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Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur: Wunsch und Wirklichkeit

Dittmar Koop

Zwar vertragen heutige Erdgas-Brennwertgeräte einen gewissen Prozentsatz Wasserstoff (H2-ready), aber eine hundertprozentige Umstellung ist dann doch mit Anpassungen der Verbrennungstechnik verbunden. Wasserstoff hat z. B. einen anderen Brennwert als Erdgas, dieser ist wesentlich geringer (Wasserstoff: 3 kWh/m3, Erdgas: 10 kWh/m3), Wasserstoff hat eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit und eine höhere Flammentemperatur (ca. 2.130 °C bei H2 und 1.960 °C bei Erdgas). Perspektivisch sehen manche Experten den Wasserstoff-Brennwertkessel als Spitzenlastkessel in Kombination mit einer Wärmepumpe.

Unter den gegebenen Umständen kann mindestens in den nächsten 5 Jahren noch nicht zum Kauf eines Wasserstoff-Brennwertkessels geraten werden.

Blick in die H2-Projekt-Praxis

Es ist damit eine irreführende Vorstellung zu glauben, dass heute am Markt angebotene H2-Ready-Gasbrennwertgeräte einfach ohne technische Modifikationen von Erdgas auf 100 % Wasserstoff umgestellt werden könnten, sobald der Stoff zur Verfügung stünde. Doch von den an diesem Thema arbeitenden Herstellern würde das auch keiner behaupten. 

Neben Vaillant testet bereits seit Mitte 2019 die BDR Thermea Group, Konzernmutter des Heizungsherstellers Remeha, im niederländischen Rozenburg nahe Rotterdam die nach eigenem Bekunden damals weltweit ersten wasserstoffbetriebenen Brennwertkessel unter realen Bedingungen. Der Wärmeerzeuger wurde im konzerneigenen Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung in Italien entwickelt. Heute ist er in Pilotprojekten in den Niederlanden, England und Frankreich im Einsatz. Die Brennwertkessel haben eine Leistung von 24 kWth und sie verbrennen reinen Wasserstoff. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland zwei Feldtestanlagen. Ein Projekt befindet sich in Holzwickede („H2HoWi“). Hier arbeiten vier Wasserstoff-Brennwertkessel und liefern die Grundlast für die Gebäude von drei Gewerbebetrieben. In Linnich befindet sich das zweite Projekt, bei dem zwei Wasserstoff-Brennwertkessel Betriebsgebäude der Gelsenwasser AG zu 100 % mit Wärme versorgen.

Ziel ist, eine breite Basis für Heizungs- und Warmwasserlösungen in Kombination mit Wasserstoff zu finden – ob als alleiniger Wärmeerzeuger oder auch als Spitzenlastkessel in Kombination mit z. B. einer Wärmepumpe. Unter Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor wäre nach Einschätzung von Remeha auch die Heizungssanierung schneller umsetzbar. Denn die Wärmeverteilung eines Bestandsgebäudes muss nicht zwingend an den Wärmeerzeuger angepasst werden. Die technischen Voraussetzungen werden also geschaffen. Die Frage ist, wann grüner Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht. 

„H2HoWi“ ist ein Wasserstoffprojekt, das als erstes dieser Art in Holzwickede (Dortmund) eingerichtet wurde. Hier sind vorhandene Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen umfunktioniert worden.

Die Farbenlehre des Wasserstoffs

Chemisch gesehen ist Wasserstoff zwar immer Wasserstoff, doch wird er über Farben unterschieden. Er bekommt seine „Farbe“ über den Strom, der zu seiner Gewinnung eingesetzt wird und darüber, woraus und wie er gewonnen wird.

Welcher Farbe ein Wasserstoff auf der Farbskala zugeordnet wird hängt davon ab, wieviel CO2-Emissionen mit seiner Herstellung verbunden sind. Am unteren Ende der Skala ist er grau. Dieser wird entweder per Wasserelektrolyse oder durch die Reformierung von Erdgas mittels fossiler Energieträger gewonnen wird. Klassisch fallen darunter die Wasserstoffe des Hüttenwesens und der Chemieindustrie.

Blauer Wasserstoff ist eine Stufe höher angesiedelt und seit einiger Zeit vermehrt in den Medien. Er bezeichnet einen Wasserstoff, der durch die Reformierung von Erdgas gewonnen wird. Warum ist er blau und nicht grau? Man wendet einen Trick an. Das bei der Produktion entstehende CO2 wird abgeschieden und gespeichert. Dadurch ist blauer Wasserstoff „sauberer“ als grauer. Das dabei abgeschiedene Kohlendioxid soll unterirdisch eingelagert werden – Carbon Capture and Storage (CCS). CCS ist allerdings sehr umstritten, weil die Langzeitfolgen und die möglichen Umweltauswirkungen überhaupt nicht abgeschätzt werden können. Außerdem ist CCS teuer.

Türkiser Wasserstoff befindet sich in der Farbskala an der Übergangsgrenze von blauem zu grünem Wasserstoff. Bei türkisem Wasserstoff wird Methan mit Hilfe von Pyrolyse in Wasserstoff und festen Kohlenstoff zerlegt. Auch hier ist die Quelle in der Hauptsache Erdgas. Denkbar wären allerdings auch andere Methan-Quellen, z. B. Biogas, jedoch ist die zur Verfügung stehende Menge begrenzt. Der Kohlenstoff lässt sich ggf. nutzen. Grüner Wasserstoff ist nach derzeitiger Definition der, welcher per Wasserelektrolyse und unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien entsteht, z. B. mit Hilfe von Windstrom oder PV. Der Ökostrom und -gasanbieter Greenpeace Energy hat in einer Kurzstudie die CO2-Emissionen der Produktion von blauem Wasserstoff mit denen von grünem (auf Basis von Windstrom) verglichen. Demnach verursacht die Produktion blauen Wasserstoffs im Durchschnitt 143 g CO2/kWh, bei der von grünem sind es 26 g CO2/kWh. Interessant ist nebenbei, dass selbst grüner Wasserstoff CO2 produziert.

Grüner Wasserstoff ist derzeit aber und auch auf Sicht auf dem Wärmemarkt praktisch nicht verfügbar. Damit lässt sich auch die Preisentwicklung kaum absehen, da es noch keinen Markt gibt, insbesondere keinen für den Wärmesektor. Eine echte und vor allem kostengünstige Option fürs Eigenheim ist er damit definitiv auf längere Sicht leider noch nicht.

Was ist das Wasserstoff-Kernnetz?

Das liegt auch daran, dass der Wärmesektor in der Liste der Adressaten für Wasserstoff am Ende der Nahrungskette liegt. Am 12. April beschloss der Bundestag das „Zweite Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes“ (EnWG). Was wie meist immer als Beschreibung von Gesetzen sperrig klingt, beinhaltet in diesem Fall die rechtlichen Grundlagen und auch Finanzierungsaspekte für das geplante Wasserstoff-Transportnetz („Kernnetz“) in Deutschland. 

Im Detail soll der Hochlauf in zwei Stufen erfolgen: Das Wasserstoff-Kernnetz soll im ersten Schritt in den kommenden Jahren wesentliche Wasserstoffstandorte verbinden. Im zweiten Schritt soll das Kernnetz in eine fortlaufende integrierte Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff überführt werden. „Mit dem Wasserstoff-Kernnetz sollen große Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland erreicht werden und so wesentliche Wasserstoff-Standorte, beispielsweise große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore, angebunden werden. Die Leitungen des Kernnetzes sollen dabei sukzessive im Zeitraum von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen werden“, fasst das Bundeswirtschaftsministerium BMWK die Ziele zusammen. Vom Wärmesektor ist hier noch lange nicht die Rede.

Wirtschaftsminister Robert Habeck stellte Anfang des Jahres weiter Details zum geplanten Wasserstoff-Transportnetz („Kernnetz“) in Deutschland vor.

Zu Zentren der deutschen grünen Wasserstoffproduktion könnten sich die Küstenländer entwickeln, insbesondere Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Hier gibt es bereits konkrete Überlegungen, On- und Offshore-Windstrom in Form von Wasserstoff zu konservieren, z. B. im Projekt „HanseNetz".

Und trotz aller Anstrengungen bzgl. des geplanten Hochlaufs, muss die Kirche im Dorf bleiben, was die Perspektive auf eine heimische Produktion von grünem Wasserstoff betrifft. Das BMWK formuliert das nüchtern so: „Ein Großteil des in Deutschland benötigten Wasserstoffs, rund 50 bis 70 %, wird jedoch durch Importe aus dem Ausland abgedeckt werden müssen, da die Kapazitäten für die Herstellung von klimaneutralem und wettbewerbsfähigem Wasserstoff hierzulande aufgrund der Sonnen- und Windbedingungen begrenzt sind.“Die heutige Situation beim Transport

Die Produktionsmengen sind das eine. Das andere ist die Verteilung des dann produzierten Stoffs. Es ist ja nicht so, dass das Thema Wasserstoff auf diesem Feld Neuland wäre. Aufgrund nicht vorhandener Pipelines findet der Wasserstoff-Transport heute hauptsächlich ganz normal über die Straße statt. Transportiert wird das Gas in klassischen Stahlbehältern, entweder in vertikal angeordneten Zylindern oder horizontalen Stahlröhren, die pyramidisch auf das Chassis eines Lkw gebaut sind. Stahl ist zwar ein vergleichsweise günstiges Material, hat aber den Nachteil seines großen Eigengewichts. Außerdem besitzt er nur eine vergleichsweise geringe Zyklenzahl (Befüllen-Entladen-Wiederbefüllen), nach der der Transportbehälter wegen Materialermüdung ausgetauscht werden muss.

Zwar ist der hier verwendete Stahl von besonderer Güte, weil Wasserstoff-Moleküle sehr klein sind und eben nicht entweichen dürfen, zumal sie in diesen Behältern üblicherweise auf 200 - 300 bar komprimiert sind. Das Material versprödet aber trotzdem mit der Zeit. Wenn man 1 t Wasserstoff auf diese herkömmliche Weise auf der Straße transportieren möchte, dann ist das in Deutschland zugelassene LkW-Gesamthöchstgewicht von 40 t schnell erreicht. Dieser Transport findet also selbstverständlich schon statt und ist technisch gelöst, aber er ist von der Menge her auch sehr limitiert. 

Transport durchs Netz

Große Transportkapazitäten bietet hingegen das vorhandene Erdgasnetz, das für Wasserstoff überwiegend geeignet ist. Das Erdgasnetz in weiten Teilen für Wasserstoff zu nutzen ist tatsächlich möglich und kein Hirngespinst. Wasserstoff ist zwar das kleinste Molekül. Macht ihn diese Eigenschaft für den Transport problematisch, weil er entweichen könnte, selbst durch Metalle? Jein. In Molekülform kann gasförmiger Wasserstoff bei normalen Umgebungstemperaturen nicht einfach in Metalle eindringen. In der molekularen Form sind die Atompaare dafür zu eng miteinander verbunden.

„H2HoWi“ erhielt zur Inbetriebnahme großes mediales und politisches Interesse.
Zu Beginn werden wir wohl zunächst solche „Insellösungen“ sehen - einzelne kleinere Erdgas-Verteilnetze, die auf 100 % Wasserstoff umgestellt werden und an die eine gewisse Anzahl von Verbrauchern angeschlossen sind.

Ein Fazit

Bezogen auf den Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor und damit auch beim Endverbraucher wird das realistischste Nahziel sein: Durch umgestellte Erdgasleitungen grünen Wasserstoff zum Verbraucher zu transportiert. Also Beispiele, wie sie gerade Remeha und Vaillant in ihren Feldprojekten erarbeiten. Zu Beginn werden wir wohl zunächst solche „Insellösungen“ sehen - einzelne kleinere Erdgas-Verteilnetze, die auf 100 % Wasserstoff umgestellt werden und an die eine gewisse Anzahl von Verbrauchern angeschlossen sind. Aber bis dahin wird es noch einige Zeit dauern. 

Das Problem ist nicht die Technik, die in absehbarer Zeit am Markt vorhanden sein wird, sondern das Vorhandensein des Stoffs in der nötigen Menge an sich und in der passenden Farbe. Blauer Wasserstoff indes ist keine wirkliche Option, nicht nur, weil dafür in CCS-Technik investiert werden müsste, was sinnvoller in den Ausbau von Solar- und Windkraft investiert wäre.

Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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Kommentare

Oliver Janßen (Redaktion) am 18.06.2024 - 09:44

H2 Ready Gasheizungen könnten m.E. potenziell zur Wärmewende beitragen, insbesondere in schlecht isolierten Altbauten, wo beispielsweise Wärmepumpen sich wirtschaftlich nicht rentieren. Ich denke jedoch, für eine effektive Unterstützung des Klimaschutzes müssten diese Heizungen ausschließlich mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Angesichts der aktuellen Knappheit dieses Energieträgers und der dringenden Notwendigkeit an anderer Stelle bleibt unklar, ob ausreichend grüner Wasserstoff für viele private Haushalte verfügbar sein wird. Daher sehe ich das auch so, dass H2 Ready Gasheizungen wahrscheinlich nur eine Nischenlösung darstellen oder in speziellen Projekten zum Einsatz kommen werden.

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