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Wer beim Lockdown keine Lohnfortzahlung erhält

Dörte Neitzel

Der Grundsatz im Arbeitsrecht lautet: Kein Lohn ohne Arbeit. Diese Prämisse hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun im Hinblick auf die Beschäftigung von Minijobbern während des Corona-Lockdowns bestätigt. Das Urteil könnte einige Betriebe entlasten, die in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund einer behördlichen Anweisung wegen der Pandemie schließen mussten.

Der Fall

Geklagt hatte eine Frau aus Bremen, die als Minijobberin in einem Geschäft für Nähmaschinen im niedersächsischen Verden angestellt war. Dieses musste im April 2020 aufgrund einer Corona-Allgemeinverfügung geschlossen. Für einige der Angestellten beantragte der Betrieb Kurzarbeit und schickte sie nach Hause. Für die Klägerin gab es jedoch kein Kurzarbeitergeld, sie erhielt gar keinen Lohn mehr von ihrem Arbeitgeber.

Die Begründung des Betriebs: Für Minijobber konnte er kein Kurzarbeitergeld beantragen und unter Berufung auf die besondere Situation einer globalen Pandemie. Es sei nicht zumutbar, das Betriebsrisiko für einen solchen Fall zu leisten. Die Arbeitnehmerin war anderer Meinung, auch sie wollte das allgemeine Betriebsrisiko nicht tragen und verlangte die Zahlung ihres Gehalts von 432 Euro netto, das sie im April 2020 unter Nicht-Pandemie-Bedingungen erhalten hätte. Ihre Begründung: Sie sei arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen.

Die Vorinstanzen hatten der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 23. März 2021, Az.: 11 Sa 1062/20). Das Unternehmen trug den Fall dann dem Bundesarbeitsgericht zur Revision vor.

Das Urteil der Richter am BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat am 13. Oktober 2021 entschieden, dass der Lohnanspruch entfällt,  wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb „aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen ‚Lockdowns‘ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen“ musste (Az.: 5 AZR 211/21). Das Unternehmen trage in diesem Fall nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und sei nicht verpflichtet „den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.“

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen in Niedersachsen folgten die Erfurter Bundesrichter nicht der Argumentation der Klägerin, die Geschäftsschließungen durch die Bremer Behörden gehörten zum Betriebsrisiko, das der beklagte Kleinunternehmer zu tragen habe. Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko.

Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist – zu sorgen. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing hält die Entscheidung für nachvollziehbar. „Die Pandemie ist ein allgemeines Lebensrisiko, sie trifft die ganze Gesellschaft“, sagte Thüsing gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist kein Risiko, das allein dem Arbeitgeber zugeordnet werden kann, der damit auch nicht das Lohnrisiko trägt.“ Die Fachanwältin Nina Hartmann sprach dagegen von einem überraschenden Urteil, das sich gegen Auffassung der Vorinstanzen und andere Arbeits- und Landesarbeitsgerichte stelle.

„Die Entscheidung ist von hoher Bedeutung für die Praxis. Sie schafft für Unternehmen, die nicht mit Kurzarbeit reagieren, Rechtssicherheit und wesentliche finanzielle Erleichterung“, sagte Wolfgang Lipinski, Partner der Wirtschaftskanzlei Advant Beiten der ‚F.A.Z‘. 

Welche Arbeitnehmer noch von dem Urteil betroffen sind

Thüsing rechnet jedoch nicht damit, dass Minijobber, die bei angeordneten Betriebsschließungen ihr Entgelt erhielten, es nun zurückzahlen müssen. „Es wird nicht zu Rückzahlungsforderungen kommen. In den meisten Verträgen gibt es auch Ausschlussfristen“, so der Arbeitsrechtler.

Wurden jedoch keine Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag vereinbart, könnten Arbeitgeber, die den Lohn weitergezahlt haben, diesen nun von ihren Beschäftigten zurückverlangen. Davon betroffen wären laut ZDF dann nicht nur Minijobber, sondern auch Arbeitnehmer, denen gekündigt wurde und die bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter Lohn erhalten hatten.

Bei anderen Arbeitsausfällen müssen die Arbeitnehmer dagegen weiter Lohn zahlen. Das sind regelmäßig Fälle, in denen die Schließung etwas mit dem Betrieb selbst zu tun hat, etwa bei Lieferengpässen.

Ähnlicher Fall in Düsseldorf mit anderem Ausgang

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte noch im Frühjahr dieses Jahres anders entschieden als die Erfurter Richter. Sie sprachen einer Rentnerin, die in einer Spielhalle arbeitete, einen Lohnanspruch gegen ihren früheren Arbeitgeber zu. Im Unterschied zum in Erfurt verhandelten Fall,  erhielt das betroffene Unternehmen staatliche Ausgleichszahlungen für März und April 2020.

Der Betreiber der Spielhalle zahlte keinen Lohn mit der Begründung, dass es sich um Höhere Gewalt handele.  Das sah das LAG Düsseldorf für den Fall der Corona-Pandemie nicht, und entschied, dass das Betriebsrisiko beim Arbeitgeber verbleiben müsse (Az.: 8 Sa 674/20).

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