CO2-Emissionen: Enge Grenzen für die Flotte
Derzeit gilt innerhalb der Europäischen Union die Vorgabe, dass die Automobilhersteller seit dem Jahr 2021 die CO₂-Emissionen ihrer Flotten massiv senken müssen: um 15 % bis Ende 2025 und um 37,5 % bis Ende 2030. Bezug genommen wird dabei auf den Zielwert von 2021, denn seitdem gilt als Emissionslimit für die Flotten jedes Herstellers im Schnitt: 95 g CO₂ pro gefahrenen Kilometer. Damit man die Vorgabe in der Bedeutung besser verstehen kann: Für einen Verbrenner heißt das, dass er sich mit 4 Liter Benzin bzw. 3,6 Liter Diesel begnügen sollte.
Für CO₂ gilt Flottengrenzwert
Wird der Grenzwerte für das Treibhausgas CO2 weiter verschärft – das hatte die EU schon seit Herbst 2020 in Aussicht gestellt – muss der über alle Modellreihen hinweg bilanzierte Durchschnittsverbrauch (Flottengrenzwert) eines Herstellers noch stärker sinken. Experten prognostizieren daher seit Jahren, dass das für die Hersteller nur erreichbar ist, wenn sie den Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge bis zur Hälfte des gesamten Fahrzeugabsatzes steigern.

Bald zwei Liter Sprit auf 100 km?
Auf den verbleibenden Anteil an Verbrennern können noch härtere Restriktionen zukommen: Hatten sich die Hersteller auf die Zielvorgabe eingestellt, dass im Jahr 2030 ein Benziner oder Diesel 60 g CO₂/km im Flottendurchschnitt emittieren kann, so strebt die EU eigentlich ein noch schärferes Reduktionsziel an, um weiter auf Kurs für den Green Deal in der Klimapolitik zu bleiben. Die Konsequenz: Kommt es dazu, dass in fünf Jahren 45 g CO₂/km als neuer Flottendurchschnitt eingeführt würde, bliebe einem Benziner noch zwei Liter Sprit, um damit 100 km weit zu kommen. Die Reaktion der Fahrzeughersteller auf diese EU-Bestrebung war harsch – was nicht anders zu erwarten war.

Gipfel mit EU-Kommission und Autoindustrie
Mit Beginn dieses Jahres bleibt nicht mehr viel Zeit für die Automobilindustrie, um gegen die Schieflage in Sachen Flottengrenzwert mit Frist „Ende 2025“ etwas zu unternehmen. Es drohen Strafzahlungen an die EU in Milliardenhöhe. Denn der Markt ist weit von dem entfernt, dass für eine positive Bilanz genügend Null-Emissions-Fahrzeuge neu zugelassen werden. Ein Gipfelgespräch zwischen EU-Kommission und Fahrzeugherstellern ist in Kürze (nach Redaktionsschluss dieses Newsletters) angesetzt, um die Lage zu bewerten und um nach Lösungen zu suchen. Weil globale Zusammenhänge rund um die Thematik eine wesentliche Rolle spielen und überaus komplex sind, lassen sie sich nicht leicht darstellen. Das machen ein paar Beispiele deutlich.
Rohemission contra Bilanzkosmetik
So zeigt der weltweite Automobilmarkt seit geraumer Zeit: Hersteller von emissionsstarken Fahrzeugen nehmen in einem Pool Verbindungen zu Mitbewerbern auf, die ausschließlich in der Elektromobilität aktiv sind. Letztere haben in der Bilanzlogik bei den geforderten CO2-Zielen ihr Soll übererfüllt und können in einem zulässigen Zertifikatehandel diesen Bonus anderen Marktteilnehmer verkaufen. Vereinfacht betrachtet kommen so Milliarden über den Zertifikatehandel anderen Pool-Partnern zugute und verhindern auf diesem Weg Strafzahlungen, weil sonst Flottengrenzwerte am Jahresende unerreichbar gewesen wären.
Im Klartext: Dieser Handel reduziert auf legale Weise eigentlich keine Tonne CO2, ermöglicht es aber sehr wohl, den Absatz emissionsstarker Fahrzeuge zu stützen oder gar zu stärken. Ein Korrektiv von politischer Seite könnte das Vertrauen in dieses System stärken und Licht in den Dschungel der Verfahrensweisen bringen. Stattdessen gibt es noch weitere Handlungsfelder in der Europäischen Union, die einen widersprüchlichen Eindruck machen.

Wie sich Importzölle auswirken können
Es geht in einem Geflecht globaler Interessen nicht allein um das Ziel von CO2-Einsparungen. Kompliziert wird es zudem, wenn industriepolitische Entscheidungen Tragweite haben. So sah sich beispielsweise die EU-Kommission im vergangenen Herbst dazu veranlasst, Fahrzeuge aus chinesischer Produktion mit einem erheblichen Importzoll zu belegen. Den Grund sah man in Brüssel in der Notwendigkeit, die europäische Autoindustrie vor einem unfairen Wettbewerb zu schützen, weil in Fernost staatliche Quersubventionen offensichtlich wurden.
Die Zollschranke wirkt sich jedoch in der Konsequenz auch auf europäische Hersteller aus, die Modellreihen in China fertigen lassen. Denn mit der Einfuhr nach Europa werden sie jetzt ebenfalls zur Kasse gebeten.

CO2-Bilanz beim Plug-in-Hybrid
In puncto CO2 könnte die EU noch in einem weiteren Punkt eingreifen: Seit langem besteht Kritik an der Einstufung der Fahrzeuggattung Plug-in-Hybrid. Denn die aktuelle Zulassungsregelung legt zugrunde, dass ein solches Fahrzeug im gesamten WLTP-Testzyklus elektrisch fährt und dadurch mit null Gramm CO₂ bilanziert wird.
Die Realität deutet jedoch in die Richtung, dass sehr häufig der Verbrenner mit teilweise erheblichen Emissionen unterwegs ist. Die jeweilige Betriebsweise ist aus einem vorgeschriebenen Datenspeicher auslesbar. Erkenntnisse aus diesen Zusammenhängen führten in den Niederlanden bereits vor geraumer Zeit dazu, Fahrzeuge dieser Art nicht länger finanziell zu fördern. Auch in der CO2-Bilanz ließe sich beim Plug-in-Hybrid deutlich machen, ob und in wieweit Emissionen tatsächlich relevant sind. Die gesetzliche Grundlage könnte dafür europäisch geregelt werden.

Könnten fallende Preise helfen?
Um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen, könnte man beim Für und Wider zunächst einmal behaupten, dass deutlich mehr Zulassungen erreicht werden, wenn die Preise für neue E-Fahrzeuge fallen würden. Sie müssten so weit sinken, dass die Anschaffung eines Verbrenners nicht mehr von Vorteil wäre.
Preisnachlässe in diesem Ausmaß sind von den Herstellern allerdings nicht zu erwarten, sonst wäre dies längst geschehen. Fasst man Aussagen von Seiten der etablierten Marken zusammen, so haben hohe Investitionen in die Elektromobilität dazu geführt, dass noch immer mit jedem verkauften Stromer kein oder kaum Gewinn gemacht wird.
Voraussichtlich wird die Automobilindustrie darauf setzen, in Brüssel zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, um zum Jahresende drohenden Strafzahlungen bei verfehlten Flottengrenzwerten zu entgehen. Statt die längst beschlossenen Flottengrenzwerte abzumildern, was inkonsequent wäre, führt der Lösungsweg möglicherweise noch weiter über Zertifikate im Emissionshandel. Dazu sollen sich bereits Pools in Brüssel ordnungsgemäß gelistet haben.
Erneut auf eine Kaufprämie hoffen?
Unter den kaufwilligen Bürgern mögen etliche Entscheider darauf hoffen, dass sich eine neue Bundesregierung im Frühling zur Wiedereinführung einer Kaufprämie für E-Fahrzeuge entschließt. Eine staatliche Förderung würde jedoch zum einen Steuergeld in Anspruch nehmen, das kaum vorhanden sein dürfte. Zum anderen könnte dies vielleicht auch nur einen Mitnahmeeffekt auslösen und nicht den erhofften Marktdurchbruch. Nur am Rande sei dazu angemerkt, dass Fördergeld wiederum Einfluss auf den freien Markt nimmt – mit welchem Effekt auch immer...

Wie entwickelt sich der freie Markt?
Lässt man die Aktivitäten im Modelljahr 2025 Revue passieren, ist für die etablierten Marken offenbar das Wichtigste, sowohl mit E-Modellen als auch mit Verbrennern lieferfähig zu sein.
Um Interessenten nicht nur diese beiden Antriebsarten, sondern auch noch Hybridtechnik bieten zu können, bedarf es hinter den Kulissen extremer Vorleistungen. Das schließt die Forschung und Entwicklung für eine Fahrzeugarchitektur nach dem Baukastenprinzip ein, führt über die extrem komplexe Fertigung bei Zulieferern und reicht bis zur Steuerung der Montagebänder. Nicht zuletzt wird auch noch eine ausgefeilte Logistik benötigt, um das fertige Fahrzeug in der gewünschten Konfiguration termingerecht zum Händler zu liefern.
Das hat die Anforderungen im Wettbewerb nicht vereinfacht. Im Gegenteil: Etliche Hersteller setzen für ihre Fahrzeugmarken auf Synergieeffekte, um sich im Markt zu behaupten. Sogar zwischen Konkurrenten sind Kooperationen entstanden, damit man zumindest in einigen Bereichen beträchtliche Investitionen teilen kann.