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Aus der Praxis: Erdwärme und Energiezäune als Ölheizungsersatz

Volker Lehmkuhl

Heutzutage ist es bei der Heizungssanierung in größeren Wohngebäuden immer noch üblich, zusätzlich zur Wärmepumpe oder Solaranlage einen Gas-Brennwertkessel in den Keller zu stellen – als Leistungsreserve für besonders kalte Tage oder einen besonders hohen Warmwasserbedarf. Doch diese Art von Hybridanlage kostet Geld und benötigt Platz, wenn überhaupt ein Erdgasnetz vorhanden ist. Außerdem sind zusätzliche Leitungen erforderlich. Monitoring und Wartung sind aufwendiger, schließlich muss ein weiteres System überwacht werden. Nicht zuletzt: Der Klimaschutz profitiert von der Heizungssanierung nicht in dem Maße, wie es sein könnte.

Einfacher und zukunftsfähiger wäre es, auf klimaschädliche Verbrennungsprozesse komplett zu verzichten, und eine (fast) vollständig erneuerbare Wärmeversorgung mit Öko- oder PV-Strom vom eigenen Dach als Antriebsenergie für eine Wärmepumpe zu realisieren. Bei der Umsetzung solcher Vorhaben gilt es, drei Herausforderungen zu meistern. Nicht nur, aber vor allem im Gebäudebestand.

Solarstrahlung gibt es in unseren Breiten leider genau dann wenig, wenn die größte Wärmemenge für die Beheizung von Gebäuden erforderlich ist. Die reichlich vorhandene Sonnenenergie von Frühjahr bis Herbst in die Heizperiode mitzunehmen, ist deshalb die zentrale Herausforderung bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestands ebenso wie für klimaneutrale Neubauten.

Die zweite Herausforderung: Stets die optimale Umweltenergie für die Wärmepumpe auswählen. Je höher die Quelltemperatur, umso geringer der Temperaturhub zwischen Umwelt­energie und Heizungsvorlauf und umso größer die Effizienz der Wärmepumpe. Die dritte Herausforderung: Die Vorlauftemperatur so niedrig wie möglich halten. Auch hier ist das Ziel ein möglichst niedriger Temperaturhub und damit eine höhere Effizienz der Wärmepumpe.

Die Erdkollektoren werden senkrecht im Boden vergraben und benötigen deshalb pro Kilowatt weniger Grundfläche.

Erdwärme und Energiezäune ersetzen Ölheizungen

Ein Projekt in Lüneburg zeigt, wie sich die drei Herausforderungen meistern lassen. Es handelt sich um zwei nebeneinander liegende Mehrfamilienhäuser von Sauerland Wohnungsunternehmen mit 2919m2 Wohnfläche in 44 vermieteten Wohnungen. Weitere Kenndaten: Baujahr 1962, regionaltypische Ziegelfassade, zwei Ölzentralheizungen, dezentrale elektrische Warmwasserbereitung, ein vergleichsweise guter Energiekennwert von 101 kWh/m2.

Die erforderliche maximale Heizleistung beträgt pro Haus 80kW bei -12°C Außentemperatur. Der Gesamtenergieverbrauch lag vor der energetischen Sanierung bei 295.047kWh oder rund 30.000 Litern Heizöl pro Jahr. Keine Worst Performing Buildings, aber auch keine energetischen Musterknaben. Die Aufgabe bestand darin, die beiden 19 Jahre alten Ölkessel durch effiziente Wärmepumpen zu ersetzen, bei möglichst geringen Eingriffen in den Wohnungen und ohne Dämmung der Ziegelfassade oder des Dachs.

Die Lösung brachten die Gebäudetechnikfirma Metternich Haustechnik, das TGA-Planungsbüro Weidemann in Bad Sassendorf und CJ Consulting Janssen, die als zertifizierter Fachbetrieb für den korrekten Einbau der Erdkollektoren verantwortlich zeichneten. Die wichtigsten Komponenten der neuen Anlage: zwei Wärmepumpen Eco Touch DS 5112.5DT der Firma Waterkotte, Erdwärmekollektoren von Geocollect, Energiezäune von Valucol, ein intelligentes Quellenmanagement von Building Equipment Cologne sowie Wärmepumpenheizkörper von Jaga.

Als erste Energiequelle dient das Erdreich auf der Rückseite der beiden Gebäude, das mit Erdwärmekollektoren erschlossen ist. Die Energiesammler aus robustem PP-R-Kunststoff bieten durch ihre besondere Oberfläche eine große Kontaktfläche zum umgebenden Erdreich und damit eine hohe spezifische Leistung bei geringem Flächenbedarf. Im Gegensatz zu anderen Kollektorsystemen wird bei Verlegung auf einer Ebene nur ein Drittel der beheizten Fläche benötigt, bei zwei Kollektor-Ebenen übereinander sinkt der Flächenbedarf auf 1/5 der beheizten Fläche.

In Lüneburg sind pro Gebäude 70 Stränge mit je 10 Kollektoren verlegt. Die Entzugsleistung beträgt jeweils 70kW auf einer Fläche von etwa 31m mal 17m. Die Baugrube wurde 2m tief ausgehoben. Die mit Sand verfüllten und eingeschlämmten Kollektoren sind robust und haben eine zertifizierte Lebensdauer von 100 Jahren. Auf der Fläche können Pflanzen bis zu einer Wurzeltiefe von 80cm wachsen. Auch Parkflächen mit versickerungsfähigem Pflaster wären möglich.

Die zweite Wärmequelle bilden 20 auf dem Gelände in zwei Gruppen montierte Energiezäune. Wegen ihrer guten Wärme­leitfähigkeit und der schwarzen Lackierung nehmen sie Energie aus der Luft sowie aus diffuser und direkter Sonneneinstrahlung auf und geben sie an die Sole der Erdreichwärmepumpen ab. Jedes der 3mx2m großen Bauteile aus Aluminium liefert eine Leistung von rund 4kW.

Als oberirdische Wärmetauscher absorbieren die Energiezäune die Wärme aus der Umgebung sowie Sonnenstrahlung und führen sie den Wärmepumpen zu.

Erdreich als Pendelspeicher nutzen

„Der große Vorteil der Kombination der beiden Systeme ist, dass wir das Erdreich sowohl als Energiespeicher als auch als Energiequelle nutzen“, erklärt TGA-Fachmann Malte Weidemann. Gesteuert durch ein Quellenmanagement-Hydraulikmodul nutzt die Wärmepumpe stets die Wärmequelle mit der höchsten Temperatur. Bei Außentemperaturen bis etwa Null Grad sind das die Energiezäune. Erst bei niedrigeren Temperaturen entzieht die Wärmepumpe dem Erdreich Energie.

Auch in Lüneburg herrschen die meiste Zeit deutlich höhere Außentemperaturen als die minimale Auslegungstemperatur von -12°C. Bereits im Bereich von 5 bis 10°C benötigen die Wärmepumpen nur einen kleineren Teil ihrer Leistung, um die Gebäude heizen zu können. Statt immer wieder ein- und auszuschalten, speichert die Hybridanlage „überschüssige“ Energie aus den Energiezäunen im Erdboden, der sich auf diese Weise bei warmer Witterung regelmäßig regeneriert, zusätzlich zur Erwärmung im Frühling und Sommer.

Der Vorteil: Während die Sonne statistisch gesehen am 21. Dezember ihre geringste Leistung auf die Erde schickt, erreicht der Erdboden erst Ende Februar/Anfang März seine niedrigste Temperatur von etwa 0°C. Dann scheint die Sonne schon wieder häufiger und die Lufttemperaturen steigen. „Durch die regelmäßige Speicherung von Umweltwärme im Boden erreichen wir bei hybriden Anlagen übers Jahr eine durchschnittliche Quellentemperatur von 4 bis 5°C“, sagt Geocollect-Vertriebsleiter Volkmar Frotscher. Diese „hohen“ Temperaturen sind der Grund dafür, dass solche Anlagen höhere Jahresarbeitszahlen und höhere Vorlauftemperaturen erreichen als Erdwärmepumpen mit nur einer Wärmequelle. Die Jahresarbeitszahlen von Luft/Wasser-Wärmepumpen liegen in der Regel noch einmal deutlich darunter, gerade im Bestand ohne Flächenheizung.

„Die Auslegung mit zwei Energiequellen bietet zusätzliche Sicherheit, da bei einem Ausfall oder beispielsweise bei einer Beschädigung des Energiezauns einfach auf die Erdwärmekollektoren umgeschaltet werden kann“, sagt Metternich Haustechnik-Geschäftsführer Frank Euteneuer. Die regenerative Wärmeversorgung bleibe damit sichergestellt, bevor die Mietenden überhaupt einen Abfall der Raumtemperaturen bemerken würden. Alternativ zu den Energiezäunen könnten als Wärmequelle beispielsweise auch PVT-Kollektoren oder Prozessabwärme infrage kommen.

Eine wichtige Komponente der Anlage bilden die Hydraulikmodule von Building Equipment Cologne. Die Module funktionieren regelungstechnisch autark, es bedarf also keiner steuerungstechnischen Anbindung an die Wärmepumpe. Die kompakten Einheiten sind für Heizlasten von sechs bis 300kW lieferbar. Im Auslieferzustand sind die Anlagedaten bereits in der Steuerung programmiert. Die Feinjustierung erfolgt ebenso wie das integrierte Monitoring per Fernwartung.

Kein Spitzenlastkessel, keine Dämmung, keine Flächenheizung – und trotzdem wird effizient geheizt

Um die Vorlauftemperatur zusätzlich zu senken, wurden die bestehenden Kompaktheizkörper durch passgenaue Gebläsekonvektoren ersetzt. Sie erzielen mit Vorlauftemperaturen von 35 bis 40°C ähnliche Leistungen wie die zuvor montierten Flachheizkörper mit 60 bis 70°C. Der hydraulische Abgleich geschieht über dynamische Ventile. Regelbar in drei Stufen, sind die kleinen Lüfter auf kleinster Stufe nicht zu hören. Erforderlich ist eine Steckdose in der Nähe des Heizkörpers. Dank der geringen elektrischen Leistung der Lüfter von etwa fünf bis 15W ist keine eigene Sicherung nötig.

Im Lüneburger Projekt erfolgt die Stromversorgung der Heizkörper über ein Niederspannungsnetz, das ausgehend vom Heizungskeller entlang der Heizkörper verlegt wurde und das eine 64-kW-Photovoltaikanlage auf einem der Dächer versorgt. In beiden Gebäuden zirkuliert das Heizwasser bei -12°C Außentemperatur mit 45°C durch die Heizkörper, immer noch vergleichsweise niedrig und ausreichend, um auch bei strengem Frost eine Raumtemperatur von 20°C sicherzustellen.

Entsprechend effizient arbeiten die beiden Solewärmepumpen in den Gebäuden. Für die Jahresarbeitszahl der kompletten Anlage geht Malte Weidemann von einem Wert von 4,5 aus – wohlgemerkt ohne zusätzliche Dämmung der Gebäudehülle und ohne Flächenheizung. Die Sanierung erfolgte in bewohntem Zustand, ein Umzugsmanagement und Ersatzwohnungen waren nicht erforderlich.

Elektrische Heizstäbe in den Pufferspeichern können Spitzenlasten abdecken und sichern eine Notversorgung. In den Kellern stehen insgesamt vier Pufferspeicher mit je 1.000 Litern Volumen. Prinzipiell sind auch weniger und dafür größere Speicher möglich. Ein Problem tauchte bei der gelungenen Dekarbonisierung der Gebäude dann doch auf: Da die verfügbare elektrische Anschlussleistung bereits ausgelastet war, mussten für die beiden Wärmepumpen zwei neue Anschlüsse an das Verteilnetz der Stadtwerke in den Nachbarstraßen eingerichtet werden.

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