H2 ready or not? Aktueller Stand zum Heizen mit Wasserstoff

Energiethemen bieten ja häufig das Potenzial für intensiv geführte Diskussionen mit Meinungen, die weit auseinander gehen. Das gilt auch für H2 ready. Denn wer sich damit beschäftigt, gerät schnell mitten hinein eine kontroverse Diskussion. Gemeint sind mit diesem Begriff zunächst Gasheizungen, die in der Lage sind, auch Wasserstoff zu nutzen. Aktuell sind dies Geräte, die mit einer H2-Beimischung zum Gas von 20 bis 30 % betrieben werden können und die verschiedene Hersteller bereits anbieten.
Die große Kontroverse verursachen aber Geräte, die Wasserstoff zu 100 % verarbeiten können. Solche Heizungen sind zur Zeit noch nicht am Markt verfügbar. Doch sie stellen im GEG eine Erfüllungsoption dar für die ab 2024 geltende Regelung, nach der neu installierte Heizungen mit 65% erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Statt zum Beispiel in eine Wärmepumpe zu investieren, können Hauseigentümer also auch eine 100-%-H2-ready-Heizung installieren, um die Vorgabe zu erfüllen – sofern sie denn dann irgendwann zu kaufen ist.
Wie riskant ist der Einbau einer neuen Gasheizung?
Diese Erfüllungsoption sehen viele Experten kritisch. Im Mai formulierten verschiedene Vereinigungen wie der Bundesverband der Energieberater (GIH), die Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) einen gemeinsamen Appell an die Politik. Der Einbau einer neuen Gasheizung in der Hoffnung, diese kurz- oder mittelfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben zu können, sei mit immensen ökologischen und finanziellen Risiken verbunden, so die Kritik.
In der Tat gibt es einige Argumente, die gegen die Beheizung mit Hilfe von Wasserstoff sprechen. Dazu zählt, dass dies ein relativ ineffizienter Weg ist, einen Raum zu erwärmen.
„Um 1 kWh Raumwärme zu erzeugen, werden auf dem Umweg über Wasserstoff und eine Wasserstofftherme circa 1,4 kWh grüner Strom benötigt."
"Wird zum Heizen dagegen eine Wärmepumpe eingesetzt, benötigt man nur ca. 0,33 kWh grünen Strom für 1 kWh Wärme“, heißt es im Bericht zum Projekt „Wasserstoff als Allheilmittel?“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit koordiniert wird. Überschrieben ist der Bericht mit dem Titel „Das Wasserstoffdilemma“.
Kritik: Wärmepumpen tragen wesentlich mehr zum Klimaschutz bei
Elisabeth Staudt, Expertin für den Fachbereich Energie und Klimaschutz bei der DUH, spricht sogar vom Faktor sechs bis sieben, um den eine Wärmepumpe effizienter ist als das Heizen mit Wasserstoff. Angesichts dessen hält sie es für unverständlich, auf H2 ready zu setzen – vor allem, weil es ja schon funktionierende Lösungen für die erneuerbare Wärmeversorgung gebe.
„Und das sind vor allem die Wärmepumpen und die Wärmenetze“, so Staudt. Alles, was in eine andere Richtung gehe, verlangsame die Fortschritte bei der Wärmewende. Ähnlich sieht das Florian Munder, Referent im Team Energie und Bauen des VZBV. „Dadurch verzögert sich die Dekarbonisierung, die wir im Gebäudesektor so dringend brauchen.“
Munder befürchtet außerdem ein Kostenrisiko für die Nutzer, „weil der Wasserstoff – sofern er denn überhaupt vorhanden sein wird – ein knappes Gut und ein sehr teurer Brennstoff sein wird“. Es bestehe die Gefahr, dass sich Verbraucher mit einer entsprechenden Heizung für die Zukunft gut gerüstet fühlen, ihnen aber nicht klar ist, dass sie dabei eventuell mit hohen Preisen rechnen müssen.
Unklarheit über zukünftige Wasserstoffinfrastruktur
Laut dem Bericht zum Wasserstoffdilemma versuchen zahlreiche Studien, das zukünftige Angebot von Wasserstoff zu quantifizieren. „Aber da die Entwicklung noch ganz am Anfang steht, unterscheiden sich die Ergebnisse erheblich und es ist heute noch sehr unsicher, wie viel Wasserstoff bis 2030, bis 2040 oder bis 2050 wirklich zur Verfügung stehen wird.“
Der Bericht zitiert auch einen Kostenvergleich, in dem das Öko-Institut einen Wasserstoffkessel sowie eine Luft- und eine Erdwärmepumpe nebeneinander gestellt hat. Trotz deutlich niedrigerer Investitionskosten wirke sich der mehr als viermal so hohe Primärenergieverbrauch des Wasserstoffkessels so stark auf die Betriebskosten aus, dass die Gesamtkosten dieser Lösung unabhängig vom Sanierungszustand des Gebäudes um ungefähr 50% höher lägen als bei der Wärmepumpe.
DVGW rechnet mit sinkenden Gaspreisen
Doch die Kontroverse wäre keine, wenn es nicht auch andere Stimmen gäbe. Dazu gehört etwa der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Er präsentiert eine Studie, für die die Wirtschaftsberatung Frontier Economics im Auftrag des DVGW verschiedene Energieträger miteinander verglichen hat. Eines der Ergebnisse lautet, dass die Endkundenpreise für grünen Wasserstoff mittel- und langfristig im Bereich von Erdgas bzw. der heute geltenden Gaspreisbremse von 12 ct/kWh liegen könnten.
Vergleiche man die Gesamtkosten – also Anschaffung, Kosten für die Gebäudesanierung und Betrieb – liege sowohl bei Einfamilien- als auch bei Mehrfamilienhäusern eine mit Wasserstoff betriebene Gastherme je nach Gebäudetyp und Effizienzklasse auf einem vergleichbaren Niveau wie eine elektrisch betriebene Wärmepumpe.
Die mittel- und langfristige Perspektive bezieht sich dabei auf die Zeit nach 2035. Bis dahin würden die Endkundenpreise für klimaneutralen Wasserstoff in Deutschland voraussichtlich noch über denen für Erdgas und Biomethan liegen, so die Studie. Danach könnten die Preise für Wasserstoff sinken und sich denen von Erdgas annähern.
Professor Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, bezeichnet die Annahme, dass Wasserstoff aufgrund eines angeblich hohen Preises nur für wenige Menschen eine Alternative beim Heizen sei, als „ideologisch geführte Champagner-Diskussion“. „Die Ergebnisse der Untersuchung sind ein starker Indikator dafür, dass Wasserstoff auch im Wärmesektor zukünftig wettbewerbsfähig sein kann“, sagt Linke.
100-%-Wasserstoffgeräte oder Umrüstkits: Das sagen die Hersteller
Die Heizungshersteller hoffen ebenfalls auf eine solche Zukunft und stehen bereits in den Startlöchern. Vaillant hat Brennwertgeräte entwickelt, die zu 100% mit Wasserstoff betrieben und gerade in Feldtests eingesetzt werden. Dazu zählt das Forschungsprojekt H2Direkt, in dem zunächst über einen Zeitraum von 18 Monaten zehn Haushalte und ein Gewerbebetrieb mit den H2-Heizungen von Vaillant ihre Wärme erzeugen.