Verdrängen Wärmepumpe und PV die Solarthermie?
Ende Juni luden das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium zu einem Spitzentreffen von Verbänden und Unternehmen ein, um den Startschuss zur angekündigten Wärmepumpen-Offensive zu geben. Das Ziel: ab 2024 bundesweit mindestens 500.000 Wärmepumpen jährlich zu installieren statt der ca. 154.000 im Jahr 2021. Der Fokus liegt auf Luft-/Wasser-Wärmepumpen, die im Vergleich zu anderen Wärmepumpensystemen relativ günstig in der Anschaffung sind.
Ambitionierte Ziele, aber wer setzt sie wann um?
Kritiker erwarten, dass der Fachkräftemangel sowie begrenzte Produktionskapazitäten zum Flaschenhals für die Umsetzung werden. Dafür reicht schon ein Blick in die Praxis: Wer bereits aktuell jetzt eine Wärmepumpe bestellt, bekommt sie irgendwann im nächsten Jahr. Die Gründe dafür sind einerseits, dass das Handwerk mit Aufträgen bis Ende des Jahres bis zum Anschlag voll ist, andererseits kommt die Industrie in der Produktion akut nicht mit der Nachfrage hinterher.
Selbst der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) hält die Ziele für ambitioniert, aber machbar. Um die nötigen Investitionen in Produktionskapazitäten und Schulungen für das Fachhandwerk zu erreichen, sei nun eine größtmögliche Planungssicherheit notwendig, z.B. das 65 Prozentgebot Erneuerbarer Energien beim Einbau von Heizsystemen schon in diesem Jahr gesetzlich zu verankern. Auch BDH und ZVSHK befürworten die Offensive, sehen aber Herausforderungen in der Umsetzung, u. A. schlagen sie die Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums zur Fachkräftestärkung klimaschutzrelevanter Handwerke vor. Außerdem wird daran erinnert, dass die Wärmepumpe nicht in jedem Fall das geeignete Heizsystem sei und eine Technologieoffenheit weiter gewahrt bleiben müsse.
Verstromung des Wärmesektors
Doch die Wärmepumpenoffensive läutet dennoch eine Zeitenwende ein. Sie wird zum Standardsystem am Markt und sie löst das Heizen mit Erdgas ab. Der Abschied von den fossilen Energieträgern bedeutet außerdem die Verstromung des Wärmesektors. Über die technische Weiterentwicklung in den zurückliegenden Jahren legen die Luft-/Wasser-Wärmepumpen mittlerweile gute Jahresarbeitszahlen (JAZ) an den Tag. Auch im Bestandsbau sind sie als Sanierungsalternative zu einem Thema geworden und sie sollten in jedem Fall zumindest in Erwägung gezogen und als Option geprüft werden, wenn es um den Ersatz eines Heizungssystems geht.
Die Solarthermie wird es hingegen zunehmend schwerer haben. Stand sie bereits im Schatten der Photovoltaik (PV) über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), so folgt nun das Thema Eigenstrom: Selbst erzeugten PV-Strom selbst verbrauchen statt ihn einzuspeisen. PV bleibt darüber weiter attraktiv. Wie sehr der Eigenstrom/Prosumer inzwischen zur festen Größe geworden ist, zeigt sich z. B. auch im aktuell Anfang Juli vom Bundestag beschlossenen EEG 2023: Dort gibt es zwei Kategorien der Einspeisevergütung, eine für Volleinspeiser und eine für Prosumer, für eingespeisten Überschussstrom.
Volleinspeiser in der klassischen Kategorie ≤ 10 kW erhalten zwar deutlich mehr Einspeisevergütung als Prosumer, weil es für Volleinspeiser noch einen Zuschuss in Höhe von 4,80 ct/kW gibt (Volleinspeiser damit: 13,40 ct/kWh, Prosumer: 8,60 ct/kWh). Doch selbst der Prosumer-Wert liegt noch deutlich über der aktuellen Vergütung von 6,24 ct/kWh für Anlagen ≤ 10 kW.
Klassische Solarthermie wird zum Nischenprodukt
Durch Eigenstromnutzung vermiedene Strombezugskosten, bei weiter steigenden Strompreisen am Markt, in Kombination mit einer, im Vergleich zu heute, sogar höheren Vergütung für Überschussstrom, wird das Interesse und die Nachfrage nach PV weiter befeuern. Je mehr Eigenstrom genutzt werden kann, ist nach diesem Kalkül umso besser. Die Kombination mit einer Wärmepumpe als Strom-Mitverbraucher bietet sich da geradezu an. Und macht die Solarthermie überhaupt noch Sinn, wenn man auf eine Gasheizung verzichtet?
Parallel zur Wärmepumpenoffensive sind Umfragen zufolge viele Deutsche kaum noch bereit, in eine Heizung zu investieren, die mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, selbst in eine Gasheizung nicht. Experten wie Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin sagen dem klassischen Solarthermie-Kollektor in Zukunft nur noch ein Nischendasein voraus. Wenn die Solarthermie weiter als Heizungsunterstützung eine Rolle spielen will, dann in Form von PVT-Kollektoren. Diese könnten Wärme und Strom für Wärmepumpen bereitstellen, so Quaschning.
„Im Vergleich zur Solarthermie ist die Photovoltaik einfacher zu installieren, vielseitiger einsetzbar und inzwischen in den meisten Fällen auch preiswerter. Gelingt es allerdings, leistungsfähige und preiswerte Solarthermie-PV-Hybridkollektoren marktfähig zu machen, könnten diese Strom und Niedertemperaturwärme für Wärmepumpen bereitstellen“, blickt Quaschning voraus.
PVT: In Zukunft hybrid
Die Zukunft der Thermie auf dem Dach liegt möglicherweise in der Symbiose mit der Photovoltaik. Erste Anbieter wie Consolar haben bereits PVT-Wärmepumpenkollektoren auf den Markt gebracht, die speziell auf die Kombination mit Wärmepumpen konzipiert sind: „In den letzten Jahren sind aus der Kombination von PV und Solarthermie Technologien als neue Kollektor-Bauart die PVT-Kollektoren entstanden. Speziell für die Kombination mit Wärmepumpen wurden PVT-Wärmepumpenkollektoren entwickelt. Hier lassen sich Vorteile aus beiden Welten in Verbindung mit einer Doppelnutzung der limitierten Dachfläche besonders gut kombinieren“, sagt Andreas Siegemund, geschäftsführender Gesellschafter bei Consolar Solare Energiesysteme.
Ein Fazit: Kein Stammplatz mehr
Seit über 20 Jahren ist die Solarthermie fester Bestandteil auf den Dächern von Neubauten und natürlich auch bei Heizungssanierungen. Dennoch verschärft sich ein technischer Richtungsstreit zugunsten der Photovoltaik, der die Solarthermie an sich in Frage stellt. Die Deutsche Solarthermie-Technologie Plattform (DSTTP) sah im Juli 2021 einen entsprechenden Anlass, in einem 8-Punkte-Papier die Notwendigkeit und Bedeutung der Solarthermie für die Energiewende in der Wärmeversorgung zu betonen. In der DSTTP organisieren sich nach eigenen Angaben seit 2007 alle relevanten Akteure der Solarthermie-Industrie und -Forschung in Deutschland. Fazit des Positionspapiers: Die Solarthermie müsse als Basistechnologie der regenerativen Wärmeversorgung angesehen werden und integraler Bestandteil aller zukünftigen politischen Strategien zur Energiewende sein. Ein wichtiger Grund unter anderen, den die Akteure anführen, ist eine größere Flächeneffizienz. (Das DSTTP-Positionspapier gibt es online zum Download hier).
Andere Faktoren wie hohe Wirtschaftlichkeit in Form von niedrigen solaren Wärmegestehungskosten werden angeführt oder auch die hohe Mindestlebensdauer sowie geringe Betriebskosten. Das alles ist zutreffend. Doch beschreibt es nicht von der volkswirtschaftlichen Ebene herunterskaliert auf ein Einfamilienhaus, welchen Anteil es an der Wärmeversorgung dort tatsächlich ganzjährig erbringt. Das kann man genauso der Photovoltaik vorhalten. Aber die Entwicklung geht in diese Richtung, auch, weil über die PV dann doch die Sonnenenergie vielseitiger und damit übers Jahr gesehen effektiver genutzt werden kann.
Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.