Erneuerbare Energien: Zwischen Akzeptanz und Unsicherheit
Das zeigt die aktuelle, repräsentative Akzeptanzumfrage 2023 der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), die vom Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführt wurde.
81 Prozent der deutschen Bevölkerung stehen hinter dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Unsere Umfrage zeigt einmal mehr, dass die Zustimmung der Bevölkerung gegenüber den Erneuerbaren sehr hoch ist“, sagt AEE-Geschäftsführer Dr. Robert Brandt. „Dieses klare Ja zur Energiewende gibt der Politik Rückendeckung zur weiteren und vor allem auch schnelleren Umsetzung der Transformation. Sie ist essenziell, um unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen, unser Klima zu schützen, die Kommunen und Regionen wirtschaftlich zu stärken und die Gesundheit der Menschen hierzulande zu bewahren.“
Zwar ist gegenüber dem Jahr 2022 ein leichter Rückgang (5 %) zu verzeichnen, doch „die Abkehr von russischem Gas und die dadurch steigenden Preise haben eine hohe Akzeptanz für die heimischen Erneuerbaren Energien im letzten Jahr bewirkt“, so Robert Brandt. „Aktuell sind die Menschen jedoch aufgrund der weltpolitischen Lage und der hohen Inflation verunsichert. Der Fokus auf die Klimakrise als unmittelbare Gefahr hat sich verschoben.“ Ein Blick in die konkreten Aussagen in der Umfrage bestätigt dies. Gaben 2022 in Erwartung einer Gasmangellage noch 41 Prozent an, der Ausbau sei ihnen „außerordentlich wichtig“, waren es in diesem Jahr 28 Prozent. Der Anteil derjenigen, die derzeit den Ausbau als „sehr wichtig“ und „wichtig“ betrachten, stieg hingegen im Vergleich zu 2021 von 26 auf 27 Prozent und 19 auf 26 Prozent. Vergleichbarer hinsichtlich der allgemeinen Akzeptanz sind deshalb die Ergebnisse aus dem Jahr 2021. Hier lag die Zustimmung bei 83 Prozent.
Gefragt nach dem potenziellen Bau neuer Anlagen in der Umgebung des eigenen Wohnortes befürworten dies 57 Prozent. Die Zustimmung für Solardächer (76 %), Solarparks (59 %) und Agri-PV-Anlagen (57 %) waren die höchsten unter den verschiedenen Technologien, gefolgt von Geothermie, Windenergie, Biogasanlagen und Höhenwindenergieanlagen. Haben die Befragten bereits Erfahrung mit Erneuerbare-Energien-Anlagen, ist die Zustimmung sogar noch höher. Alle sieben Technologien und die Strommasten der Überland-Stromleitungen wurden deutlich positiver bewertet, wenn die Bürger*innen bereits Erfahrungen mit entsprechenden Anlagen in der Nachbarschaft bis fünf Kilometer haben. Die Zustimmung für Windenergie stieg beispielsweise von 42 auf 56 Prozent, die der Biogasanlagen von 37 auf 58 Prozent.
Neu hinzugekommen zur AEE-Akzeptanzumfrage als Technologie sind in diesem Jahr die Höhenwindenergieanlagen, auch HWE-Anlagen genannt. Deren Bau in der Nachbarschaft würde von 33 Prozent der Bürger*innen befürwortet werden. Diese Anlagen nutzen zur Stromerzeugung automatisierte Fluggeräte oder Drachen, die an Seilen befestigt sind. Eine Technologie, die noch nicht stark in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird, wie sich auch in unserer Umfrage zeigt. 37 Prozent der Befragten gaben an, bisher noch nichts von HWE-Anlagen gehört zu haben, aber sie interessant zu finden. 19 Prozent hatten bereits flüchtig etwas davon gehört und ein kleiner Teil verfolge die Entwicklung aufmerksam (3 %) beziehungsweise habe dazu bereits etwas gelesen oder gesehen (8 %).
Auf die Frage „Unter welchen Umständen würden Sie den Bau neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen in Ihrer Nachbarschaft befürworten“, gaben 50 Prozent der Teilnehmenden an: „Wenn ich damit günstiger Energie bekäme“. 31 Prozent unterstützen es, „wenn die Gemeinde finanziell davon profitieren würde“. 14 Prozent gaben sogar an, den Bau solcher Anlagen auch ohne bestimmten Vorteil zu unterstützen, während lediglich elf Prozent dies grundsätzlich nicht befürworten würden.
Nach einem energiepolitisch sehr aktiven Jahr 2023 hat sich die AEE einigen Aspekten dieser Debatte gewidmet.
Nach der Verabschiedung des „Solarpakets I“ im Herbst dieses Jahres etwa wollten wir wissen, ob die Bürger*innen nun vermehrt auf Solarenergie auf ihrem Dach oder ihrem Balkon setzen. Acht Prozent der Umfrage-Teilnehmenden gaben an, dass sie die Anschaffung einer Dach-Solaranlage „fest geplant“ hätten, 17 Prozent haben dies „eventuell geplant“. Bei Balkon-Solaranlagen waren es sogar neun Prozent mit fester Planung und 21 Prozent gaben an, dass es eventuell geplant sei. Ein Teil der Befragten verfügt bereits über eine Balkon- oder Solardachanlage (7 % und 10 %).
Unter denjenigen, die angegeben haben, keine solche Anschaffung zu planen (jeweils 54 %), haben wir in unserer Akzeptanzumfrage nach den Gründen hierfür gefragt. Ein Großteil dieser Personen, nämlich 31 Prozent, fühlt sich schlicht als Mieter*in nicht für den Kauf oder die Miete einer Solaranlage für Dach oder Balkon zuständig. 40 Prozent nannten als Grund, dass sie über kein eigenes Dach oder keinen eigenen Balkon verfügen. Jeweils 12 Prozent gaben an, dass sie keine Einwände oder sich bisher nicht ausreichend informiert haben. Lediglich sechs Prozent sprachen sich grundsätzlich dagegen aus. 23 Prozent sind Solaranlagen zu teuer.
Ein sehr wichtiger Prozess der Energiewende ist das Vorantreiben der Wärmewende. Raumwärme, Prozesswärme und Warmwasser machen ungefähr die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland aus. Umso dringender war es, hier einen politischen Rahmen zu setzen und den erneuerbaren Weg einzuschlagen. Fünf Prozent der Bürger*innen heizen der Akzeptanzumfrage nach bereits erneuerbar. 40 Prozent betonten, dass sie selbst diese Entscheidung nicht treffen könnten, da sie zur Miete, in einer Wohngemeinschaft oder Ähnlichem wohnen. Fast ein Drittel gab an, keinen Austausch ihrer fossilen Heizung zu planen. Erst 14 Prozent planen in naher Zukunft den Umstieg auf eine klimafreundliche Wärmetechnologie.
Essenziell ist in diesem Zusammenhang die noch stärkere Befähigung der Bürger*innen, sich wirklich für eine der verschiedenen erneuerbaren Wärmetechnologien entscheiden zu können. Unter denjenigen Befragten, die einen Heizungswechsel planen, antworteten 33 Prozent, dass sie nicht wüssten, ob für sie ein Anschluss ans Fernwärmenetz überhaupt möglich sei oder ob sie eine eigene Heizung benötigen würden. 29 Prozent wissen nicht, welche Förderung in Anspruch genommen werden kann und wie sie diese beantragen könnten. Ebenfalls wichtige Fragen, die sich die Menschen stellen, waren: welche Heizung in ihrem Zuhause funktioniert, welche Heizung letztendlich die kostengünstigste ist, ob und wann die jetzige Heizung ausgetauscht werden muss oder wo sie eine neutrale Beratung erhalten können.
„Die Fragen, die sich die Menschen stellen, sind ein Spiegel dafür, wie entscheidend Kommunikation für den Erfolg der Energiewende in Deutschland ist. Sie ist aus diesem Grund auch ein zentraler Eckpfeiler unserer Arbeit – sei es in unserem intensiven Dialog mit den Kommunen in Deutschland und auch darüber hinaus in Europa, sei es im Austausch mit der Erneuerbare-Energien-Branche oder im direkten Gespräch mit verunsicherten, sehr interessierten Bürger*innen und der jungen Generation“, sagt AEE- Geschäftsführer Robert Brandt.
Im Zusammenhang mit der Wärmeversorgung haben wir uns zudem die Einstellung und das Wissen aller Befragten zum Einsatz von Geothermie und Erdwärme angesehen. 40 Prozent der Bürger*innen haben bereits von dieser Möglichkeit zum Heizen gehört. 21 Prozent würden für ihre Wohnung eine Erdwärme-Heizung (Wärmepumpe) nutzen. 22 Prozent der Befragten würden einen Geothermie-Fernwärme-Anschluss zum Heizen nutzen und 21 Prozent sogar ihren Strom aus einer örtlichen Geothermie-Anlage beziehen.
Entgegen der häufigen Annahme, dass die Bürger*innen Klimaschutz ohne eigenes Engagement wollen, verdeutlicht die Akzeptanzumfrage die Bereitschaft dieser, selbst zur Erreichung der Klimaziele und zum Erhalt des Wohlstands beizutragen. 51 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden gaben an, hierfür Energie einsparen zu wollen. Mit Blick auf eigene Kosten sind die Befragten jedoch zurückhaltender. Nur 15 Prozent würden ein Elektroauto kaufen oder in eine erneuerbare Wärmeerzeugung investieren. „In solch politisch unsicheren Zeiten scheuen die Bürger*innen oft große Investitionen“, interpretiert Brandt die Ergebnisse. „Dennoch sind sie willens, selbst etwas zu unternehmen. Das ist ein sehr gutes Zeichen.“
Die Preisfrage stellt sich nicht nur hinsichtlich neuer Investitionen, sondern auch bei den Stromkosten. Erst Anfang der Woche kündigte Olaf Scholz das Ende der Strom- und Gaspreisbremse für Anfang 2024 an. Eine Möglichkeit, sich nicht an feste Strompreise binden zu müssen, sind variable Strompreise, die zukünftig eine größere Rolle spielen könnten. Hier gibt es keinen festen Preis pro Kilowattstunde, sondern zeitliche Strompreisschwankungen werden an Stromkunden weitergegeben. Der Strom ist dann beispielsweise günstiger, wenn die Sonne scheint und der Wind weht und teurer, wenn diese Quellen nicht zur Verfügung stehen. So sollen Verbraucher*innen dazu bewegt werden, ihren Stromverbrauch in Zeiten mit günstigem Stromangebot zu verlagern.
Auf die Frage, ob sich die Umfrage-Teilnehmenden vorstellen könnten, ihren privaten Stromverbrauch zeitlich anzupassen und die Möglichkeit variabler Stromtarife zu nutzen, antworteten 42 Prozent mit „Ja“, 22 Prozent gaben „weiß nicht / keine Angabe“ an und 35 Prozent sprachen sich dagegen aus. Als Gründe für ein Nein wurden am häufigsten genannt: „Mir ist ein fester, möglichst langfristiger Preis wichtiger“ (47 %), „Ich möchte bzw. kann meinen Stromverbrauch nicht zeitlich anpassen“ (45 %) und „Mir ist das Risiko von steigenden Kosten zu groß“ (41 %).
Zur Methodik
Die AEE-Akzeptanzumfrage ist eine deutschlandweite, bevölkerungsrepräsentative Umfrage von YouGov im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien. Befragt wurden online 1.012 Personen ab einem Alter von 16 Jahren. Den Befragten war der Auftraggeber der Umfrage nicht bekannt.