Steigende Strompreise: Warum Eigenstrom an Bedeutung gewinnt
Das Segment der gewerblichen Solardächer hat in den vergangenen Monaten einen deutlichen Einbruch erlebt. Die Deckelung der Förderung und unsinnige Vorschriften für die Ausschreibung ließen den Zubau bei kommerziellen Kunden schrumpfen.
Zudem wirkte sich die anteilige EEG-Umlage auf selbst erzeugten und selbst verbrauchten Sonnenstrom ab 30 Kilowatt Anlagengröße als Hemmnis für unternehmerische Investitionen aus.
Strompreise steigen
Der Dornröschenschlaf bei den Gewerbeanlagen dürfte nun zu Ende sein. Gleich zwei Gamechanger wirken sich in diesem Marktsegment aus. Zum einen stiegen die Strompreise an der Handelsbörse EEX in Leipzig seit dem Sommer sprunghaft an. Sie bleiben auf hohem Niveau, eher zeigt die Kurve weiter aufwärts – trotz gelegentlicher Seitwärtstrends.
EEG-Umlage wird fallen
Und die neue Ampelkoalition in Berlin wird die EEG-Umlage abschaffen. Endlich, möchte man mit einem Stoßgebet gen Himmel rufen. Denn CDU-Cheflobbyist Peter Altmaier und seine Beamten aus dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin hatten diesen – längst fälligen Schritt – gescheut wie der Teufel das Weihwasser.
Fällt die EEG-Umlage weg, wird der ökonomische Vorteil von selbst erzeugtem Eigenstrom aus Photovoltaik auch in gewerblichen Anwendungen wirksam. Dann lässt sich die Energiewende nicht mehr auf das gutbürgerliche Segment der Eigenheimbesitzer abschieben, dann werden die großen Dächer systematisch für Sonnenstrom erschlossen.
Denn die Unternehmen haben ein erdrückendes Kostenproblem. Der deutsche Mittelstand, die tragende Säule unseres Wohlstands, muss gegenwärtig zusehen, wie die Energiekosten förmlich explodieren. Das ist keine Überraschung, die Preisentwicklung folgt der Logik der Märkte.
Strom aus Erneuerbaren fehlt
Weil Altmaier, Söder und Konsorten die Energiewende über Jahre ausgebremst und verzögert haben, fehlt nun Strom aus erneuerbaren Energien in den Netzen. Die Zahl der Sonnenstunden sinkt, sowie die Sonne am Winterhorizont verschwindet. Und bei der Windkraft hat der Zubau jahrelang stagniert, die 10H-Abstandsregel ließ allein in Bayern viele aussichtsreiche Windprojekte in der Schublade verschwinden.
Nicht nur das: Die mit hohen Subventionen in die Marschen der Nordsee gerammten Windräder auf See erweisen sich als sehr kostspielig. Vor allem die Anlandung des Stroms und die fehlenden Netze wirken sich hier hinderlich – und preistreibend – aus.
Die Idee, große Windparks auf See zu etablieren und mit Milliarden aus dem EEG-Säckel zu subventionieren, ist gescheitert. Denn diese Offshore-Großkraftwerke haben keine Chance, die Preise von Sonnenstrom oder Windkraft an Land zu erreichen.
Erdgas wird teurer
Wenn das Netz die wachsende Nachfrage nach Strom nicht bedienen kann, steigen die Preise. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium hat die drohende Stromlücke unterschätzt und das Problem auf die lange Bank geschoben. Nun ist die Lücke da. Der Strompreis am Spotmarkt richtet sich immer nach dem Kraftwerk, das trotz Dunkelflaute noch liefern kann. Das sind die Kraftwerke mit Gasturbinen, die bei Spitzenlasten im Netz anspringen.
So schlägt der Preis für Erdgas auf die Strommärkte durch. Mehr Erdgas ändert daran wenig, denn der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle erfordert geradezu, dass mehr erneuerbare Energien zugebaut werden. Dann, und nur dann könnten die Strompreise wieder sinken.
Denn auch das Erdgas wird sich weiter verteuern. Die Förderung wird immer teurer, die Pipelines immer länger. Auch Pipelines kosten Geld, sehr viel Geld, wie wir gerade bei Nord Stream 2 erleben. Zudem wird die CO2-Bepreisung weiter steigen, die Erdgas als fossilen Brennstoff automatisch verteuert.
Dächer und Fassaden
Den deutschen Unternehmen steht – die Energiepreise betreffend – das Wasser bis zum Hals. Nun sind sie regelrecht gezwungen, in solaren Eigenstrom zu investieren, wenn sie nicht absaufen wollen. Dächer und Fassaden werden zum entscheidenden Asset, um die Energiekosten zu drücken – und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Das muss sich endlich in der Politik der Bundesregierung niederschlagen: im Bundeswirtschaftsministerium und beim Finanzministerium. Es geht nämlich vor allem darum, solaren Eigenstrom von bürokratischen Hürden zu entlasten. Es geht darum, die Investitionen der Betriebe mit steuerlichen Anreizen zu locken, mit sinnvollen Abschreibungsregeln wie der Sonder-Afa nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990.
Unternehmen, die einen hohen Anteil ihres Strombedarfs aus Solarstrom selbst decken, sind gegenüber der Konkurrenz aus Asien beispielsweise deutlich im Vorteil. Denn in China ist der Energiehunger so groß, dass die Kraftwerke die Nachfrage nicht mehr bedienen können. Die Folge: Schon drohen Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung. Unmut kann sich Peking aber nicht leisten. Die kommunistische Einheitspartei kann politisch nur überleben, wenn sie wachsenden Wohlstand für mehr als 1,4 Milliarden Menschen organisiert.
Geht das Licht aus, gerät das Reich der Mitte nicht nur in eine ökonomische Krise. Deshalb hat Peking viele Firmen angewiesen, ihre Produktion bis zu 90 Prozent (!) zu drosseln, um ausreichend Energie für die Bevölkerung und unverzichtbare Branchen zu haben – etwa das Gesundheitswesen
oder das Militär.
Die entscheidende Chance
Die Umstellung des kommerziellen Segments auf solaren Eigenstrom gerät zur entscheidenden Chance im internationalen Wettbewerb. Wenn die EEG-Umlage fällt – wie neuerdings sogar von der FDP propagiert –, beginnt der Run auf die großen Dächer. Unabhängig von den völlig überzogenen und verkomplizierten Ausschreibungsregeln werden die Firmen in Eigenstromsysteme investieren – direkt in Eigenanlagen oder über Dienstleister mit PPA-Angeboten.
Dabei kommt den gewerblichen Speichersystemen eine zentrale Rolle zu. Das war auch in München beim Restart der Smarter E Europe klar zu erkennen. Der Gewerbespeicher mutiert zur Energiezentrale der Unternehmen, wobei der Leistungsbedarf aus der E-Mobilität diesen Markt stark beflügeln dürfte.
Denn die mit der Mobilität der Firmenflotten verbundenen Kosteneinsparungen durch solaren Eigenstrom sind oft noch höher als für Maschinenstrom, Kühlung, Kälte oder elektrische Heizwärme. Während die Spritpreise auch auf Rekordniveau klettern, haben einige Autovermietungen das Potenzial erkannt. So hat die Firma Hertz Mitte Oktober 2021 angekündigt, 100.000 Elektroautos bei Tesla bestellen zu wollen, die für Firmenkunden gedacht sind.
Der Strommarkt erreichte 2021 in der KW41 mit 179 Euro je Megawattstunde einen neuen Preisrekord. Grund waren die volatilen Gaspreise, weil die Gaskraftwerke gemäß dem Merit-Order-Effekt die Preise dominieren.
Wenn alle Grundlastkraftwerke mit Kohlefeuerung oder Ölbrenner unter Volllast glühen, Sonne und Wind nicht genügend Energie liefern, dann zünden die Gasturbinen, um Spitzenlasten zu bedienen. Also ist der Gaspreis der bestimmende Faktor. Doch bis zur KW 41 zogen auch die Preise für Öl und Kohle an, das trieb den Strompreis zusätzlich nach oben.
Die Folge: In Deutschland geraten Anbieter von Strom und Erdgas in die Schieflage. Denn sie können die Preissteigerungen nicht so schnell an ihre Kunden weiterreichen. Einige Lieferanten haben bereits die Lieferverträge gekündigt. Insolvenzen drohen.
Die Anbieter von Ökostrom und Erdgas mit Biogasbeimischung sind besser aufgestellt, weil sie sich in der Regel ausreichend Solarparks und Windräder gesichert haben. Hier zeigt sich, dass ein umfangreiches Portfolio an erneuerbaren Energien das Kerngeschäft der Versorger vor Risiken bei der Brennstoffbeschaffung schützt.
Und es wird schon jetzt klar, dass grüner Wasserstoff zum Rettungsanker für viele Energieversorger wird – auch wenn der technologische Durchbruch noch einige Zeit benötigen dürfte.
Im Winter wird die Einspeisung aus der Windkraft in Deutschland wieder zunehmen, das wirkt sich preisdämpfend aus. Mittelfristig kann die deutsche Wirtschaft ihre Strahlkraft nur erhalten, wenn sie in Eigenstromversorgung investiert – das schließt Windräder auf dem Betriebsgelände oder PPA von Windparks im Umland ein.
Solarer Eigenstrom
Um die Energiekosten nachhaltig und deutlich zu senken, ist Photovoltaik erste Wahl. Zumal der Stromverbrauch in den warmen Monaten zunehmend vom Bedarf für Kühlung und Kälte getrieben wird. Dadurch ergeben sich sommerliche Spitzenbedarfe, die aus dem Stromnetz nur mit Preisaufschlägen gedeckt werden können.
Auch die E-Mobilität verursacht hohe Kosten, will ein Unternehmer seinen Netzanschluss aufbohren. Die Firmenflotten leistungsstark zu versorgen lässt sich mit Gewerbe- oder Industriespeichern im vorverkabelten Container viel einfacher und wirtschaftlicher darstellen. Neuerdings kann man solche Speichersysteme leasen oder mieten, was die Schwelle für Investitionen zusätzlich senkt.