrten Fenster haben bereits unter der Hand einen neuen Besitzer gefunden.
Nostalgie-Holzfenster lassen sich im Neubau und bei Renovierungen zwar nicht verwerten, trotzdem muss auch auf Deutschlands Baustellen mittlerweile improvisiert, ständig umgeplant oder lange gewartet werden: So beträgt die Wartezeit auf bestellte Dämmmaterialien teilweise bis zu fünf Monate.
Bauholz ist knapp
Besonders Bauholz ist nicht immer lieferbar. Und wenn, dann nicht unbedingt in der benötigten und bestellten Stärke. Das bedeutet für Zimmerer und Architekten: Dachstuhl-Konstruktionen müssen immer wieder umgeplant werden. Da viele Gewerke bei einem Hausbau ineinander greifen ruht im schlimmsten Fall die komplette Baustelle.
Waren Ende 2020 erste Anzeichen des Mangels sichtbar, hat sich die Lage seit Beginn 2021 drastisch verschärft. Dem Nachfrageeinbruch im ersten (Corona-)Halbjahr 2020 folgte ein Run auf Materialien im zweiten Halbjahr. Hinzu kommt der „Klopapier-Effekt“: Viele Betriebe haben ihre Lager bis oben gefüllt und horten Bestände.
Weniger Rohre, weil der Kunststoff fehlt
Ein wichtiger Rohstoff – nicht nur für den Hausbau, auch für das Renovierungs- und Reparaturgeschäft – sind Kunststoffrohre für den Wasserkreislauf in Häusern. "60 Prozent der Kunststoffprodukte gehen in die Bauwirtschaft", sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Die Hälfte davon kommt aus Asien und die dortigen Produktionsstätten fertigen bereits am Anschlag.
Hinzu kommen die immer noch gestörten Lieferketten. Die über Jahre gepflegte Praktik der Just-in-Time-Beschaffung scheint ausgedient zu haben. Stattdessen werden Hamsterkäufe getätigt, sobald Materialien überhaupt zu haben sind.
Mit Recycling gegen den Mangel?
Im Zuge dieser Entwicklung, bekommt das Recycling von Baustoffen wieder größere Aufmerksamkeit. Wie können Baumaterialien aus Abrisshäusern oder von Renovierungen wiederverwendet werden? Konkret geht es um Betonplatten, Deckenpaneele, Fliesen, Fenster und natürlich auch die mittlerweile exorbitant teuren Rohstoffe wie Kupfer und Aluminium. Sind Recycling-Baustoffe, kurz RC-Baustoffe, ein Ausweg aus dem Dilemma?
Bundesregierung erlässt Regeln fürs Baustoff-Recycling
Das kommt darauf an, meint die Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe e.V. Voraussetzung für den Einsatz von Recycling-Baustoffen ist in jedem Fall die Gleichwertigkeit ihrer bautechnischen Eigenschaften im Vergleich zu Baustoffen aus Primärrohstoffen.
Ein weiteres wesentliches Kriterium ist ihre Umweltverträglichkeit. Recycling-Baustoffe dürfen keine Schadstoffe freisetzen, die sich negativ auf die Qualität von Boden und Grundwasser auswirken.
Die Bundesregierung hat derweil Regeln für ein stärkeres Recycling von Baustoffen erlassen. Das betrifft vor allem mineralische Abfälle wie Bauschutt, Schlacken oder Gleisschotter. Diese Ersatzbaustoffe werden vornehmlich im Straßenbau, beim Dämmen und im Hochbau eingesetzt.
Bei den anfallenden Mengen ist das kein Pappenstiel: 2018 kamen laut „Monitoring-Bericht zum Aufkommen und zum Verbleib mineralischer Bauabfälle“ etwa 219 Millionen Tonnen mineralische Abfälle zusammen. Diese bestanden zum größten Teil aus Bau- und Abbruchabfällen (Bauschutt) sowie ausgehobener Erde,. Hinzu kommen Schlacken (zum Beispiel aus der Metallerzeugung) und Asche aus unterschiedlichen Verbrennungsprozessen. Zusammengenommen machen sie rund 60 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland aus. Etwa 90 Prozent davon können wiederverwertet werden.
Recycling von Fenstern und Türen
Auf das Recycling von Fenstern hat sich das Unternehmen Biotrans aus Schwerte spezialisiert. Satte 14.000 Tonnen Altfenster hat der Entsorger im Jahr 2018 eingesammelt.
Die Fenster landen in der Regel komplett, also mit Rahmen (Holz, PVC, Metall), Glas, Beschlägen und Rolladen in den Biotrans-Containern. „Auch Bruchglas und Glasbausteine dürfen enthalten sein“, versichert Vertriebsleiter Martin Hering im Interview.
Altfenster werden also größtenteils als Gemisch erfasst. Sämtliche Materialien werden aufgeschlossen und zu 95 Prozent verwertet, – 65 Prozent stofflich und etwa 30 Prozent energetisch. Getrennt wird nach PVC, Holz, Armierungsstahl, Aluminium und sonstige NE-Metalle und Glas.
Entglaste PVC-Fenster beispielsweise werden bei Biotrans geschreddert, metallentfrachtet und anschließend an die Veka-Umwelttechnik abgegeben. Holzfenster werden nach Altholzverordnung erfasst, entglast, geschreddert und landen in der thermischen Verwertung mit Kraft-Wärme Gewinnung.
Das Problem: PVC mit einem geringen Bleigehalt darf nach EU-Recht nicht mehr recycelt werden. Zwar hat die Entscheidung keinen unmittelbaren Einfluss auf das PVC-Recycling, denn es gab und gibt keine REACH-Beschränkung bezüglich des Bleigehalts im PVC. „Die Frage ist, wie es nun weitergeht“, sagt Charlotte Röber, Geschäftsführerin des Industrieverbands der europäischen PVC-Fensterprofilhersteller (EPA).
Doch das Fenster-Recycling ist laut Röber davon nicht betroffen. „Nach wie vor dürfen und sollen Fenster recycelt werden“, so die Verbands-Chefin im Interview.
Eine Lösung sieht Röber beispielsweise in QR-Codes oder Chips im Profil. Das könnte Entsorger bei der Verwertung unterstützen, indem dadurch die verwendeten Materialien nachvollziehbar werden.
Sandmangel: Porenbeton aus Recycling-Material?
Bausand gibt es bei Weitem nicht mehr wie Sand am Meer. Daher würden Hersteller gerne auf Alternativmaterialien ausweichen. Im Projekt BauCycle haben es sich daher die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP, für Materialfluss und Logistik IML, für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB zur Aufgabe gemacht, den Bauschutt wieder aufzubereiten, aus dem mineralischen Gemisch einen nachhaltigen Wertstoff zu generieren und Anwendungsmöglichkeiten für den Hochbau aufzuzeigen.
Ziel ist es, Partikel mineralischer Bauabfälle wiederzuverwerten, die kleiner als zwei Millimeter sind. Im Projekt behandeln die Forscherinnen und Forscher die komplette Wertschöpfungskette – von der Entwicklung innovativer Sortierverfahren und hochwertiger Baustoffe bis hin zum Aufbau einer Rohstoffbörse.
Im ersten Schritt wird der unterschiedlich zusammengesetzte Schutt sortiert. Dabei werden vor allem die Gipspartikel selektiv getrennt werden, da sie ein entscheidendes Kriterium für die Wiederverwertbarkeit von Beton darstellen.
Dabei hilft ein opto-pneumatisches Sortierverfahren für Feinfraktionen. Das erkennt neben Farb- und Helligkeitserkennung auch chemische Unterschiede in den Partikeln wie sulfatisch oder silikatisch und trennt sie nach diesen Kriterien.
Recycling-Baustoffe noch in der Minderheit
Als Recycling-Baustoffe werden Gesteinskörnungen bezeichnet, die durch Aufbereitung mineralischer Bauabfälle hergestellt werden. Im Jahr 2018 betrug der Anfall mineralischer Abfälle der Fraktionen Bauschutt und Straßenaufbruch insgesamt 73,9 Millionen Tonnen. Daraus wurden 59,7 Millionen Tonnen Recycling-Baustoffe hergestellt.
Zählt man noch die Recycling-Gesteinskörnungen aus dem Bereich Boden und Steine sowie Baustellenabfälle dazu, kommt die Industrie auf insgesamt 73,3 Millionen Tonnen Recycling-Baustoffe. Was viel klingt, ist jedoch nur ein Anteil von 12,5 Prozent am Gesamtbedarf von Gesteinskörnungen – bezogen auf das Jahr 2018.
Verwendet wurden sie
- bei der Asphalt- und Betonherstellung (21,6 Prozent),
- im Erdbau (22,2 Prozent),
- im Straßenbau (51,3 Prozent),
- sonstige Verwertung (4,9 Prozent)
Zweites Leben für Altholz
Ebenfalls ein knappes Gut ist derzeit Bauholz. Doch bislang wird das Material so gut wie gar nicht wiederverwertet und mehrfach genutzt. Bislang werden nur etwa 20 Prozent des Altholzes in Deutschland recycelt. Meist passiert das, indem das Altholz geschreddert und zu Spanplatten wird.
Das liegt jedoch an der aktuellen Altholzverordnung. Sie sieht im Recycling und im Verbrennen gleichwertige Alternativen. Nun steht jedoch eine Novelle an, die die Wiederverwertung bevorzugen soll. Das soll dann auch für verleimtes oder gestrichenes Altholz gelten. Beispiele für mögliche Zweitnutzung wären zum Beispiel Papier oder auch holzbasierte Kunststoffe.
Die aufwändige Sortierung von Altholz hat das Recycling gegenüber neuem Holz bislang zu teuer gemacht. Bei den aktuell hohen Preisen könnte sich das jedoch ändern.
In einzelnen Bereichen kann Recycling also durchaus einen nennenswerten Beitrag leisten. Ein probates Mittel gegen den aktuellen Baustoffmangel auf Baustellen ist es allerdings nicht.