Tipp vom Anwalt: Wie setzt man eine Mangelbeseitigungsfrist richtig?
Vor einer Kündigung des Bauvertrags (beim VOB-Vertrag) wegen Mängeln bzw. der Geltendmachung von Mängelrechten hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung einzuräumen.
Ob eine Frist zur Mängelbeseitigung angemessen ist, bestimmt sich objektiv nach Art und Umfang der erforderlichen Arbeiten. Hinsichtlich ihrer Länge kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei auf den Zeitaufwand eines tüchtigen und sorgfältigen Auftragnehmers abzustellen ist.
Zu berücksichtigen ist auch, dass eine gewisse Vorlaufzeit erforderlich ist, damit der Auftragnehmer alles Organisatorische veranlassen kann und dass sonstige äußere Umstände eine Rolle spielen können (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 21.03.2018, Az.: 11 U 124/15; der BGH, hat mit Beschluss v. 06.11.2019, Az.: VII ZR 98/18 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
1. Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche betreffend Fassadenarbeiten (Ausführung eines Wärmedämm-Verbundsystems nebst farblicher Endbeschichtung und des Sockels zu Einheitspreisen) an ca. 18 unterschiedlichen Häusern eines Neubauvorhabens des Auftraggebers (AG). Beim Bauvorhaben kam es zu verschiedentlichen Mängeln im Zusammenhang mit den Fassadenarbeiten. Nachdem sich die Parteien zunächst, über einen längeren Zeitraum, über die Mängel und Ursachen ausgetauscht hatten, setzte der AG dem AN, unter Androhung der Kündigung des Vertrages, eine Frist zur Mangelbeseitigung von 14 Tagen. Nachdem der AN nicht innerhalb dieser 14 Tage die Mangelbeseitigung durchgeführt hatte, kündigte der AG und beauftragte ein Drittunternehmen mit der Mangelbeseitigung.
Der Auftragnehmer (AN) verlangt mit Klage die Zahlung seines restlichen Werklohns nachdem der AG keine Zahlungen mehr leistete. Der AG macht widerklagend Ansprüche auf Vorschuss für die Kosten einer Ersatzvornahme respektive auf Schadensersatz.
2. Entscheidung
Das Gericht entscheidet zu Gunsten des AN. Der AG hatte die restliche Vergütung zu zahlen. Der AG habe die Mangelbeseitigungsfristen zu kurz gesetzt. Die erfolgreiche Geltendmachung von Gegenrechten scheitere daran, dass dem AN keine hinreichende Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben wurde.
Ob eine Frist zur Mangelbeseitigung angemessen ist, bestimmt sich objektiv nach der Art und dem Umfang der erforderlichen Arbeiten, wobei eine zu kurz bestimmte Frist stets eine angemessene in Lauf setzt; hinsichtlich ihrer Länge kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei grundsätzlich auf den Zeitaufwand eines tüchtigen und sorgfältigen Auftragnehmers abzustellen ist, von dem - sofern er sich bereits in Verzug mit der Gesamtleistung befindet - auch besondere Beschleunigungsmaßnahmen erwartet werden können, so das Gericht in seinem Urteil.
Das originäre Nachbesserungsrecht des Werkunternehmers gehe nur dann verloren, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorlägen, was hier indes nicht zutreffe. Eine Frist von nicht einmal 14 Tagen sei unzureichend, um Mängel an insgesamt 18 Häusern zu beseitigen.
Für den AN sei die Mangelrüge weitgehend überraschend gewesen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Parteien für längere Zeit Verhandlungen geführt hatten. Allein auf die unter optimalen Bedingungen rein bautechnisch notwendigen Zeiten abzustellen, wofür Sachverständigenbeweis angetreten wurde, sei von vornherein unzutreffend. Insbesondere müsse stets berücksichtigt werden, dass auch eine gewisse Vorlaufzeit erforderlich ist, um seitens des Werkunternehmers alles Organisatorische zu veranlassen, und dass sonstige äußere Umstände eine Rolle spielen können.
3. Grundsätzliches und Fazit
Kommt der AN einer Mangelrüge und Nachbesserungsaufforderung nicht nach, kann der AG die Leistungen selbst ausführen oder durch ein Drittunternehmen ausführen lassen. Die hierfür anfallenden Kosten kann er im Nachgang gegenüber dem Untätigen AN ersetzt verlangen.
Voraussetzung für diesen sog. Anspruch auf Selbstvornahme und den Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen erfordert im Werkvertragsrecht die Setzung einer vorherigen angemessenen Nacherfüllungsfrist zur Mangelbeseitigung. Das Schreiben mit der Mangelbeschreibung und Aufforderung zur Mangelbeseitigung sollte per Einwurf-Einschreiben oder per Telefax an den AN übermittelt werden.
Die Dauer der Frist hängt insbesondere vom Umfang der erforderlichen Mangelbeseitigungsarbeiten ab. Hat der AG voreilig ohne Ablauf der Nacherfüllungsfrist und ohne Vorliegen eines Ausnahmetatbestands (z.B. absolute Verweigerung des AN´s, keine angemessene Frist), der eine Fristsetzung entbehrlich macht, nachgebessert oder nachbessern lassen, hat er keinen Kostenerstattungsanspruch. So liegt der Fall auch hier. Die gesetzte Frist für die Mangelbeseitigung war, in der Gesamtschau, zu kurz bemessen.
Grundsätzlich kann eine Frist von 14 Tagen bei Arbeiten an einem Einfamilienhaus oder einer Eigentumswohnung als ausreichend betrachtet werden. Je nachdem wie umfangreich die Arbeiten allerdings sind, kann es im Einzelfall notwendig werden eine umfangreichere Frist (z.B. aufgrund Jahreszeit, Umfang der Arbeiten etc.) zu setzen.
Sobald die gesetzte angemessene Frist fruchtlos verstrichen ist, kann der AG im BGB Werkvertrag die Ersatzvornahme vornehmen und die Arbeiten selbst oder durch einen Dritten ausführen. Dabei ist der AG grundsätzlich nicht verpflichtet, den billigsten Ersatzunternehmer zu beauftragen oder ein Risiko hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit des Ersatzunternehmens einzugehen. In der Folge kann der AG die Erstattung der objektiv für die Mangelbeseitigung notwendigen Aufwendungen einschließlich des Wertes der Eigenleistungen verlangen.