Energieberatung und Bürokratie: Gefangen im Richtlinien-Dickicht
Wer sich mit den bürokratischen Anforderungen beschäftigt, mit denen es Energieberatende zu haben, hat ziemlich schnell das Bild eines kaum zu durchdringenden Dschungels im Kopf. Dieser besteht nicht nur aus den Förderrichtlinien BEG EM (Einzelmaßnahmen), BEG WG (Wohngebäude) und BEG NWG (Nichtwohngebäude). Hinzu kommen die technischen Mindestanforderungen (TMA) und die technischen FAQ sowie Info- und Merkblätter. „Das ist einfach zu viel“, sagt Lars Klitzke, Mitgründer des Weiterbildungsinstituts für nachhaltiges energieeffizientes Bauen und Bauphysik (Winaba). Denn alle gültigen Richtlinien, Merkblätter und ähnliches müssten am Tag der Antragsstellung in ihrer aktuellen Fassung berücksichtigt werden. „Das überfordert viele Energieberatende.“
Damit einher geht auch eine Fülle von Nachweisen, die Antragsteller vorlegen müssen. Dieser Punkt stört Barbara Metz, Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), besonders. So zählt sie die Nachweise auf, die etwa beim Antrag zur Förderung einer klimafreundlichen Heizung erbracht werden müssen. Dazu gehören eine Bestätigung des hydraulischen Abgleichs, eine Fachunternehmenserklärung, Nachweis über die Jahresarbeitszahl, Zertifikat über die unabhängige Prüfung und Zertifizierung, Herstellernachweis, Aufstellung der förderfähigen Investitionen. Und damit ist nur ein Teil der Dokumente aufgezählt, die vorgelegt werden müssen. „Wer braucht so viele Zertifikate?“, fragt sich Metz. Das sorge nur für Komplexität, die aber völlig unnötig sei.
Denn offensichtlich geht es auch einfacher – zum Beispiel in den Niederlanden. Dort ist die Zahl der Nachweise laut Metz deutlich geringer. „Rechnung und Zahlungsnachweis, Melde-Code, Telefonnummer und Adresse. Das war´s.“ Hierzulande müsse man dagegen erst „ein Studium der Antragstellung“ absolviert haben.
Anforderungen ändern sich ständig
Hinzu kommt, dass sich die Anforderungen ständig ändern. Das Infoblatt „Förderfähige Maßnahmen und Leistungen“ etwa gebe es mittlerweile in der Version 9.0, berichtet Klitzke. Seitdem es 2021 das erste Mal veröffentlicht wurde, hat es also bereits viele Änderungen durchlaufen. Klitzke nennt ein weiteres Beispiel: „2022 war der Fußbodenoberflächenbelag bei der Heizungsförderung voll förderfähig. Im Jahr 2023 war dies dann nur noch bei der Optimierung der Heizungsanlage, aber nicht beim Heizungstausch der Fall. Dieses Jahr ist er wieder voll förderfähig.“
Wer sich zu Beginn eines Jahres schulen lasse, könne nicht sicher sein, dass die entsprechende Information auch für den Rest des Jahres gültig sei. „Man muss sich also mehrfach im Jahr weiterbilden, um stets auf dem aktuellen Stand zu sein“, sagt Klitzke. „Zudem muss man aber auch das alte Wissen für laufende Projekte parat haben, denn der Tag der Antragsstellung ist entscheidend.“ Erschwerend komme hinzu, dass Infoblätter häufig auch rückwirkend gelten.
Antragsstellung ist fehleranfällig
„Es ist sehr ärgerlich, dass man während des Spiels die Regeln ändert“, nennt Klitzke eine Analogie aus dem Sport, um die Problematik zu verdeutlichen. Die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen gepaart mit Förderstopps, die in den vergangenen Jahren zunehmend aufgetreten sind, haben laut Klitzke zu einer wachsenden Verunsicherung der Energieberatenden geführt. Und diese müssen sich dann auch mit dem Unmut der Bauherren auseinandersetzen, die ebenfalls verunsichert sind. Das macht den Job nicht angenehmer.
Die Unsicherheit wird zudem durch den Umstand verstärkt, dass eine komplexe Antragsstellung auch zu Fehlern führen kann. Diese lassen sich nachträglich häufig nicht mehr ändern. Und sie können schwerwiegende Folgen haben. „Wenn man zum Beispiel bei der Beantragung des iSFP-Bonus vergisst, bei einem bestimmten Punkt ein Kreuzchen zu setzen, dann muss es möglich sein, dies zu korrigieren“, meint Klitzke. „Stattdessen bleibt der Energieberatende auf dem entgangenen Bonus als Schadenssumme sitzen und muss dem Fördermittelempfänger in der Regel den ausgefallenen Zuschuss zahlen.“ So erhöht die Bürokratie die Haftungsrisiken für die Energieberatenden.
Energieberatende in der Pflicht
Klaus Lambrecht jedoch teilt die Kritik an den Förderrichtlinien nicht. Er ist unter anderem in Forschungsprojekten zu Förderprogrammen involviert und gibt Fortbildungen für die Architektenkammer und Energieberatende. Die Richtlinien seien relativ klar geschrieben, so Lambrecht. Seiner Meinung nach liegt der Ball eher auf Seiten der Energieberatenden. „Wir leben eben in einer sehr komplexen Welt. Und wenn man eine zielgenaue Förderung möchte, dann braucht man auch etwas kompliziertere Regeln, um diese zu erreichen.“
Es sei Teil des Berufsalltags eines Energieberatenden, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Dazu gehörten auch regelmäßige Fortbildungen. „Wenn es eine neue Förderrichtlinie gibt, dann muss ich mir die auch durchlesen, sonst kann ich sie nicht anwenden“, so Lambrecht. „Es reicht nicht, mal in zwei oder drei Foren hineinzuschauen.“
Von den Energieberatenden werde zur Recht eine gewissen Qualität bei ihrer Tätigkeit erwartet. Und dazu gehört laut Lambrecht auch, stets auf dem aktuellen Stand in Sachen Förderung zu sein. Hinzu käme, dass man nur eine hohe Expertise aufbauen könne, wenn man regelmäßig in der Praxis tätig sei. „Diese Expertise erreicht man nicht, wenn man nur drei oder vier Beratungen pro Jahr durchführt.“
Förderstopps können existenzbedrohend sein
Doch die bürokratischen Widrigkeiten haben Auswirkungen auf die Branche. Aus den Schulungen, die sein Institut durchführt, weiß Klitzke, dass der Unmut wächst. In den vergangenen zwei Jahren seien besonders viele Förderanträge gestellt worden. Daher häuften sich nun die Fälle, in denen die Probleme offen zutage treten. So berichten Energieberatende etwa über wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die können durch Förderstopps verursacht sein oder weil sich Auszahlungen von entsprechenden Geldern hinauszögern. „Das kann existenzbedrohend sein“, so Klitzke. „Wer ein Jahr warten muss, bis ihm der iSFP-Zuschuss ausgezahlt wird, kann seine laufenden Kosten nicht mehr decken.“ Hinzu kommen Fälle von Energieberatenden, die sich mit hohen Haftungsforderungen konfrontiert sehen. Klitzke berichtet von Betrieben, die aufgrund solcher oder ähnlicher Gründe am Rande der Insolvenz stehen.
Andere geben aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen auf. „Es werden ganz viele Sorgen an uns herangetragen“, berichtet Klitzke. „Es hat sich zudem gezeigt, dass in den vergangenen Monaten selbst erfahrene und langjährig tätige Energieberatende resignieren und ihre Tätigkeit niederlegen, da sie an ihre Grenzen stoßen und erschöpft sind. Die Befürchtung, auch nur den kleinsten Fehler zu begehen und infolgedessen mit erheblichen Schadenssummen konfrontiert zu werden, ist für viele mittlerweile unerträglich.“
Schließlich bestehe die berufliche Tätigkeit eines Energieberatenden ja nicht nur darin, beim Akquirieren von Fördermitteln zu unterstützen. „Die eigentliche Aufgabe ist es ja, belastbare Energiekonzepte zu entwickeln und Wege zum klimaneutralen Gebäudebestand aufzuzeigen.“
Appell an die Politik
Er appelliert daher an die politischen Entscheidungsträger, die Förderbedingungen zu optimieren. „Es geht insbesondere darum, die Überfülle an Richtlinien zu reduzieren. Ferner ist es unabdingbar, dass die Rahmenbedingungen zumindest für die Dauer eines Kalenderjahres Bestand haben.“ Zudem sollten jegliche Änderungen zeitgerecht und unmissverständlich kommuniziert werden.