Barrierefreies Wohnen mit Sonnenhaus-Technik und pauschaler Warmmiete
Christine Korte stand vor der Option ihr Elternhaus in Osnabrück zu sanieren oder durch Neubau zu ersetzen. Sie wollte dabei durchaus an unser Klima und unsere Zukunft denken, hatte aber keine genaueren Vorstellungen, wie das am effizientesten umzusetzen ist.
"Wir sind da ökologisch gar nicht so versiert, aber es war unser Wunsch, etwas Nachhaltiges und Zukunftsfähiges zu machen", beschreiben Frau Korte und ihr Ehemann die Ausgangssituation. Mit Architektin Anja Machnik in Menslage (Landkreis Osnabrück) und dem Prenzlauer Fachbüro Ergo Sun, wurden zwei Mitgliedsbetriebe des Sonnenhaus-Institut e. V. ihre wichtigsten Partner.
Barrierefrei mit Sonnenhaus-Technik und pauschaler Warmmiete
Am Ende entstand eine barrierefreie Wohnanlage mit Sonnenhaus-Technik und pauschaler Warmmiete. Eine erfreulich-ambitionierte Ausnahme in Zeiten, zu denen auf einem überhitzten Markt oft genug einfallslose und energetisch wenig zukunftsfähige Immobilien zu Höchstpreisen Mieter oder Käufer finden. Ebenso erfreulich ist die Tatsache, dass es die aufgeschlossene aber technisch keineswegs vorbelastete Bauherrin letztlich durch Auswahl der "richtigen" Partner an ihr Wunschziel geschafft hat.
Auf die Sonnenhaus-Technik war Christine Korte schon früher einmal aufmerksam geworden, als Architektin Machnik das erste Einfamilien-Sonnenhaus Osnabrücks baute. Die Stadtwerke berichteten in ihrem Kundenmagazin darüber. Korte ist Inhaberin einer Werbeagentur und betreut das Blatt der Stadtwerke. Das vorgestellte Konzept fand sie spontan überzeugend. Daher versuchte es die angehende Bauherrin dann mit dem "Eine-Frau-Büro" von Anja Machnik, als es später an eine eigene Planung ging.
Herausgekommen ist ein L-förmiger Grundriss, dessen zwei Flügel fast exakt nach Südost bzw. Südwest ausgerichtet sind. In die Dachflächen wurde eine 125-Quadratmeter Solarthermieanlage integriert, ins Zentrum des Gebäudes ein 25-Kubikmeter-Speicher.
Als kompetenten Planungspartner für die Sonnenhaus-Technik brachte die Architektin die Prenzlauer Firma Ergo Sun ins Spiel. Das lohnte sich sehr, denn die vom Generalunternehmer schließlich beauftragte Installationsfirma hatte bis dato noch keine Erfahrungen mit Sonnenhäusern. Die Bauherrin ist voll des Lobs: "Die kümmerten sich, wenn notwendig, rund um die Uhr."
Eine Pelletheizung wäre erste Wahl für den Restwärmebedarf gewesen. Allerdings machte die zentrale Lage an einer Kreuzung mit zwei Bushaltestellen vor dem Haus eine Anlieferung der Pellets zum Problem. Die Zufahrt über die Hofseite ist wiederum für einen Lkw zu eng bemessen. Da ein städtischer Gasanschluss des Grundstücks schon vorhanden war, fiel die Wahl letztlich auf eine Gastherme. Die Wärmeverteilung erfolgt über Fußbodenheizung, die ergänzt wird von Niedertemperatur-Heizkörpern in den Bädern und im Treppenhaus. Seit Inbetriebnahme läuft die Anlage stabil und zuverlässig, bestätigt die Bauherrin.
Vollwärmeverbundsystem in Klinkeroptik
Gestalterisch ist die Anlage durchaus ansprechend. Die Solaranlage wurde harmonisch in die Dachfläche integriert. Dazwischen wiederum ruhige Dachflächenfenster im fast gleichen Format, die das Raster aufnehmen. Neben großzügigen Fensterflächen verleiht ein Vollwärmeverbundsystem in Klinkeroptik der Fassade ein prägnantes Gesicht. Klinkerbauten sind in Osnabrück allgegenwärtig. Das lebhafte grau-beige Farbspiel der Fassade hebt sich jedoch von dem vertrauten backsteinrot deutlich ab. "Bisher hab‘ ich noch niemanden gehört, dem es nicht gefällt …" so die Bauherrin.
Pauschale Warmmiete erfordert auch Vertrauen
Was nun die Abrechnung mit den Mietern betrifft, hat sich Familie Korte/Boberg für das Modell der sogenannten pauschalen Warmmiete entschieden. Tatsächlich wird das verbrauchte Gas von der Eigentümerin bezahlt und nicht weiter verrechnet. Also durchaus ein Ansatz, der eine gewisse Portion Mut und Vertrauen verlangt.
Darauf angesprochen meint Christine Korte, dass sie und ihr Ehemann bei der Auswahl der Mieter besonderes Augenmerk darauf legten, sich für Menschen zu entscheiden, die das Konzept wertschätzen und "mitleben". Als Vorteil betrachtet sie es auch, dass sie als Vermieter selbst im Haus wohnen. Das verschafft im Zweifelsfall einen relativ verlässlichen Eindruck, wie das Wohnverhalten der Mieter im Alltag ausfällt. Wobei Frau Korte hier bewusst eine gewisse Großzügigkeit praktizieren möchte, denn der Mieter sei ja auch eine Art Kunde und habe als solcher ein angemessenes Entgegenkommen verdient, meint sie.
Trotzdem sollte natürlich gewährleistet sein, dass die Dinge im Zweifelsfall nicht völlig aus dem Ruder laufen. Die Heizungsverteilung wurde deswegen so ausgelegt, dass eine Raumtemperatur von 22 bis 23 Grad grundsätzlich nicht überschritten werden kann. Sollte sich zeigen, dass Mieter simultan noch ständig Fenster offen stehen lassen, könnte man ja frühzeitig gegensteuern. Als Rettungsanker gibt es im Notfall die Klausel, dass bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten nachträglich Wärmemengenzähler in der Wohnung verbaut werden.
Bisher jedenfalls wird noch nicht einmal das Kaltwasser weiterverrechnet, weil die Zähler erst vor Kurzem montiert wurden. Das Vertrauen von Christine Korte in ihre Mieter scheint also groß – "Für mich zählt da eher das Bauchgefühl" – und wird hoffentlich belohnt werden.
Auf einen Blick:
- Neubau, Fertigstellung 2019
- Massivbauweise in Klinkeroptik
- ca. 900 m² Wohnfläche
- teilunterkellert
- Satteldach mit Dachterrassen
- barrierefreie Wohnungen
- Stellplatz Stadtteilauto
Haustechnik:
- ca. 125 m² Solarkollektorfläche
- ca. 25.000 Liter Pufferspeicher
- Solarer Deckungsgrad ca. 52 %
- Gasheizung als Zusatzheizung
- Fußbodenheizung
- Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
Dämmung:
- KfW-Effizienzhaus 55 (Gebäudehülle)
- gedämmter Mauerwerksbau, Klinkeroptik
- Satteldach mit Zwischensparrendämmung
- Dämmung der Kellerdecke/Sohlplatte
- Fenster mit Dreifachverglasung