Entwässerung: Wie Profis die passende Hebeanlage auswählen
Falls ein ausreichendes Gefälle zum Kanal vorhanden ist, kann das Abwasser auf natürlichem Weg und ohne Unterstützung zum Kanal fließen. Um im Rückstaufall zu verhindern, dass Abwasser aus dem Kanal durch die Ablaufstellen im Keller in das Gebäude gelangt, kann ein selbsttätig schließender Rückstauverschluss eingesetzt werden. Nachdem der Rückstau vorbei ist, kann das Abwasser wieder ungehindert abfließen. Die DIN EN 12056-4 („Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden, Teil 4: Abwasserhebeanlagen) lässt den Einbau eines Rückstauverschlusses unter folgenden Bedingungen zu:
- Die Räume müssen von untergeordneter Nutzung sein. Das heißt, im Rückstaufall dürfen keine wesentlichen Sachwerte beschädigt und die Gesundheit der Bewohner nicht beeinträchtigt werden.
- Der Benutzerkreis muss möglichst klein sein.
- Oberhalb der Rückstauebene muss ein weiteres WC zur Verfügung stehen.
- Bei Rückstau muss auf die Benutzung der Ablaufstellen verzichtet werden können.
Bei der Wahl des Rückstauverschlusses ist die Abwasserart entscheidend. Es gibt spezielle Verschlüsse für fäkalienhaltiges Schwarzwasser und für Grauwasser (ohne Fäkalien).
Aufstellarten und Einsatzbereiche
Besteht kein ausreichendes Gefälle zum Kanal, muss das Abwasser, das unterhalb der Rückstauebene anfällt, mittels einer Hebeanlage in den Kanal befördert werden. Dazu wird das Abwasser im Anlagenbehälter zunächst gesammelt und ab einem bestimmten Wasserstand über die Rückstauebene mittels einer Druckleitung mit Rückstauschleife gehoben. Diese Schleife schützt im Rückstaufall davor, dass das Wasser wieder zurück ins Gebäude fließen kann.
Bei der Auswahl der richtigen Hebeanlage gilt es zunächst, die Einbauvoraussetzungen und die Nutzung der Kellerräume zu beachten. So lassen sich Hebeanlagen in die Bodenplatte einbauen oder auch frei aufstellen. Eine besonders für die Sanierung geeignete Variante ist die Installation in einen Systemschacht außerhalb des Gebäudes. Dieser kann in der Regel in den vorhandenen Hausanschlussschacht integriert werden.
Die Art des Abwassers ist ein zentrales Kriterium bei der Produktwahl. Hier kommt es auf die angeschlossenen Entwässerungsgegenstände an. So lässt sich z. B. fäkalienfreies Abwasser (Grauwasser) aus Waschmaschinen, Duschen und Badewannen mit einer Schmutzwasser-Hebeanlage entsorgen. Bei fäkalienhaltigem Abwasser (Schwarzwasser) aus Toiletten und Urinalen muss auf spezielle Fäkalien-Hebeanlagen zurückgegriffen werden, wie Aqualift F (Bild 1) oder Minilift F von Kessel.
Mitentscheidend für die Produktauswahl ist die Position der Rückstausicherungsanlage in Bezug zum angeschlossenen Kanal. Soweit planerisch möglich, sollte gemäß dem Prinzip der Schwerkraftentwässerung immer ein ausreichendes Gefälle hergestellt werden. Dies ermöglicht die Entwässerung im Normalbetrieb (Bild 2) ohne zusätzlichen Pumpenbetrieb und spart somit Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten. Sowohl Rückstauverschlüsse als auch Rückstaupump- und -hebeanlagen nutzen dieses Prinzip. Sie bieten bei einem Pumpenausfall mehr Betriebssicherheit, da bei ausreichendem Gefälle zum Kanal weiterhin entwässert wird. Erst wenn ein Rückstau eintritt, schließt eine Klappe und die Entwässerung erfolgt dann mittels der integrierten Pumpe.
Achtung: Sollte sich ein Fettabscheider unter der Rückstauebene befinden, ist (entsprechend DIN EN 752-1) eine nachgeschaltete Doppelhebeanlage erforderlich. Die Zulaufleitungen der Abscheideranlagen müssen, um Fettansätze zu verhindern, ein Gefälle von mindestens 2 % besitzen. Ist dies aus baulichen und betrieblichen Gründen nicht möglich und/oder sind längere Leitungen erforderlich, dann sind geeignete Maßnahmen notwendig, um Fettansatz und Ablagerungen zu verhindern.
Drei Arten von Hebeanlagen
Generell drei Arten von Abwasserhebeanlagen unterscheidet die Produktnorm DIN EN 12050:
- Hebeanlagen für fäkalienhaltiges Abwasser (Schwarzwasser)
- Hebeanlagen für fäkalienfreies Abwasser (Grauwasser)
- Hebeanlagen für fäkalienhaltiges Abwasser für begrenzte Verwendung.
Hebeanlagen für fäkalienhaltiges Abwasser (Bild 3) unterliegen strengen technischen Anforderungen (DIN EN 12050-1). Sie verfügen über einen Sammelbehälter, welcher ein Nutzvolumen von mindestens 20 l besitzen muss. Da der Behälter gemäß Norm als explosionsgeschützter Raum definiert ist, befinden sich alle elektrischen Anschlüsse und Bauteile außerhalb dieses Behälters. Ein offenes Behältnis oder ein Abwasser-Sammelschacht in Gebäuden ist nicht zulässig.
Hebeanlagen für Grauwasser: Das Sammeln und automatische Heben von fäkalienfreiem Abwasser übernehmen Anlagen für Grauwasser. Sie müssen der Produktnorm DIN EN 12050-2 entsprechen.
Eine besondere Bauform sind die sogenannten Unterflurhebeanlagen. Solche Anlagen werden nicht in einen Schacht, sondern bodengleich eingebaut. Ein dreh-, neig- und höhenverstellbares Aufsatzstück, wie z. B. bei der Hebeanlage Aqualift S, ermöglicht beim Einbau einen stufenlosen Höhen- und Niveauausgleich. Die einzelnen Komponenten ähneln denen der Fäkalienhebeanlage. Sie unterscheiden sich darin, dass der Sammelbehälter nicht als geschlossener Behälter ausgeführt sein muss. Der Druckleitungsanschluss, die Druckleitung und der Rückflussverhinderer müssen bei diesen Anlagen eine Mindestnennweite von DN 32 haben (Bild 4).
Bei einem kleinen Benutzerkreis lassen sich auch Anlagen für fäkalienhaltiges Abwasser zur begrenzten Verwendung (Produktnorm DIN EN 12050-3) nutzen. Deren Behälter ist nicht als Sammelbehälter ausgebildet, sondern dient als Volumenvorlage und enthält auch die Förder- und Steuereinrichtung. Bei Anlagen mit sogenannter zwangsläufiger Fäkalienzerkleinerung muss der Druckstutzen-Anschluss mindestens 20 mm, in Anlagen ohne Fäkalienzerkleinerung mindestens 25 mm Durchmesser haben.
Nach DIN 1986-100 dürfen Anlagen zur begrenzten Verwendung nur eingesetzt werden, falls der Benutzerkreis klein ist und diesem oberhalb der Rückstauebene ein weiteres WC zur Verfügung steht. Zusätzlich zu dem WC dürfen höchstens noch ein Handwaschbecken, eine Dusche und ein Bidet angeschlossen werden. „Zur begrenzten Verwendung“ heißt auch, dass sich die Anlage zusammen mit dem angeschlossenen WC und den anderen angeschlossenen Entwässerungsgegenständen im selben Raum befinden muss.
Das richtige Produkt wählen
Wurde die passende Hebeanlagenart ermittelt, folgt die Produktauswahl. Die erforderliche Anlagengröße wird nach DIN EN 12056-4 berechnet. Die Produktarten unterscheiden sich allgemein hinsichtlich ihrer konstruktiven Ausführung mit Klappen, Pumpen und Rückstauschleife. Rückstaupump- und -hebeanlagen vereinen die konstruktiven Merkmale von Rückstauverschlüssen und Hebeanlagen. Daraus ergeben sich auch wesentliche Unterschiede bezüglich der Funktionsweise.
Die DIN 1986-100 („Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“) beschreibt lediglich die beiden genormten Produktarten Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse. Es ist aber aus Gründen der technischen Entwicklung und der Wirtschaftlichkeit, aber auch mit Blick auf den Umweltschutz und den sparsamen Umgang mit Primärenergien sinnvoll, neue Bau- und Werkstoffe, Bauteile, Bauarten und Einrichtungsgegenstände einzusetzen. Dies ist auch im Kommentar der DIN 1986-100 festgehalten. Denn stromsparende Lösungen werden in allen Bereichen der Gebäudetechnik immer wichtiger.
Strom sparen mit Hybridhebeanlagen
Auch in der Gebäudeentwässerung sind ökologische und ökonomische Alternativen auf dem Vormarsch. Dazu gehören z. B. die stromsparenden Hybridhebeanlagen, die für den Einsatz bei Gefälle zum Kanal konzipiert wurden (Bild 5). Sie sind für durchgehende Abwasserleitungen nach DIN EN 12056-4/13564 Typ 3 bestimmt, an die Schmutzwasserleitungen sowie WC- und Urinalanlagen angeschlossen sind. Im Normalbetrieb nutzen sie das natürliche Gefälle zum Kanal und nur bei Rückstau schließt das automatische Verschlusssystem und sie pumpen das Abwasser über eine Rückstauschleife (Bild 6) – genau wie die klassischen Hebeanlagen. Diese Funktionsweise verbraucht allerdings nicht nur wesentlich weniger Strom als klassische Hebeanlagen, sondern spart den Betreibern auch Wartungskosten. Voraussetzung für einen einwandfreien Betrieb sind:
- ein ausreichendes Gefälle in den Ablaufleitungen
- ein hoher Wasseranteil im Abwasser (damit der Selbstreinigungseffekt optimiert wird)
- eine ordnungsgemäße Verlegung und vor allem Entlüftung der Zulaufleitung gemäß DIN EN 12056/DIN 1986-100.
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Verschiedene Einbauvarianten
Abhängig von den individuellen Gegebenheiten vor Ort sind verschiedene Einbauvarianten möglich. So eignen sich Hybridhebeanlagen zum einen für die freie Aufstellung im Gebäude, können aber ebenso außerhalb des Gebäudes in einem Kunststoffschacht installiert werden. Erleichtert wird die Montage z. B. durch einen speziell konzipierten Technikschacht von Kessel (Bild 7), welcher nur ein relativ geringes Gewicht aufweist. Dennoch ist er stabil und grundwasserbeständig bis zu einer Höhe von 3 m ab der Unterkante des Schachtes.
Darüber hinaus können Hybridhebeanlagen unter Verwendung der entsprechenden Systemkomponenten auch in Betonschächten verbaut werden. Ebenso eignen sie sich für den Einbau in die Bodenplatte oder WU-Beton. Die Steuerung erfolgt über ein Komfort-Schaltgerät mit Selbstdiagnosesystem (SDS). Zudem können die Anlagen mithilfe einer Abdichtungsbahn oder elastomeren Sperrbahn gegen drückendes Wasser abgedichtet werden.
Neben Hybridhebeanlagen für den Einsatz in Einfamilienhäusern gibt es auch Ausführungen, die sehr große Volumenströme entwässern können und als Doppelanlage ausgeführt sind. Diese Varianten eignen sich z. B. für Mehrfamilienhäuser oder Gewerbebauten, wie Hotels oder Restaurants (hinter Fettabscheidern).
Weil die Hybridanlagen den direkten Weg in den Kanal mit natürlichem Gefälle nutzen, wird kein Strom benötigt. Und falls es einmal zu einem Stromausfall kommen sollte, steht der (Gewerbe-)Betrieb nicht still, weil das Abwasser auch dann zuverlässig abgeleitet wird.