2018: Ausnahmejahr der Energiewende - mit gemischter Bilanz
Im Jahr 2018 stammte in Deutschland erstmals genauso viel Strom aus Erneuerbaren Energien wie aus Kohle: Jeweils 35,2% der Stromerzeugung entfielen auf Wind, Sonne und Co. sowie auf Stein- und Braunkohle gemeinsam. Der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch betrug sogar 38,2%. Die Differenz zur Erzeugung erklärt sich durch Stromexporte, die zwar leicht zurückgingen, aber mit über 50 Terawattstunden nach wie vor hoch sind.
Möglich wurde der neuerliche Erneuerbaren-Rekord durch ein starkes Sonnenjahr in Kombination mit einem erstmals seit 2013 wieder kräftigen Photovoltaik-Ausbau von mehr als drei Gigawatt Leistung. Zwar legte auch der Windstrom zu, allerdings deutlich weniger als in den Vorjahren: Sowohl ein mäßiges Windjahr als auch ein um rund 50% eingebrochener Zubau dämpften die Entwicklung. Diese und weitere Analysen legte Agora Energiewende jetzt im Rahmen des Jahresrückblicks „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2018“ vor.
CO2-Emissionen stark gesunken
Überraschend stark reduzierten sich 2018 die CO2-Emissionen in Deutschland: Sie sanken um mehr als 50 Millionen Tonnen – ein Rückgang von 5,7% nach einer Stagnation im Vorjahr. Die Treibhausgasemissionen Deutschlands liegen damit um 31,7% unter dem Niveau des Jahres 1990. Das Ziel der Bundesregierung war es, bis 2020 die Emissionen um 40% zu senken. Parallel dazu sank der Primärenergieverbrauch Deutschlands um 5%. Er erreicht damit den niedrigsten Stand seit Anfang der 1970er-Jahre.
Voraussichtlich ist der Rückgang jedoch nicht nachhaltig. Denn Klimaschutzerfolge erklären ihn nur zu einem kleinen Teil: So sank die Verstromung von Steinkohle auf das niedrigste Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950. Der Grund hierfür liegt in der Reform des Europäischen Emissionshandelssystems. Weil infolgedessen die CO2-Preise von rund 5 Euro 2017 auf 15 Euro im Jahresmittel 2018 gestiegen waren, wurde die Verstromung von Steinkohle zusehends unwirtschaftlicher, wodurch die Emissionen der Energiewirtschaft um rund 10 Millionen Tonnen CO2 sanken.
Milde Witterung ist eine Ursache
Das Gros des Emissionsrückgangs ist hingegen auf die milde Witterung im Winter zurückzuführen und dem damit verbundenen niedrigeren Heizenergiebedarf. Zudem spielen ein leicht gesunkenes Produktionsniveau in Teilen der energieintensiven Industrien sowie zeitweilig stark gestiegene Benzin- und Dieselpreise und Lagereffekte beim Heizöl eine Rolle.
„Der Emissionsrückgang rückt auf den ersten Blick zwar das Klimaschutzziel 2020 in greifbare Nähe, doch schon der nächste durchschnittlich kalte Winter und kleinere konjunkturelle Veränderungen werden die positive Entwicklung wieder zunichtemachen“, warnt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Nötig sind daher nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Braunkohle sowie im Verkehrs- und Gebäudebereich. Ansonsten sind die Klimaschutzziele für 2020 und 2030 nicht zu erreichen.“
Die CO2-intensive Nutzung der Braunkohle verringerte sich im Gegensatz zur Steinkohle im Vergleich zu 2017 nur marginal. „Auf die Braunkohleverstromung werden die CO2-Preise mittel- bis langfristig keinen Einfluss haben, dazu sind ihre übrigen Kosten zu gering“, sagt Graichen. „Es ist daher Aufgabe der Kohlekommission, bis Ende Februar Wege vorzuschlagen, wie die Nutzung der Braunkohle Schritt für Schritt vermindert werden kann.“
Aufgrund der höheren CO2-Preise stieg das Strompreisniveau insgesamt leicht an. Dadurch konnten Stromlieferanten im Jahr 2018 erste Verträge über Strom aus Windkraftanlagen außerhalb der EEG-Förderung abschließen. Weil bis Ende 2020 rund vier Gigawatt an Windstromleistung aus der EEG-Förderung fallen wird, ist damit zu rechnen, dass diese Direktbelieferung von Strom aus den entsprechenden alten Anlagen künftig zunehmen wird. „Wir sehen daran, dass höhere CO2-Preise deutliche Klimaschutzeffekte am Markt auslösen können“, erklärt Graichen.
Erneuerbare: Ausbau muss beschleunigt werden
Der Zuwachs bei der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien war mit 12,4 Terawattstunden unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Ein Wachstum auf diesem Niveau reicht nicht aus, um das von der Regierung vereinbarte Ziel, 65 %des Stroms bis zum Jahr 2030 aus Wind, Sonne und Co. zu gewinnen, zu erreichen. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss daher beschleunigt werden“, sagt Graichen. „Insbesondere sollte die Bundesregierung die Nutzung der auch von der Bevölkerung stark favorisierten Photovoltaik erleichtern. Hierzu könnte sie mehr Flächen als bisher für die Bebauung mit Freiflächenanlagen freigegeben, das würde auch die Kosten für Solarstrom weiter senken, weil Pachtkosten geringer ausfallen würden.“ Zudem solle die Regierung den noch vor der Atomkatastrophe von Fukushima eingeführten Förderdeckel für die Photovoltaik aufheben. Dieser begrenzt die Gesamtleistung der EEG-Förderung für Solarkraftwerke in Deutschland auf 52 Gigawatt. „Von dieser Marke sind wir nicht mehr weit entfernt. Sollte das Limit bestehen bleiben, so wird der Ausbau der Solarenergie schon 2020 zum Stillstand kommen.“
Ausblick für 2019
„Wir gehen davon aus, dass die Zubauraten bei der Windkraft weiterhin klein sein werden und die Photovoltaik trotz einer höheren Dynamik nicht die Zubaumengen erreichen wird, die für das Erreichen des Energiewendeziels 2030 nötig wären“, sagt Graichen. Absehbar ist außerdem die Stilllegung des Kernkraftwerks Philippsburg 2 im Zuge des 2011 beschlossenen Atomausstiegs, die Überführung zweier Braunkohlemeiler in eine Reserve außerhalb des Strommarkts sowie die Stilllegungen einiger Steinkohlekraftwerke. Energiepolitisch steht das Jahr 2019 unter dem Stern des geplanten Klimaschutzgesetzes und des Abschlusses der Arbeit der Kohlekommission – beides sind wichtige Bausteine für das Vorhaben der Regierung, die Klimaschutzziele 2020 und 2030 zu erreichen.
Die Analyse „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2018“ steht unter www.agora-energiewende.de zum kostenfreien Download bereit.