Bauen muss wieder einfacher werden: Was es mit dem Gebäudetyp E auf sich hat
Das Bauen in Deutschland befindet sich in einer Sackgasse. Es ist zu kompliziert, zu teuer und auch zu aufwändig geworden. Mittlerweile dämmert sogar der verantwortlichen Politik, dass an manchen Stellen nicht oder nicht richtig zu Ende gedacht wurde, sodass Ergebnisse die Ziele konterkarieren. Es mehren sich die Stimmen, die Alternativen zumindest zur Wahl stellen wollen. Das Konzept Gebäudetyp E der Bayerischen Architektenkammer soll eine solche werden.
In einem Gespräch mit dem SWR sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz Ende Februar doch tatsächlich im Rahmen der Debatte darüber, wie klimafreundlicher Hausbau aussehen soll, dass man bisher nicht beachtet habe, dass bei der Herstellung von Dämmmaterialien CO2 produziert werde. Das ist schon erstaunlich.
Nicht so erstaunlich ist, dass sich im Gezerre um das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) die Ampelkoalition gerade die Finger verbrennt. Der BDH registriert seit Anfang des Jahres außerdem einen starken Nachfragezuwachs bei Gas- und Ölheizungen, was so von der Ampelkoalition sicher nicht beabsichtigt war. Die Debatte um die Klimaziele im Wohnungsbau und der Energiewende auf dem Wärmemarkt nehmen groteske Züge an, Stand Anfang Juni 2023.
EPS: Beliebtester Dämmstoff, aber ökologisch fragwürdig
Bislang hat die Bundesregierung das Dämmen von Häusern gefördert, damit vorangetrieben und parallel die Effizienzstandards von Neubauten immer weiter nach oben geschraubt. Der derzeit meist verbaute Dämmstoff ist aber EPS (expandiertes Polysterol, „Styropor“). EPS besitzt zwar gute Dämmeigenschaften, ist außerdem relativ günstig, sehr einfach in der Handhabung und in seiner Anpassungsfähigkeit sehr flexibel. EPS ist aber ein Kunststoff, der auf Erdöl basiert und dessen Recycling am Ende schwierig ist, u. a. auch, weil es sich um Stoff-Vermischungen handelt. Die Entsorgung erfolgt meist thermisch. Andere Lösungsansätze sind aufwändig und/oder noch in der Erprobung.
Die Politik hat bereits in gewisser Weise reagiert. Seit vergangenem Jahr sehen die neuen Regeln der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) vor, dass KfW-40-Häuser im Neubau nur dann noch gefördert werden, wenn sie auch die Nachhaltigkeitszertifizierung „Qualitätssiegel Nachhaltige Gebäude“ (QNG) vorweisen können. QNG ist aber in der Praxis kompliziert (s. Beiträge auf haustec.de) und es verteuert das Bauen weiter. Gewinner werden Fertighausanbieter sein und große Baugesellschaften, die QNG quasi seriell für die angebotenen Haustypen erbringen.
Haustechnik wird immer komplexer
Der Blick auf die Haustechnik zeichnet kein anderes Bild, auch sie wird immer komplexer. Was technisch faszinierend ist, hat noch wenig beachtete Folgen. Timo Leukefeld, Honorar-Professor für das Thema vernetzte energieautarke Gebäude an der BA Glauchau und der TU Freiberg ist einer der ersten, der einen Gegentrend im Neubau zu initiieren verfolgt, auf weniger Technik statt auf mehr zu setzen. Gegenüber haustec.de sagte Leukefeld: „Wir wollen nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im Bauen erreichen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre, vorangetrieben durch die staatliche Förderung, wie die KfW-Programme, hat zu einer technisierten Bauweise geführt. Je mehr Technik verbaut wird, umso höher fällt die Förderung aus. Das führt aber dazu, dass die Haustechnik für den Bauherren trotz Förderung immer teurer wird. Was bis jetzt noch übersehen wird: Damit steigen aber auch die Instandhaltungs- und Modernisierungskosten.“
Mittlerweile regt sich Widerstand und es wird nun häufiger die Frage aufgeworfen, ob der eingeschlagene Weg im Wohn- und Gebäudesektor der richtige ist. Wie man an der Geywitz-Aussage erkennen kann, offenbar auch von der verantwortlichen Politik selbst.
Die Initiative Gebäudetyp E
Anfang Februar machte die Meldung Runde, dass in Bayern ein neuer Gebäudetyp eingeführt werden soll. Die Initiative kommt von der Bayerischen Architektenkammer, die den sogenannten Gebäudetyp E propagiert. „E“ steht für "einfach" oder "Experiment". Ziel ist laut Kammer, dass Bauherren in Abstimmung mit den Planern von vielen gängigen Standards der Bauordnung abweichen dürfen, um Bau- und Planungsprozesse wieder einfacher, damit günstiger und schneller zu machen.
Wohlgemerkt: Der Gebäudetyp E adressiert derzeit an größere Gebäude/die Wohnungswirtschaft, nicht an den Einfamilienhausbauer. Er zielt nur auf sachkundige Bauherren, die keine Verbraucher sind. Hier entstand durch mediale Berichterstattung mitunter ein falscher Eindruck, was aber auch daran liegen kann, dass das Konzept im Detail noch relativ vage ist.
Konkrete Idee des Konzepts
Florian Dilg, Architekt und Leiter der „Taskforce Gebäudetyp E“ der Bundesarchitektenkammer, beschreibt die konkrete Idee des Konzepts so: „Der Gebäudetyp „E“ sollte – wie der Sonderbau – neben den bestehenden Gebäudeklassen in Art. 2 der Bayerischen Bauordnung eingeführt werden. Mit dieser Klassifizierung ist kein strenger Anforderungskatalog verbunden. Als experimentell können alle Versuche gelten, einfach und kostengünstig zu bauen, neue Wohnformen auszuprobieren, oder eben etwas Anderes völlig Neues.“ Wichtig sei, dass ein Architekt eine qualifizierte Planung durchführe. Ein stark reduziertes Regelwerk ermögliche es Bauherren und Architekten dann, Standards, Materialien und Ausführungsdetails so aufeinander abzustimmen, dass sinnvolle und nachhaltige Gebäude zu bezahlbaren Kosten entstünden, so Dilg weiter. Begleitet werde die Einführung in die Bauordnung durch Ergänzungen im BGB in den Paragrafen 633 und 650. „Diese ermöglichen die Erreichung eines „mangelfreien Werks“, wenn die öffentlich-rechtlichen Anforderungen eingehalten und die vereinbarten Ziele erreicht werden – unabhängig von den anerkannten Regeln der Technik, deren Abweichung nicht mehr im Einzelnen vereinbart werden muss“, erklärt Florian Dilg.
Vorschriften in allen Bauordnungen lockern
Der Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr im Bayerischen Landtag hat die Einführung auf Antrag mehrerer Parteien Anfang März nun auf den Weg gebracht. Die Bayerische Bauordnung soll entsprechend angepasst werden. Unterstützung erhält die bayerische Kammer inzwischen auch von der Bundeskammerversammlung der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner. Das Ziel ist, in allen Bauordnungen der Länder die Vorschriften nach dem nun anstehenden Vorbild in Bayern zu öffnen, damit der neue Standard in Zukunft bundesweit gilt.
Weg aus der Bau-Stagnation
Haustechnik, Dämmstandards, Anforderungen an die verwendeten Baustoffe, zunehmende Dokumentationen, Vorschriften bei der Wahl des Heizsystems, aber auch andere Vorgaben wie die des Schallschutzes: Aus den verschiedensten Blickwinkeln des Bauens gestaltet sich ein gemeinsames Bild. Es ist teuer, komplex und aufwändig geworden.
„Das Planen und Bauen ist gegenwärtig überfrachtet von Richtlinien, Normen und privatrechtlichen Anforderungen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die aktuell steigenden Bau- und Bodenpreise, aber auch durch Material- und Fachkräftemangel“, beklagt die Bundeskammerversammlung der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in einer gemeinsamen Erklärung zur Situation des Bauens in Deutschland. Für die dringend notwendige Wende beim Bauen sei mehr Bewegungsfreiheit für innovative planerische Konzepte erforderlich. Hierfür müsse das Bauen vereinfacht werden, heißt es in der Erklärung weiter. Das sieht der Bauausschuss im Bayerischen Landtag offenbar genauso: Er unterstützte den Antrag parteiübergreifend und einstimmig.
Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.