PV in der Landwirtschaft: Mit Eigenstrom raus aus der Kostenfalle
Biomilchbauer Ignaz Leitner lebt die Philosophie der Kreislaufwirtschaft. Ein zukunftsfähiges Konzept, das gerade unter dem neuen Anstrich „Circular Economy“ weltweit eine Renaissance erlebt. Für seine Idee einer solaren Kreislaufwirtschaft musste die alte Getreidemühle vor Kurzem einem Batteriespeicher Platz machen.
Der Biobauer aus Oberwölz in der Steiermark bewirtschaftet seinen Milchviehbetrieb mit Low-Input-Management. Er hat seine Betriebsführung auf die natürlichen Bedingungen ausgerichtet und nutzt die verfügbaren Ressourcen effizient und nachhaltig.
Der Kraftfutterzukauf wurde halbiert, der Tierbestand reduziert und die Grundfutterqualität mit einer energieeffizienten Heutrocknungsanlage gesteigert. Er ist sichtlich überzeugt, „dass Wirtschaften in natürlichen Kreisläufen sowie eine Rückbesinnung auf die biologischen Werte wieder mehr Harmonie und Erfolg in seinen landwirtschaftlichen Alltag gebracht haben“.
Dazu gehört für Ignaz Leitner auch die Verwendung der Sonnenergie zur Energieversorgung. Der Milchviehbetrieb liegt an einem Südhang mit perfektem Sonnenergiepotenzial.
Energie aus den Dachziegeln
„Begonnen hat alles mit der Umstellung der Warmwassererwärmung im Milchviehstall auf Solarenergie vor einem Jahrzehnt“, erinnert sich Leitner. Mit minimaler Technik wurden 700 Euro pro Jahr an Stromkosten eingespart. 2003 wurde eine Photovoltaikanlage mit fünf Kilowatt Leistung auf dem Wirtschaftsgebäude montiert. Die Besonderheit: Die Solarzellen sind direkt in die Dachziegel integriert.
Von außen ist die Photovoltaikanlage kaum erkennbar. „Ich musste mich über Nacht für dieses Projekt entscheiden und war einer von neun Betreibern in ganz Österreich“, erinnert er sich. Die Investitionskosten von 50.000 Euro haben sich über den geförderten Ökostromtarif längst selbst refinanziert. Heute wird der erzeugte Strom selbst am Betrieb genutzt.
Im vergangenen Jahr wurde die Sonnenstromleistung um weitere 8,3 Kilowatt Photovoltaik inklusive Batteriespeicher mit zwölf Kilowattstunden Kapazität erweitert.
Stromspeicher statt Mühle
Wo früher die Getreidemühle stand, steht jetzt die Solarbatterie. „Mit dem Speicher und der zusätzlichen Photovoltaikanlage konnte ich den Stromzukauf von 17.000 auf 8.700 Kilowattstunden verringern“, sagt Leitner. Denn in der stromintensiven Zeit der Milchproduktion – am Morgen und am Abend – ist kein Sonnenstrom verfügbar.
Deshalb wurde der Speicher nötig. „Ich verwende 80 Prozent des Sonnenstroms selbst und bin mit meinem Betrieb zu 50 Prozent energieautark“, erzählt er stolz.
Einzig die neu errichtete Heutrocknungsanlage scheint in dieser Kalkulation nicht auf. Sie ist an einem separaten Netzpunkt mit vergünstigtem Stromtarif angeschlossen. Denn die kurzfristig hohen Bedarfsspitzen der Trocknung sind mit der Photovoltaikanlage nicht abdeckbar.
Der vernetzte Bauernhof
Die Technologie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die im Jahr 2005 montierten Wechselrichter verfügen über ein einzeiliges Schwarz-Weiß-Display, während die neue Generation digital vernetzt ist und die Daten in Echtzeit auf das Smartphone liefert.
Für Ignaz Leitner sind ein Internetanschluss sowie intelligentes Energiemanagement heute Grundvoraussetzung für die Maximierung der Eigenstromversorgung. Photovoltaikanlage, elektrische Verbraucher und Batteriespeicher kommunizieren ständig miteinander.
Hohe Ausfallsicherheit
Der erzeugte Sonnenstrom wird vorrangig im hauseigenen Stromnetz verteilt, anschließend im Batteriespeicher gespeichert und zu guter Letzt im E-Heizstab des Warmwasserboilers zu Wärme umgewandelt.
Tritt eine Störung im Energiesystem auf, wird der Herstellerfirma sofort eine Benachrichtigung zugesandt. Der Batteriespeicher zeichnet außerdem die Umgebungstemperatur auf – sie darf nicht unter zwei Grad fallen, ansonsten werden die Speicherzellen beschädigt. Energiesystem und Landwirtschaft funktionieren beide in Kreisläufen.
Umdenken spart Energie
Ignaz Leitner versucht die vorhandenen Ressourcen mit jedem Tag bestmöglich am Betrieb zu nutzen. „Der größte Energiesparer ist für mich das Umdenken“, sagt er. Die Heutrocknung nutzt die warme Luft vom Dach. Waschmaschine und Trockner sind energieeffizient, Beleuchtungskörper auf LEDs umgestellt und die Hauptreinigung der Melkanlage erfolgt in der sonnenreichen Zeit.
Für die Zukunft ist dem Solarpionier vor allem eines besonders wichtig: neugierig und offen zu bleiben. Eine Holzverstromungsanlage und ein Elektroauto sind für ihn die nächsten logischen Schritte in die digitale Energiezukunft.
Eine reale Vision für 2050: Die Landwirtschaft versorgt sich aus erneuerbaren Energien
Wir schreiben das Jahr 2050. Die Landwirtschaft ist vollständig elektrifiziert. Die Energie wird zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen im landwirtschaftlichen Betrieb produziert. E-Landmaschinen kreisen autonom auf den Wiesen und Äckern.
Bei Stillstand docken sie an das selbstlernende Stromnetz an und übernehmen mit ihren Hochleistungsbatterien eine wichtige Speicherfunktion im hauseigenen oder lokalen Energienetz.
Zurück ins Jahr 2018. Österreich hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2030 auf 40 bis 50 Prozent steigen, der Strom soll zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen und der Energieverbrauch soll um 30 Prozent sinken.
Für das Jahr 2050 ist der vollständige Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vorgesehen. Dies bedeutet für alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche ein kräftiges Bekenntnis zu mehr Energieeffizienz sowie einen gigantischen Zubau an Biomasse, Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik. Notwendig wird die intelligente Neugestaltung der Stromnetze.
Denn E-Mobilität und Power-to-Heat (Wärmepumpen) werden die Verschiebung der Energieströme beschleunigen: von Wärme und Treibstoff hin zu elektrischem Strom.
Stromnetze digital denken
Wind- und Sonnenstrom zählen heute zu den günstigen Energiequellen. Ihre Gestehungskosten liegen zwischen vier und neun Cent je Kilowattstunde. Allerdings entsteht durch die starke Wetterabhängigkeit eine zeitliche und räumliche Trennung zwischen Erzeugung und Nutzung der Energie.
Mittelfristig ist eine intelligente Kommunikation zwischen erneuerbaren Energien, Speichern und Elektromobilität erforderlich. Die Digitalisierung muss dazu beitragen, die Produktion und den Transport im Stromnetz effizienter zu gestalten und viele kleine Energieproduzenten intelligent einzubinden.
Smart Meter kommen
Spätestens mit der ächendeckenden Ausrollung der Smart Meter (digitale Zähler) im Jahr 2019 wird die digitale Energierevolution für uns alle greifbar. Die digitalen Stromzähler sind kommunikationsfähig und sollen über kurz oder lang exible Stromtarife unterstützen.
Die verursachergerechte Preisbildung wird zu stärker leistungsgetriebenen Tarifen führen und dem Lastmanagement wieder mehr Bedeutung beimessen.
Neue Optionen für die Höfe
Eine digital vernetzte Energieversorgung bietet der Land- und Forstwirtschaft neue Betätigungsfelder.
Die Bauern werden nicht nur Energie erzeugen, sondern bieten mit ihren Maschinen und Geräten, in denen große, intelligent vernetzte Stromspeicher stecken, auch den Schwankungsausgleich für die Stromnetze an. Außerdem können diese Systeme den Energiebedarf effizienter gestalten. (Thomas Loibnegger)
Dieser Artikel von Thomas Loibnegge ist zuerst erschienen in photovoltaik 7/2019. Thomas Loibnegger ist Referent für Energie und Biomasse bei der Landwirtschaftskammer Steiermark in Graz, im Referat für Energie.