Ist der Peak bei der Photovoltaik-Nachfrage schon wieder überschritten?
Auch in diesem Monat sind die Modulpreise wieder signifikant an breiter Front gefallen. Ein baldiges Ende der Talfahrt ist noch nicht in Sicht. Je nach Effizienzgrad und Güte gaben die Preise gegenüber dem Vormonat jeweils um etwa 6 bis fast 8 Prozent nach, womit alle Werte seit Jahresanfang um mindestens 20 Prozent gesunken sind. Schaut man sich die letzten 12 Monate an, erkennt man sogar einen Preiseinbruch von durchschnittlich 30 Prozent.
Einen derart heftigen Preisverfall konnten wir zuletzt im Verlauf des Jahres 2018 beobachten. Das bisher niedrigste Solarmodul-Preisniveau verzeichneten wir im dritten Quartal 2020. Dieses Niveau werden wir in diesem Jahr wohl auch wieder im laufenden dritten Quartal erreichen. Aber auch die Wechselrichter- und Speicherpreise im europäischen Markt sind unter Druck und bröckeln zusehends. Die Gründe dafür werde ich hier beleuchten.
PV-Jahr eigentlich gut gestartet
Noch zu Jahresanfang befand sich die Branche in einem Zustand der Euphorie – die Geschäfte liefen sehr gut, denn der Nachholbedarf nach den Lieferschwierigkeiten im vergangenen Jahr war bei allen Akteuren groß. Die Projektpipeline bei den Errichtern schien geradezu unendlich lang zu sein, die Wartezeiten der bauwilligen Endkunden ebenfalls.
Glücklicherweise lösten sich die Nachschubprobleme insbesondere der Produkte aus Asien nach und nach auf und die Transportkosten stellten auch keine Hürde mehr dar – wir alle konnten aus dem Vollen schöpfen und die angestauten Aufträge abarbeiten. Gleichzeitig stiegen die Energiekosten bei den Verbrauchern in die Höhe, Photovoltaikinstallationen waren das Mittel der Wahl, um die drohende Kostenexplosion abzumildern, obwohl die Anlagenpreise im Vergleich zu früher recht gesalzen waren. Nun, die Auftraggeber konnten froh sein, dass sie zeitnah eine Photovoltaikanlage bekamen. Alles lief gut und nichts schien die heimische Photovoltaikbranche mehr bremsen zu können.
In Erwartung eines florierenden Marktes mit guten Margen wurden massenweise Solarmodule und andere Komponenten gefertigt und nach Europa verschifft. Die Händler und Installateure machten sich noch im ersten Quartal die Lager voll, um nicht wieder von einem Engpass überrascht zu werden. Doch dann passierte etwas, womit viele nicht gerechnet hatten: die Nachfrage flaute merklich ab.
Obwohl die Klimaziele bekannt sind, der Weg dahin über die erneuerbaren Energien führt und die Politik eine breite Unterstützung und entsprechende Programme angekündigt hatte, schien das Momentum nicht auszureichen, den Photovoltaikmarkt in gleichbleibender Geschwindigkeit am Laufen zu halten. Der Wille zur Veränderung scheint bei den meisten Menschen doch nicht groß genug zu sein, über ihre kurzfristigen Bedürfnisse und antrainierten Verhaltensweisen hinwegzusehen und das große Ganze im Auge zu behalten.
Geplante Investitionen in PV werden verschoben
Eine nicht eintretende Energiekrise verbunden mit einer minimalen Senkung der Energiepreise reicht offenbar bei vielen schon aus, um bei den bereits eingeplanten Investitionen auf die Bremse zu treten und die Errichtung einer eigenen Photovoltaikstromversorgung auf die lange Bank zu schieben. Darüber hinaus sind die Corona-Beschränkungen vorüber und die Flüge wieder preiswert – das gesparte Geld kann wieder in Fernreisen gesteckt werden oder aber zurückgelegt werden, denn es könnten ja unvorhersehbare Härten auf uns zukommen.
In Deutschland flammte in den vergangenen Monaten eine unsägliche öffentliche Diskussion um die längst überfällige sogenannte Wärmewende auf. Der Entwurf des Wirtschafts- und Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck für ein neues Gebäudeenergiegesetz wurde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und von der Opposition und aus den eigenen Reihen der Koalitionsparteien bekämpft sowie in einschlägigen Medien zerrissen. Die bisher so positive Stimmung pro Erneuerbare kippte wieder.
Welche Kosten kommen auf Hausbesitzer zu? Bevölkerung verunsichert
Die Konsequenz aus den öffentlichen Diskussionen und der daraus resultierenden Verschiebung der Gesetzesverabschiedung ist eine komplette Verunsicherung der Bevölkerung bezüglich der Kosten, die auf einzelne Hausbesitzer noch zukommen werden und ist damit ein weiterer Baustein für das schrittweise Erliegen des deutschen Kleinanlagenmarkts. Betrachten wir das ganze einmal in Zahlen: Bekam ein mir bekannter, in den sozialen Netzwerken recht aktiver Handwerksbetrieb im Frühjahr noch durchschnittlich 30 Anfragen pro Tag, sind diese mittlerweile auf weniger als 5 gesunken. Gleichzeitig fielen die Abschlusszahlen von bis zu 10 auf etwa einen Neuauftrag pro Woche. Ist irgendwann der noch existierende Auftragsstau abgearbeitet, muss der Inhaber schauen, wie er seine momentan noch 3 parallel arbeitenden Montageteams irgendwie beschäftigt bekommt.
So kann der Handwerkermangel auch bekämpft werden – man würgt einfach die Nachfrage ab!
Der Verkäufermarkt wird langsam, aber sicher wieder zu einem Käufermarkt, wo sich die Anbieter um die wenigen Kaufinteressenten prügeln und sich gegenseitig unterbieten müssen, um Aufträge an Land zu ziehen. Es wird nicht reichen, nur die niedrigeren Komponentenkosten an die Endkunden weiterzugegeben, sondern es werden auch bei den Planungs- und Montagekosten Federn gelassen werden müssen, wenn man seine Mitarbeiter auch in Zukunft noch auslasten können will.
Für uns Händler bedeutet der hohe Lagerbestand, die damit verbundene sofortige Verfügbarkeit der Ware und ein andauernder Preisverfall, aber auch die Unsicherheit bezüglich der Endkundennachfrage, dass Installateure nicht mehr langfristig planen, sondern ad hoc einkaufen wollen. Das macht wiederum den Forecast bei den Herstellern schwierig. Die eingehenden Lieferungen müssen wieder schnell gedreht werden, um keine Verluste zu riskieren. Zukünftiger Bedarf ist schwer zu kalkulieren, verhandelte Preise in ein paar Wochen wieder Makulatur.
Wie sieht es bei mittleren bis großen Photovoltaikinstallationen aus?
Bliebe uns noch der Markt für mittlere bis große Photovoltaikinstallationen. Leider sieht es auch dort nicht viel besser aus bezüglich der zukünftigen Kapazitätsauslastung der Errichter. Zwar ermöglichen die gefallenen Materialkosten theoretisch eine Erhöhung der Rendite der Betreiber. Solche Anlagen sind allerdings oft Monate bis Jahre im Voraus geplant, die Komponenten schon eingekauft, kurzfristige Preisschwankungen spielen hier also kaum eine Rolle.
Sinkende Börsen- und Industriestrompreise spielen hingegen eine gewichtige Rolle, insbesondere bei Anlagen mit Direktvermarktung bzw. unter PPA (Power Purchase Agreement). Gleichzeitig lässt der Bürokratieabbau beim Netzanschluss auf sich warten und das Mittelspannungsnetz an sich erreicht vielerorts seine Kapazitätsgrenzen. So können größere Projekte auf lange Zeit nicht gebaut und angeschlossen werden, solange der Netzausbau so schleppend voranschreitet.
"Heizhammer" einpacken und gemeinsame Ziele verfolgen
Gibt es einen Silberstreif am Horizont? Ich kann ihn noch nicht erkennen. Klar machen gefallene Preise und eine größere Konkurrenz bei den Installateuren die Angebote für den Endkunden attraktiver. Allerdings muss auch das Umfeld passen und eine positive Investitionsstimmung erzeugt werden, anstatt Existenzängste zu schüren. Die Leitmedien sollten ihren „Heizhammer“ wieder einpacken und lieber über die möglichen positiven Folgen der Energiewende und die sensationellen Erfolge der Erneuerbaren berichten.
Man kann und muss unsere Politiker nur immer wieder dazu aufrufen, ihre kleinlichen Streitereien zu unterlassen und endlich ihre Hausaufgaben zu machen. Für den Umbau des Energiesystems braucht es nicht nur ambitionierte Ziele, sondern auch klare Strategien und Regeln, wie wir sie ohne große Umwege erreichen. Der Markt allein kann und wird es nicht regeln, wenn ihm immer wieder Felsbrocken in den Weg gerollt werden.
Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit bald 30 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com.