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Ist Biomethan aus Biogas eine Alternative zu russischem Gas?

Dittmar Koop
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Nachdem Biogas als Energieträger in Deutschland seit fast zehn Jahren von der Politik nur stiefmütterlich und sehr gedrosselt behandelt wird, ließ eine Ankündigung von Robert Habeck Ende Juli aufhorchen: Zu den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums BMWK zur aktuellen Gaslage zähle auch, die Biogasproduktion kurzfristig auszuweiten, um den Bedarf an russischem Erdgas kurzfristig zu reduzieren. Im kommenden Winter sollen deshalb per Verordnung Begrenzungen der jährlichen Maximalproduktion ausgesetzt werden.

Das Thema Biogas wird seit Jahren von der deutschen Energiepolitik stiefmütterlich behandelt. Der Anlagenzubau findet nur noch auf niedrigem Niveau statt. Nichtsdestotrotz konnte sich der Bestand auf einem Niveau von rund 9.600 Anlagen bis heute halten.

Wie viel Gas wird verbraucht?

Die kurzfristig zusätzlich mobilisierbare Menge wäre absolut gesehen zwar beachtlich. Doch man sollte den möglichen Substitutions-Effekt über die von Habeck in Aussicht gestellten Verordnung auch nicht überschätzen. Laut vorläufigen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betrug der Gesamtverbrauch an Erdgas in Deutschland im vergangenen Jahr 1.016 Mrd. kWh. Allein der Verbrauch in den Wintermonaten Dezember 2020, Januar und Februar 2021 lag jeweils zwischen 100 und ca. 130 Mrd. kWh.

Energiepolitische Position zu Biogas

Der eigentliche Punkt liegt woanders. Für die Biogasbranche ist die Ankündigung Habecks ein starker Anlass, die altbekannte Lage und Situation der Biogaserzeugung in Deutschland sowie Marktentwicklungs-Restriktionen einmal mehr zu thematisieren.

Der Hintergrund: In den 2010er Jahren hat die deutsche Energiepolitik beim Thema Biogas eine Kehrtwende vollzogen. Vorausgegangen waren gesellschaftspolitische Tank-Teller-Diskussionen oder auch Diskussionen über eine "Vermaisung" der Landschaft. Biogasanlagenbetreiber und -projektierer konnten aufgrund der hohen EEG-Vergütung seinerzeit Landwirten hohe Hektarpreise zahlen, was auch in der Landwirtschaft zu Verdruss führte.

In den Biogasanlagen-Spitzenjahren des Zubaus bis 2011 verzeichnete der Fachverband Biogas (FvB) einen Nettozubau über 1.000 Anlagen pro Jahr (Neuanlagen abzgl. Stilllegungen). Diese Zeiten sind lange vorbei. Seit 10 Jahren dümpelt der Ausbau vor sich hin und lag zuletzt bei etwas über 100 Anlagen im Jahr. Für 2021 prognostiziert der FvB einen vorläufigen Tiefpunkt beim Nettozubau in Form von 60 Anlagen.

Biogasanlagen in Deutschland: Stand und weitere Entwicklung

Auch wenn der Zubau sich stark verlangsamt hat, so ist doch immerhin festzustellen, dass der Biogasanlagen-Bestand in Deutschland immerhin nicht abgenommen hat, wie man annehmen könnte, sondern praktisch derzeit stagniert. Der FvB prognostiziert für 2021 einen Bestand von 9.692 Anlagen, deren elektrische Gesamtleistung in der Größenordnung von 6 Atomkraftwerken liegt: Die installierte elektrische Leistung liegt bei knapp 6 GWe (5.787 MWe). Biogas ist nach wie vor eine beachtliche Erneuerbare-Energien-Größe.

Doch während andere Erzeugungsformen von erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden sollen (Wind, Solarenergie), sieht die Zukunft für Biogas in Deutschland nicht sehr rosig aus. Nach Berechnungen des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) wird sich unter den heutigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Anlagenbestand aller Biomasseanlagen - inkl. Biogas und Biomethan – von derzeit ca. 5.700 MWe ab 2035 auf ca. 1.000 MWe reduzieren. Die Politik macht (bewusst) seit Jahren keine Anstalten, dieser voraussichtlichen Entwicklung entgegen zu treten.

Mais ist nach wie vor mit großem Abstand die wichtigste Energiepflanze zur Produktion von Biogas in Deutschland. Hier dürften sich kaum weitere Potenziale heben lassen.

Es hat sich nicht viel geändert

Laut Marktdaten des FvB nimmt Biogas eine Fläche von rund 1,34 Mio. ha in Deutschland in Anspruch (landwirtschaftliche Fläche in Deutschland 2021: 16,6 Mio. ha). Davon entfallen rund 996.000 ha auf den Anbau von Mais (74 %). Weit dahinter rangiert der zweite Posten Grassilage (rund 137.000 ha, 10 %). Die drei wichtigsten Rohstofflieferanten für Biogas sind Maissilage, Grassilage und Getreide GPS (Ganzpflanzensilage). Nach wie vor ist die Maissilage der wichtigste Inputstoff in Biogasanlagen.

Substratalternative Biotonne ohne Perspektive

Was immer wieder in die Diskussion zur Erweiterung der Rohstoffpalette eingebracht wurde, ist der Einsatz von landwirtschaftlichen Abfällen und Reststoffen, z.B. Bioabfälle. Diese Thematik ist alt und sie hat aus guten Gründen bis heute im großen Stil nicht funktioniert:

  • Zwar gibt es absolut gesehen ein wachsendes Biomüll-Potenzial in Deutschland. Doch im Abfallbereich sind viele Stoffströme bereits verplant und es dürfte schwer sein, sie stattdessen für die Produktion von Biogas zu mobilisieren.
  • Weiter sind die Stoffströme schwer planbar – sowohl in der Menge als auch in der Qualität/Zusammensetzung.
  • Stark verschmutzte Abfälle benötigen eine umfangreiche Aufarbeitungstechnik.
  • Die Produktion von Biogas aus biogenen Reststoffen bringt außerdem andere Erfordernisse mit sich als die Produktion von Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen (NaWaRos) wie Mais oder Gras. Die Substrate zur Vergärung aus diesen Stoffen können in der Zusammensetzung sehr stark variieren.
Die Substratalternative Bioabfall/Reststoffe ist ein altes Thema in der Biogasbranche. Sie hat sich aus guten Gründen nicht im großen Stil durchgesetzt. Es scheint utopisch, diese Stoffe zur Ausweitung der Biogas-/Biomethan-Produktion einsetzen zu wollen.

Minderheit produziert Methan

Eine Minderheit von Anlagen produziert Biomethan. Laut BDEW gab es 2021 233 Anlagen, die Biogas zu Biomethan aufbereiten und ins deutsche Erdgasnetz einspeisen. Das wären ca. 2% des Gesamtanlagenbestands. Die Mehrheit verstromt Biogas direkt vor Ort. Die Statistik des FvB über den Anlagenbestand zeigt außerdem, dass überwiegend kleine Biogasanlagen in Deutschland gebaut wurden. Für sie ist, wenn sie z.B. aus der EEG-Förderung fallen nach 20 Jahren (Alt- bzw. Post-EEG-Anlagen), die Umstellung von der Direktverstromung auf die Produktion von Biomethan keine Alternative. Die Bereitstellungskosten (in ct/kWh) sind für den Energiemarkt einfach zu hoch – nicht zuletzt, weil in Aufbereitungstechnik und in den Netzanschluss investiert werden müsste.

Restriktion Anlagengröße

Selbst wenn über eine Leistungs-Erweiterung der Bestandsanlage das Ziel wäre, die spezifischen Bereitstellungskosten über einen Skalierungseffekt zu senken, steht dem das Baurecht im Weg. Laut § 35 (Bauen im Außenbereich) des Baugesetzbuch (BauGB) gibt es selbstredend Restriktionen für das Bauen außerhalb geschlossener Ortschaften.

Der wichtige Passus in § 35 für Biogas ist Absatz (1) Punkt 6 d). Die Biogasanlagen dürfen nicht mehr als 2,3 Mio. Normkubikmeter Biogas pro Jahr produzieren (Menge für ca. 500 kW BHKW-Leistung vor Ort). Halten sie das ein, können sie als privilegierte Anlagen im Außenbereich errichtet werden. Dazu bedarf es nicht einmal eines B-Plans. Gemeinhin wird unter der produzierbaren Menge indes Rohbiogas verstanden.

Wenn ein Biogasanlagenbetreiber nun erweitern wollte, um z.B. auf Biomethan umzustellen, weil nach Lehrregel nur eine höhere Menge die Wirtschaftlichkeit einer solchen Produktion verspricht, verliert er zwangsläufig das Privileg nach § 35 BauGB. Abgesehen davon muss der Betreiber im Alltagsbetrieb natürlich auch sicherstellen, dass er mehr Menge Substrat bezieht und woher er das Material bekommt.

Der Biogasanlagenbestand in Deutschland ist kleinstrukturiert. Ganz überwiegend wird das Biogas vor Ort in kleinen Blockheizkraftwerken (BHKW) verstromt. Die Umstellung auf Biomethan löst erhebliche wirtschaftliche und infrastrukturtechnische Probleme aus

Nadelöhr Netzeinspeisung

Ein anderer Punkt ist die Entfernung der Anlage zum nächsten Erdgas-Einspeisepunkt. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat in einem aktuellen Positionspapier einen 10-Punkte-Plan für eine Beschleunigung der Biomethaneinspeisung vorgelegt. Darin wird u.a. gefordert, dass die Biomethaneinspeisung in der Gasnetzzugangsverordnung neu geregelt werden müsse, weil die aktuelle Kostenverteilung des Anschlusses an das Gasnetz ein starkes finanzielles Hindernis für den Wechsel auf die Biomethanproduktion darstelle.

Die aktuelle Form der Kostenzuordnung mache Umrüstprojekte mit Entfernungen größer zehn Kilometer zum Netz meist unwirtschaftlich. Das Optimum der Entfernung liege im Bereich bis ein Kilometer. Die wenigsten Biogasanlagen dürften diese Standortbedingung erfüllen.

Die Umstellung von der Direktverstromung auf die Biomethanproduktion wird eine seltene Ausnahme sein, wie hier vor ein paar Jahren geschehen mit einer Biogasanlage in Neuss in Kooperation mit den Stadtwerken Neuss.

Keine echte Perspektive

In dem BDEW-Positionspapier werden außerdem Punkte angesprochen, die seit Jahren aus Sicht der Biogasbranche Dauerbrenner sind, z.B. müssten in einer ganzen Reihe von Gesetzen (z.B. im EEG, im KWKG oder im GEG) die Nutzungsbedingungen für Biomethan verbessert werden. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Politik darauf einlässt, selbst unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs und der möglichst schnellen Abnabelung von russischem Erdgas nicht. Deutsches Biomethan aus Biogasanlagen als Ersatz-Alternative zu russischem Erdgas dürfte bei genauerer Betrachtung sehr wahrscheinlich eher keine sein, jedenfalls sicher keine langfristige.

Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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