Beschäftigte im Handwerk liegen beim Verdienst deutlich zurück
Sprichwörtlich heißt es, das Handwerk habe goldenen Boden. Wer dort als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer tätig ist, dürfte das allerdings anders sehen: Laut einer Studie von Dr. Katarzyna Haverkamp und Kaja Fredriksen liegen die Löhne im Handwerk etwa ein Fünftel unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Die Mitarbeiterinnen des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen haben für die Hans-Böckler-Stiftung die Lohnstrukturen in dieser Branche analysiert. Für das Verdienstgefälle zu den übrigen Wirtschaftszweigen machen sie vor allem den geringen Anteil Hochqualifizierter, die vielen Kleinbetriebe und die vergleichsweise schwach ausgeprägte Tarifbindung verantwortlich.
„Die Arbeitgeber klagen über Fachkräftemangel im Handwerk. Die Studie zeigt aber, dass insbesondere die Fachkräfte im Vergleich zu anderen Branchen wenig verdienen, auch weil die Tarifbindung im Handwerk besonders niedrig ist“, sagt Dr. Stefan Lücking, der die Untersuchung in der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung begleitet hat. „Eine stärkere Tarifbindung wäre das beste Rezept, um das Handwerk für Fachkräfte attraktiv zu machen.“
Für ihre Untersuchung haben Haverkamp und Fredriksen mehrere umfangreiche Datensätze des Statistischen Bundesamts und des Bundesinstituts für Berufsbildung ausgewertet. Wegen unterschiedlicher Abgrenzungen der Stichproben sind die Einzelergebnisse zum Teil nur begrenzt vergleichbar. Dass das Handwerk beim Lohnniveau deutlich zurückliegt, gilt allerdings unabhängig von der Methode und dem Zeitpunkt der Erhebung.
Der Analyse zufolge haben Vollzeitbeschäftigte im Handwerk 2016 monatlich im Schnitt 3.217 Euro brutto und damit etwa 1.000 Euro weniger verdient als in anderen Branchen. Pro Stunde haben Handwerksbetriebe 2014 durchschnittlich 14,25 Euro gezahlt, andere Betriebe 17,74 Euro.
Bei den Geringverdienern fallen die Unterschiede kaum ins Gewicht: Das unterste Zehntel der Lohnverteilung erhielt 2014 im Handwerk durchschnittlich 6,89 Euro pro Stunde, in anderen Wirtschaftszweigen 6,97 Euro. Weitaus größer ist die Lücke bei den relativ hoch bezahlten Tätigkeiten: Beschäftigte im obersten Zehntel der Lohnverteilung kamen im Handwerk auf einen durchschnittlichen Stundenlohn von 29,55 Euro, in den anderen Branchen waren es 43,05 Euro. Das Lohnspektrum sei also weniger ausdifferenziert, schreiben die Forscherinnen. Das sehe man auch daran, dass Führungskräfte im Handwerk 2,5-mal so viel wie ungelernte Beschäftigte verdienen, während sie andernorts das 3,2-Fache bekommen.
Höhere Löhne in Metallberufen und im Baugewerbe
Wenn man die Löhne in den verschiedenen Handwerksberufen untereinander vergleicht, schneiden Beschäftigte in Metallberufen und im Baugewerbe am besten ab, im Lebensmittelhandwerk, in textilen Berufen, im Verkauf und in der Körperpflege am schlechtesten. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Lohndifferenz zu anderen Branchen als Maßstab dient. Dann stehen die Handwerker in den Lebensmittelberufen ziemlich gut da: Sie verdienen mit 11,67 Euro pro Stunde sogar etwas mehr als diejenigen, die in anderen Wirtschaftszweigen Lebensmittel herstellen oder verarbeiten und im Schnitt auf 11,01 Euro kommen. Bei den Metall- und Elektroberufen liegt der Stundenlohn im Handwerk mit 15,15 Euro dagegen deutlich unter dem Wert von 21,83 Euro in anderen Branchen.
Als Ursache für das vergleichsweise niedrige Lohnniveau im Handwerk nennen Haverkamp und Fredriksen zum einen die Qualifikationsstruktur. Während von den Handwerkern nur 12 Prozent Abitur und lediglich 4 Prozent einen Hochschulabschluss haben, sind Beschäftigte in anderen Bereichen der Wirtschaft zu 33 Prozent studienberechtigt und zu 19 Prozent Akademiker. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Studie zufolge die Tarifbindung. Etwa 70 Prozent der Arbeitnehmer im Handwerk – und damit 20 Prozentpunkte mehr als in anderen Sektoren – sind bei Betrieben ohne Tarifbindung angestellt. Der Stundenlohn ist dort mit 13,71 Euro im Schnitt gut zwei Euro niedriger als bei Arbeitgebern mit regionalem Branchentarif. Die Schwächen bei der Tarifbindung wiederum dürften auch mit der kleinbetrieblichen Struktur des Handwerks zusammenhängen: Über zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, in anderen Branchen sind es nur 38 Prozent.
Wenn man zusätzlich das Alter, das Geschlecht und die Region berücksichtigt, lasse sich der Verdienstunterschied zwischen dem Handwerk und dem Rest der Wirtschaft statistisch zu 90 Prozent erklären, so die Ökonominnen. Fast die Hälfte der Differenz ist demnach auf das Qualifikationsniveau zurückzuführen, über ein Drittel auf den hohen Anteil von Kleinbetrieben. Die schwache Tarifbindung ist für 21 Prozent des Lohnunterschieds verantwortlich.